Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_220.001 Die Voraussetzung dieses zweiten dramatischen Ansatzes ist in pwo_220.002 pwo_220.013 § 86. pwo_220.014 pwo_220.015Die Anfänge der Komödie in Griechenland. Die Entstehung der Komödie bestätigt Erfahrungen, die sich uns pwo_220.016 Das Fest der Weinlese wurde durch ein Dankopfer für Dionysos pwo_220.023 Man muß der ausschweifenden, wild überschwänglichen eleusinischen pwo_220.033 pwo_220.001 Die Voraussetzung dieses zweiten dramatischen Ansatzes ist in pwo_220.002 pwo_220.013 § 86. pwo_220.014 pwo_220.015Die Anfänge der Komödie in Griechenland. Die Entstehung der Komödie bestätigt Erfahrungen, die sich uns pwo_220.016 Das Fest der Weinlese wurde durch ein Dankopfer für Dionysos pwo_220.023 Man muß der ausschweifenden, wild überschwänglichen eleusinischen pwo_220.033 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0234" n="220"/> <lb n="pwo_220.001"/> <p> Die Voraussetzung dieses zweiten dramatischen Ansatzes ist in <lb n="pwo_220.002"/> der Stimmung gegeben, mit welcher wir das Leben zu betrachten <lb n="pwo_220.003"/> pflegen, solange es gesichert, namentlich nicht durch Tod oder sonst <lb n="pwo_220.004"/> schwereres Verhängnis gefährdet erscheint. Das Behagen am Leben, <lb n="pwo_220.005"/> die Lust am immer neuen Aufkeimen der Natur, der Genuß der <lb n="pwo_220.006"/> Lebensfreuden, der Lebensmut und Uebermut, mit dem wir auf unsere <lb n="pwo_220.007"/> Mitmenschen blicken: das alles hat in der Tragödie keinen Raum <lb n="pwo_220.008"/> und drängt doch nicht minder stark nach unmittelbarer Vergegenwärtigung <lb n="pwo_220.009"/> und Verkörperung als das Weltleid mit seinem jenseits und <lb n="pwo_220.010"/> aufwärts gerichteten Zug. So zielt auch die Lebenslust mit ihren <lb n="pwo_220.011"/> ausschließlich auf das Diesseits und das „volle Menschenleben“ gerichteten <lb n="pwo_220.012"/> Augen auf dramatisch lebendigen Ausdruck hin.</p> </div> <div n="4"> <lb n="pwo_220.013"/> <head> <hi rendition="#c">§ 86. <lb n="pwo_220.014"/> Die Anfänge der Komödie in Griechenland.</hi> </head> <lb n="pwo_220.015"/> <p> Die Entstehung der Komödie bestätigt Erfahrungen, die sich uns <lb n="pwo_220.016"/> schon in Ausbildung früherer Formen der Poesie aufdrängten: wiederum <lb n="pwo_220.017"/> geschieht die Fortentwicklung durch Verzweigung. Der Dionysos- <lb n="pwo_220.018"/> Kultus hatte nicht nur eine ernste, weihevolle, sondern auch eine übermütig <lb n="pwo_220.019"/> heitere, überschwänglich orgiastische Seite. Galt es doch, in <lb n="pwo_220.020"/> Dionysos die üppige Naturmacht, den Gott der Fruchtbarkeit und des <lb n="pwo_220.021"/> Rausches zu feiern.</p> <lb n="pwo_220.022"/> <p> Das Fest der Weinlese wurde durch ein Dankopfer für Dionysos <lb n="pwo_220.023"/> begangen. Des Gottes der zeugenden Naturkraft voll, trug man dem <lb n="pwo_220.024"/> Festzug als deren Symbol einen Phallos voran und sang übermütige <lb n="pwo_220.025"/> Dithyramben voll derber Lebens- und Liebeslust. Mit den Vorbeiziehenden <lb n="pwo_220.026"/> neckte man sich in dieser Festzeit überdies in ausgelassenen <lb n="pwo_220.027"/> Spottreden. So lag die Einführung dialogischer Elemente in den <lb n="pwo_220.028"/> ursprünglich alleinigen Chorgesang nahe. Die neue dramatische Form, <lb n="pwo_220.029"/> beim Herumschwärmen ausgebildet, blieb zunächst recht eigentlich ein <lb n="pwo_220.030"/> <hi rendition="#g">Schwarmgesang</hi> und führt daher die Bezeichnung Komödie <lb n="pwo_220.031"/> (<foreign xml:lang="grc">κωμῳδία</foreign> von <foreign xml:lang="grc">κῶμος</foreign>).