Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_034.001 Zunächst in der Heldendichtung. Die größere Episode "Nal und pwo_034.012 "Es war ein König Nala, pwo_034.014 pwo_034.019Des Virasena Sproß, pwo_034.015 Schön, hochbegabt und mächtig, pwo_034.016 Vertraut mit Wagen und Roß; pwo_034.017 Die Herrscher überragend pwo_034.018 Wie Jndra die Götterwelt ..." Aehnlich wird die Heldin eingeführt: pwo_034.020"Und als sie älter wurde, pwo_034.021 pwo_034.032Umgab eine Mädchenschar pwo_034.022 Die holde Damajanti pwo_034.023 Wie eine Göttin gar ... pwo_034.024 Von Schönheit hehr und herrlich, pwo_034.025 Mit großem Augenpaar; pwo_034.026 Und unter allen Göttern pwo_034.027 Und unter Menschen war pwo_034.028 Ein solcher Liebreiz nimmer pwo_034.029 Vernommen noch gesehn; pwo_034.030 Ein herzentzückend Mädchen, pwo_034.031 Für Götter selbst zu schön!" Bekundete schon der Vergleich mit den Göttern das Streben des pwo_034.033 Ueberall legt die Sage und alte Dichtung ihren Helden gern pwo_034.037 pwo_034.001 Zunächst in der Heldendichtung. Die größere Episode „Nal und pwo_034.012 „Es war ein König Nala, pwo_034.014 pwo_034.019Des Virasena Sproß, pwo_034.015 Schön, hochbegabt und mächtig, pwo_034.016 Vertraut mit Wagen und Roß; pwo_034.017 Die Herrscher überragend pwo_034.018 Wie Jndra die Götterwelt ...“ Aehnlich wird die Heldin eingeführt: pwo_034.020„Und als sie älter wurde, pwo_034.021 pwo_034.032Umgab eine Mädchenschar pwo_034.022 Die holde Damajanti pwo_034.023 Wie eine Göttin gar ... pwo_034.024 Von Schönheit hehr und herrlich, pwo_034.025 Mit großem Augenpaar; pwo_034.026 Und unter allen Göttern pwo_034.027 Und unter Menschen war pwo_034.028 Ein solcher Liebreiz nimmer pwo_034.029 Vernommen noch gesehn; pwo_034.030 Ein herzentzückend Mädchen, pwo_034.031 Für Götter selbst zu schön!“ Bekundete schon der Vergleich mit den Göttern das Streben des pwo_034.033 Ueberall legt die Sage und alte Dichtung ihren Helden gern pwo_034.037 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0048" n="34"/><lb n="pwo_034.001"/> einen Schritt weiter zeitlich vor, dann noch einen Schritt, und so <lb n="pwo_034.002"/> fort bis in die Gegenwart, so sehen wir zwar neue Stoffe und neue <lb n="pwo_034.003"/> Formen in zunehmender Fülle, – ohne daß doch die religiös-erhabene <lb n="pwo_034.004"/> Empfindung zurückgedrängt ist. Keineswegs bloß die rein äußerliche <lb n="pwo_034.005"/> und selbstverständliche Thatsache tritt uns entgegen, daß religiöses <lb n="pwo_034.006"/> Empfinden zu allen Zeiten dichterischen Ausdruck sucht. Augenfällig <lb n="pwo_034.007"/> wird vielmehr die Erscheinung, daß auch die menschlichen Helden, die <lb n="pwo_034.008"/> nun für dichterische Gestaltung reif werden, von der Poesie <hi rendition="#g">zu göttlichem <lb n="pwo_034.009"/> Schein erhoben</hi> werden, ja daß die <hi rendition="#g">Vergöttlichung</hi> <lb n="pwo_034.010"/> geradezu die <hi rendition="#g">Hauptmethode der Poetisierung</hi> wird und bleibt.</p> <lb n="pwo_034.011"/> <p> Zunächst in der Heldendichtung. Die größere Episode „Nal und <lb n="pwo_034.012"/> Damajanti“ im indischen „Mahabharata“ beginnt unmittelbar:</p> <lb n="pwo_034.013"/> <lg> <l>„Es war ein König Nala,</l> <lb n="pwo_034.014"/> <l>Des Virasena Sproß,</l> <lb n="pwo_034.015"/> <l>Schön, hochbegabt und mächtig,</l> <lb n="pwo_034.016"/> <l>Vertraut mit Wagen und Roß;</l> <lb n="pwo_034.017"/> <l>Die Herrscher überragend</l> <lb n="pwo_034.018"/> <l>Wie Jndra die <hi rendition="#g">Götterwelt</hi> ...“</l> </lg> <lb n="pwo_034.019"/> <p>Aehnlich wird die Heldin eingeführt:</p> <lb n="pwo_034.020"/> <lg> <l>„Und als sie älter wurde,</l> <lb n="pwo_034.021"/> <l>Umgab eine Mädchenschar</l> <lb n="pwo_034.022"/> <l>Die holde Damajanti</l> <lb n="pwo_034.023"/> <l>Wie eine <hi rendition="#g">Göttin</hi> gar ...