Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_253.001 pwo_253.003 § 102. pwo_253.004 pwo_253.005Das sinnlich ergiebigste Kennzeichen. Schon in der Sprachschöpfung zeigt sich der sinnfällige Trieb pwo_253.006 Schon die Epitheta heben ein besonders eindrucksvolles Merkmal pwo_253.013 Das was die Antiken Metonymie nannten, die Heraushebung pwo_253.015 Spärlicher wächst die Verwendung in deutscher Sprache an. pwo_253.020 "do laettun se aerist asckim screitan" - pwo_253.023die Eschen statt der daraus gefertigten Lanzen. Aehnlich: pwo_253.024"unti im iro lintaun luttilo wurtun" - pwo_253.025die Linden statt der daraus gefertigten Schilde. pwo_253.026 Jm Muspilli steht wiederholt das Pech, das in der Hölle brennt, pwo_253.027
pwo_253.001 pwo_253.003 § 102. pwo_253.004 pwo_253.005Das sinnlich ergiebigste Kennzeichen. Schon in der Sprachschöpfung zeigt sich der sinnfällige Trieb pwo_253.006 Schon die Epitheta heben ein besonders eindrucksvolles Merkmal pwo_253.013 Das was die Antiken Metonymie nannten, die Heraushebung pwo_253.015 Spärlicher wächst die Verwendung in deutscher Sprache an. pwo_253.020 „dô lættun sê ærist asckim scrîtan“ – pwo_253.023die Eschen statt der daraus gefertigten Lanzen. Aehnlich: pwo_253.024„unti im iro lintûn luttilo wurtun“ – pwo_253.025die Linden statt der daraus gefertigten Schilde. pwo_253.026 Jm Muspilli steht wiederholt das Pech, das in der Hölle brennt, pwo_253.027
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0267" n="253"/><lb n="pwo_253.001"/> die Erscheinung im einzelnen thatsächlich zu erkennen und so weit <lb n="pwo_253.002"/> möglich geschichtlich zu beleuchten.</p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_253.003"/> <head> <hi rendition="#c">§ 102. <lb n="pwo_253.004"/> Das sinnlich ergiebigste Kennzeichen.</hi> </head> <lb n="pwo_253.005"/> <p> Schon in der Sprachschöpfung zeigt sich der sinnfällige Trieb <lb n="pwo_253.006"/> des Menschengeistes mächtig. Müssen wir doch auch in ihr immer <lb n="pwo_253.007"/> unbewußte Schöpfungen von Einzelmenschen annehmen, zu dem Zwecke, <lb n="pwo_253.008"/> Eindrücke wiederzugeben. Unbewußt zunächst sucht ebenso der Dichter <lb n="pwo_253.009"/> seine Eindrücke zu veranschaulichen, nur daß in ihm der plastische <lb n="pwo_253.010"/> Blick und Trieb, die Gestaltungsgabe in potenziertem Grade mächtig <lb n="pwo_253.011"/> ist.</p> <lb n="pwo_253.012"/> <p> Schon die <hi rendition="#g">Epitheta</hi> heben ein besonders eindrucksvolles Merkmal <lb n="pwo_253.013"/> des Nomen ausschließlich hervor.</p> <lb n="pwo_253.014"/> <p> Das was die Antiken <hi rendition="#g">Metonymie</hi> nannten, die Heraushebung <lb n="pwo_253.015"/> eines augenfälligen Kennzeichens, begegnet schon in der altindischen <lb n="pwo_253.016"/> Poesie. Vor allem schwelgt in derartigen Vorstellungen die altnordische <lb n="pwo_253.017"/> und angelsächsische Poesie; geht doch die auffällige Erscheinung <lb n="pwo_253.018"/> der Kenningar auf diese Vorstellung zurück.</p> <lb n="pwo_253.019"/> <p> Spärlicher wächst die Verwendung in deutscher Sprache an. <lb n="pwo_253.020"/> Jmmerhin begegnen solche ausdrückliche Umnennungen des Nomen <lb n="pwo_253.021"/> sofort im Hildebrandslied gegen Schluß des Fragmentes mehrfach:</p> <lb n="pwo_253.022"/> <p> <lg> <l><hi rendition="#aq">„dô lættun sê ærist asckim scrîtan</hi>“ –</l> </lg> </p> <lb n="pwo_253.023"/> <p>die Eschen statt der daraus gefertigten Lanzen. Aehnlich:</p> <lb n="pwo_253.024"/> <p> <lg> <l><hi rendition="#aq">„unti im iro lintûn luttilo wurtun</hi>“ –</l> </lg> </p> <lb n="pwo_253.025"/> <p>die Linden statt der daraus gefertigten Schilde.