</p> <lb n="pwo_220.032"/> <p> Man muß der ausschweifenden, wild überschwänglichen eleusinischen <lb n="pwo_220.033"/> Mysterien gedenken, um den Geist zu ahnen, aus dem die <lb n="pwo_220.034"/> Komödie geboren ward. Noch Aristophanes bewahrt in dem Chor </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [220/0234]
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Die Voraussetzung dieses zweiten dramatischen Ansatzes ist in pwo_220.002
der Stimmung gegeben, mit welcher wir das Leben zu betrachten pwo_220.003
pflegen, solange es gesichert, namentlich nicht durch Tod oder sonst pwo_220.004
schwereres Verhängnis gefährdet erscheint. Das Behagen am Leben, pwo_220.005
die Lust am immer neuen Aufkeimen der Natur, der Genuß der pwo_220.006
Lebensfreuden, der Lebensmut und Uebermut, mit dem wir auf unsere pwo_220.007
Mitmenschen blicken: das alles hat in der Tragödie keinen Raum pwo_220.008
und drängt doch nicht minder stark nach unmittelbarer Vergegenwärtigung pwo_220.009
und Verkörperung als das Weltleid mit seinem jenseits und pwo_220.010
aufwärts gerichteten Zug. So zielt auch die Lebenslust mit ihren pwo_220.011
ausschließlich auf das Diesseits und das „volle Menschenleben“ gerichteten pwo_220.012
Augen auf dramatisch lebendigen Ausdruck hin.
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Die Anfänge der Komödie in Griechenland. pwo_220.015
Die Entstehung der Komödie bestätigt Erfahrungen, die sich uns pwo_220.016
schon in Ausbildung früherer Formen der Poesie aufdrängten: wiederum pwo_220.017
geschieht die Fortentwicklung durch Verzweigung. Der Dionysos- pwo_220.018
Kultus hatte nicht nur eine ernste, weihevolle, sondern auch eine übermütig pwo_220.019
heitere, überschwänglich orgiastische Seite. Galt es doch, in pwo_220.020
Dionysos die üppige Naturmacht, den Gott der Fruchtbarkeit und des pwo_220.021
Rausches zu feiern.
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Das Fest der Weinlese wurde durch ein Dankopfer für Dionysos pwo_220.023
begangen. Des Gottes der zeugenden Naturkraft voll, trug man dem pwo_220.024
Festzug als deren Symbol einen Phallos voran und sang übermütige pwo_220.025
Dithyramben voll derber Lebens- und Liebeslust. Mit den Vorbeiziehenden pwo_220.026
neckte man sich in dieser Festzeit überdies in ausgelassenen pwo_220.027
Spottreden. So lag die Einführung dialogischer Elemente in den pwo_220.028
ursprünglich alleinigen Chorgesang nahe. Die neue dramatische Form, pwo_220.029
beim Herumschwärmen ausgebildet, blieb zunächst recht eigentlich ein pwo_220.030
Schwarmgesang und führt daher die Bezeichnung Komödie pwo_220.031
(κωμῳδία von κῶμος).
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Man muß der ausschweifenden, wild überschwänglichen eleusinischen pwo_220.033
Mysterien gedenken, um den Geist zu ahnen, aus dem die pwo_220.034
Komödie geboren ward. Noch Aristophanes bewahrt in dem Chor
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