</l> <lb n="pwo_034.024"/> <l>Von Schönheit hehr und herrlich,</l> <lb n="pwo_034.025"/> <l>Mit großem Augenpaar;</l> <lb n="pwo_034.026"/> <l>Und unter allen <hi rendition="#g">Göttern</hi></l> <lb n="pwo_034.027"/> <l>Und unter Menschen war</l> <lb n="pwo_034.028"/> <l>Ein solcher Liebreiz nimmer</l> <lb n="pwo_034.029"/> <l>Vernommen noch gesehn;</l> <lb n="pwo_034.030"/> <l>Ein herzentzückend Mädchen,</l> <lb n="pwo_034.031"/> <l><hi rendition="#g">Für Götter selbst zu schön</hi>!“</l> </lg> <lb n="pwo_034.032"/> <p>Bekundete schon der <hi rendition="#g">Vergleich</hi> mit den Göttern das Streben des <lb n="pwo_034.033"/> Dichters, seine Heldin aus dem gewöhnlich menschlichen Bereich emporzuheben, <lb n="pwo_034.034"/> so ist der Superlativ mit der Erhebung selbst <hi rendition="#g">über</hi> die göttliche <lb n="pwo_034.035"/> Höhe erreicht: „Für Götter selbst zu schön!“</p> <lb n="pwo_034.036"/> <p> Ueberall legt die Sage und alte Dichtung ihren Helden gern <lb n="pwo_034.037"/> göttlichen Ursprung bei. So ist noch die Heldin von Kalidasas </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0048]
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einen Schritt weiter zeitlich vor, dann noch einen Schritt, und so pwo_034.002
fort bis in die Gegenwart, so sehen wir zwar neue Stoffe und neue pwo_034.003
Formen in zunehmender Fülle, – ohne daß doch die religiös-erhabene pwo_034.004
Empfindung zurückgedrängt ist. Keineswegs bloß die rein äußerliche pwo_034.005
und selbstverständliche Thatsache tritt uns entgegen, daß religiöses pwo_034.006
Empfinden zu allen Zeiten dichterischen Ausdruck sucht. Augenfällig pwo_034.007
wird vielmehr die Erscheinung, daß auch die menschlichen Helden, die pwo_034.008
nun für dichterische Gestaltung reif werden, von der Poesie zu göttlichem pwo_034.009
Schein erhoben werden, ja daß die Vergöttlichung pwo_034.010
geradezu die Hauptmethode der Poetisierung wird und bleibt.
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Zunächst in der Heldendichtung. Die größere Episode „Nal und pwo_034.012
Damajanti“ im indischen „Mahabharata“ beginnt unmittelbar:
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„Es war ein König Nala, pwo_034.014
Des Virasena Sproß, pwo_034.015
Schön, hochbegabt und mächtig, pwo_034.016
Vertraut mit Wagen und Roß; pwo_034.017
Die Herrscher überragend pwo_034.018
Wie Jndra die Götterwelt ...“
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Aehnlich wird die Heldin eingeführt:
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„Und als sie älter wurde, pwo_034.021
Umgab eine Mädchenschar pwo_034.022
Die holde Damajanti pwo_034.023
Wie eine Göttin gar ... pwo_034.024
Von Schönheit hehr und herrlich, pwo_034.025
Mit großem Augenpaar; pwo_034.026
Und unter allen Göttern pwo_034.027
Und unter Menschen war pwo_034.028
Ein solcher Liebreiz nimmer pwo_034.029
Vernommen noch gesehn; pwo_034.030
Ein herzentzückend Mädchen, pwo_034.031
Für Götter selbst zu schön!“
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Bekundete schon der Vergleich mit den Göttern das Streben des pwo_034.033
Dichters, seine Heldin aus dem gewöhnlich menschlichen Bereich emporzuheben, pwo_034.034
so ist der Superlativ mit der Erhebung selbst über die göttliche pwo_034.035
Höhe erreicht: „Für Götter selbst zu schön!“
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göttlichen Ursprung bei. So ist noch die Heldin von Kalidasas
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Zitationshilfe: | Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/48>, abgerufen am 27.07.2024. |