Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_234.001 pwo_234.005 § 90. pwo_234.006 pwo_234.007Das englische Lustspiel. Nachdem wir die Stellung der englischen Dichtung in der Entwicklungsgeschichte pwo_234.008 Zu beachten ist jedoch abermals, daß Shakespeare fast durchgehends pwo_234.015 "Welch Feu'r durchströmt mein Ohr! Jst's wirklich wahr? pwo_234.032
Soll mir mein Spott so schwere Rüge tragen? pwo_234.033 Leb' wohl, mein Mädchenstolz, auf immerdar! pwo_234.034 Uns blüht kein Ruhm, als wenn wir dir entsagen; pwo_234.001 pwo_234.005 § 90. pwo_234.006 pwo_234.007Das englische Lustspiel. Nachdem wir die Stellung der englischen Dichtung in der Entwicklungsgeschichte pwo_234.008 Zu beachten ist jedoch abermals, daß Shakespeare fast durchgehends pwo_234.015 „Welch Feu'r durchströmt mein Ohr! Jst's wirklich wahr? pwo_234.032
Soll mir mein Spott so schwere Rüge tragen? pwo_234.033 Leb' wohl, mein Mädchenstolz, auf immerdar! pwo_234.034 Uns blüht kein Ruhm, als wenn wir dir entsagen; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0248" n="234"/><lb n="pwo_234.001"/> von der Beaumarchais wenigstens noch ein gut Stück bewahrt <lb n="pwo_234.002"/> hatte, trat die französische Komödie in unserm Jahrhundert aus dem <lb n="pwo_234.003"/> Lustspielcharakter im wesentlichen heraus, um in den farbloseren Mischcharakter <lb n="pwo_234.004"/> des „<hi rendition="#aq">drame</hi>“, des „Schauspiels“, einzumünden.</p> </div> <div n="4"> <lb n="pwo_234.005"/> <head> <hi rendition="#c">§ 90. <lb n="pwo_234.006"/> Das englische Lustspiel.</hi> </head> <lb n="pwo_234.007"/> <p> Nachdem wir die Stellung der englischen Dichtung in der Entwicklungsgeschichte <lb n="pwo_234.008"/> des Dramas bereits auf tragischem Gebiete kennen <lb n="pwo_234.009"/> gelernt haben, kann es nicht befremden, im Lustspiel Shakespeare als <lb n="pwo_234.010"/> den Bahnbrecher individueller Charakterzeichnung wiederzufinden. Die <lb n="pwo_234.011"/> intuitive Erfassung des Menschen bewirkt auch hier Fülle und Ganzheit <lb n="pwo_234.012"/> des Charakters und schließt jedes Tüfteln über mechanische Zusammenstellung <lb n="pwo_234.013"/> von Einzelzügen aus.</p> <lb n="pwo_234.014"/> <p> Zu beachten ist jedoch abermals, daß Shakespeare fast durchgehends <lb n="pwo_234.015"/> novellistische Stoffe behandelt. Jndem er sie übernimmt, <lb n="pwo_234.016"/> macht er sich nun allerdings, um sie zu verstehen, eine lebendige Vorstellung <lb n="pwo_234.017"/> der in die Ereignisse verflochtenen Menschen. So veranschaulicht <lb n="pwo_234.018"/> er im eigentlich dramatischen Sinne die Geschehnisse, macht <lb n="pwo_234.019"/> sie – abermals keineswegs notwendig, aber glaubhaft, indem er <lb n="pwo_234.020"/> Menschen vorführt, denen die überlieferten Thatsachen gut zu Gesicht <lb n="pwo_234.021"/> stehen. Es giebt wohl ausdrücklich Charakterwandlungen durch die <lb n="pwo_234.022"/> Handlung, wie in der bezähmten Widerspenstigen. Jn manchen Fällen <lb n="pwo_234.023"/> bewirkt die von anderer Seite ausdrücklich angelegte Jntrigue eine <lb n="pwo_234.024"/> Wendung im Charakter der Hauptgestalten; dies ist der Fall Benedikts <lb n="pwo_234.025"/> und Beatrices in „Viel Lärm um nichts“: in Sprödigkeit und <lb n="pwo_234.026"/> Stolz wappnen sich beide gegen einander, um das erwachende Bewußtsein <lb n="pwo_234.027"/> der anscheinend unerwiderten Liebe desto schwerer zu empfinden, <lb n="pwo_234.028"/> bis endlich die freilich von der Jntrigue vermittelte Gewißheit <lb n="pwo_234.029"/> der Gegenliebe das Herz durch den künstlichen Panzer schlagen <lb n="pwo_234.030"/> läßt:</p> <lb n="pwo_234.031"/> <lg> <l>„Welch Feu'r durchströmt mein Ohr! Jst's wirklich wahr?