</p> <lb n="pwo_253.026"/> <p> Jm Muspilli steht wiederholt das Pech, das in der Hölle brennt, <lb n="pwo_253.027"/> für die Hölle selbst. Aus dem Nibelungenlied ist an Wendungen <lb n="pwo_253.028"/> zu denken wie des Schildes Rand für den Schild:</p> <lb n="pwo_253.029"/> <p> <hi rendition="#aq"> <lg> <l>„Si hiez ir ze strîte <hi rendition="#g">bringen</hi> ir gewant,</l> <lb n="pwo_253.030"/> <l>ein brünne von golde und einen guoten <hi rendition="#g">schildes rant</hi>“ ... </l> </lg> <lg> <lb n="pwo_253.031"/> <l>„dô kom ir gesinde und <hi rendition="#g">truogen</hi> dar zehant</l> <lb n="pwo_253.032"/> <l>von alrôtem golde einen <hi rendition="#g">schildes rant</hi></l> <lb n="pwo_253.033"/> <l>mit stâlherten spangen, michel unde breit,</l> <lb n="pwo_253.034"/> <l>dar under spilen wolde diu vil minneclîche meit.“</l> </lg> </hi> </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [253/0267]
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die Erscheinung im einzelnen thatsächlich zu erkennen und so weit pwo_253.002
möglich geschichtlich zu beleuchten.
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§ 102. pwo_253.004
Das sinnlich ergiebigste Kennzeichen. pwo_253.005
Schon in der Sprachschöpfung zeigt sich der sinnfällige Trieb pwo_253.006
des Menschengeistes mächtig. Müssen wir doch auch in ihr immer pwo_253.007
unbewußte Schöpfungen von Einzelmenschen annehmen, zu dem Zwecke, pwo_253.008
Eindrücke wiederzugeben. Unbewußt zunächst sucht ebenso der Dichter pwo_253.009
seine Eindrücke zu veranschaulichen, nur daß in ihm der plastische pwo_253.010
Blick und Trieb, die Gestaltungsgabe in potenziertem Grade mächtig pwo_253.011
ist.
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Schon die Epitheta heben ein besonders eindrucksvolles Merkmal pwo_253.013
des Nomen ausschließlich hervor.
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Das was die Antiken Metonymie nannten, die Heraushebung pwo_253.015
eines augenfälligen Kennzeichens, begegnet schon in der altindischen pwo_253.016
Poesie. Vor allem schwelgt in derartigen Vorstellungen die altnordische pwo_253.017
und angelsächsische Poesie; geht doch die auffällige Erscheinung pwo_253.018
der Kenningar auf diese Vorstellung zurück.
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Spärlicher wächst die Verwendung in deutscher Sprache an. pwo_253.020
Jmmerhin begegnen solche ausdrückliche Umnennungen des Nomen pwo_253.021
sofort im Hildebrandslied gegen Schluß des Fragmentes mehrfach:
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„dô lættun sê ærist asckim scrîtan“ –
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die Eschen statt der daraus gefertigten Lanzen. Aehnlich:
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„unti im iro lintûn luttilo wurtun“ –
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die Linden statt der daraus gefertigten Schilde.
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Jm Muspilli steht wiederholt das Pech, das in der Hölle brennt, pwo_253.027
für die Hölle selbst. Aus dem Nibelungenlied ist an Wendungen pwo_253.028
zu denken wie des Schildes Rand für den Schild:
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„Si hiez ir ze strîte bringen ir gewant, pwo_253.030
ein brünne von golde und einen guoten schildes rant“ ...
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„dô kom ir gesinde und truogen dar zehant pwo_253.032
von alrôtem golde einen schildes rant pwo_253.033
mit stâlherten spangen, michel unde breit, pwo_253.034
dar under spilen wolde diu vil minneclîche meit.“
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