</l> <lb n="pwo_234.032"/> <l>Soll mir mein Spott so schwere Rüge tragen?</l> <lb n="pwo_234.033"/> <l>Leb' wohl, mein Mädchenstolz, auf immerdar!</l> <lb n="pwo_234.034"/> <l>Uns blüht kein Ruhm, als wenn wir dir entsagen;</l> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [234/0248]
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von der Beaumarchais wenigstens noch ein gut Stück bewahrt pwo_234.002
hatte, trat die französische Komödie in unserm Jahrhundert aus dem pwo_234.003
Lustspielcharakter im wesentlichen heraus, um in den farbloseren Mischcharakter pwo_234.004
des „drame“, des „Schauspiels“, einzumünden.
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§ 90. pwo_234.006
Das englische Lustspiel. pwo_234.007
Nachdem wir die Stellung der englischen Dichtung in der Entwicklungsgeschichte pwo_234.008
des Dramas bereits auf tragischem Gebiete kennen pwo_234.009
gelernt haben, kann es nicht befremden, im Lustspiel Shakespeare als pwo_234.010
den Bahnbrecher individueller Charakterzeichnung wiederzufinden. Die pwo_234.011
intuitive Erfassung des Menschen bewirkt auch hier Fülle und Ganzheit pwo_234.012
des Charakters und schließt jedes Tüfteln über mechanische Zusammenstellung pwo_234.013
von Einzelzügen aus.
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Zu beachten ist jedoch abermals, daß Shakespeare fast durchgehends pwo_234.015
novellistische Stoffe behandelt. Jndem er sie übernimmt, pwo_234.016
macht er sich nun allerdings, um sie zu verstehen, eine lebendige Vorstellung pwo_234.017
der in die Ereignisse verflochtenen Menschen. So veranschaulicht pwo_234.018
er im eigentlich dramatischen Sinne die Geschehnisse, macht pwo_234.019
sie – abermals keineswegs notwendig, aber glaubhaft, indem er pwo_234.020
Menschen vorführt, denen die überlieferten Thatsachen gut zu Gesicht pwo_234.021
stehen. Es giebt wohl ausdrücklich Charakterwandlungen durch die pwo_234.022
Handlung, wie in der bezähmten Widerspenstigen. Jn manchen Fällen pwo_234.023
bewirkt die von anderer Seite ausdrücklich angelegte Jntrigue eine pwo_234.024
Wendung im Charakter der Hauptgestalten; dies ist der Fall Benedikts pwo_234.025
und Beatrices in „Viel Lärm um nichts“: in Sprödigkeit und pwo_234.026
Stolz wappnen sich beide gegen einander, um das erwachende Bewußtsein pwo_234.027
der anscheinend unerwiderten Liebe desto schwerer zu empfinden, pwo_234.028
bis endlich die freilich von der Jntrigue vermittelte Gewißheit pwo_234.029
der Gegenliebe das Herz durch den künstlichen Panzer schlagen pwo_234.030
läßt:
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„Welch Feu'r durchströmt mein Ohr! Jst's wirklich wahr? pwo_234.032
Soll mir mein Spott so schwere Rüge tragen? pwo_234.033
Leb' wohl, mein Mädchenstolz, auf immerdar! pwo_234.034
Uns blüht kein Ruhm, als wenn wir dir entsagen;
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