Besonders bedeutsam erscheint, daß Dilthey auch im Hinblick auf pwo_009.002 die Poesie wiederholt die Geschichtlichkeit des Seelenlebens betont, so pwo_009.003 daß er sich der geschichtlichen Begrenztheit ästhetischer Gesetze nicht pwo_009.004 verschließt, aber, über die bloße Empirie hinaus, die Allgemeingültigkeit pwo_009.005 gewisser Grundzüge sucht. Dilthey geht so weit, von entwicklungsgeschichtlicher pwo_009.006 Auffassung zu sprechen.
pwo_009.007
Die Ausführung dieses fruchtbaren Gedankens wird beschränkt pwo_009.008 durch Berufung auf die Methode "der wechselseitigen Erhellung, wie pwo_009.009 sie Scherer bezeichnet hat", d. i. auf die Vergleichung beliebiger, pwo_009.010 ohne historischen Zusammenhang herangezogener Beispiele. So sind pwo_009.011 an die umfassende und feine psychologische Untersuchung einstweilen pwo_009.012 nur wenige Seiten bestätigender Zeugnisse gereiht. Und dieser Schatz pwo_009.013 der Erfahrung ist als starre Masse betrachtet, Erscheinungen verschiedener pwo_009.014 Zeiten sind als klassische Beispiele beliebig durch einander geschoben pwo_009.015 - mit einem Wort, auch in dieser verheißungsvollen Programmschrift pwo_009.016 noch ist die Litteraturgeschichte nur als Raritätenkasten, pwo_009.017 in den sich nach Bedürfniß hineingreifen läßt, statt als fließender pwo_009.018 Organismus behandelt.
Noch ist die Anschauung weit verbreitet, daß durch "klassische pwo_009.022 Beispiele" aus der Neuzeit oder aus früheren Blüteperioden der Litteratur pwo_009.023 allgemeingültige Gesetze der Poetik gewonnen werden könnten. pwo_009.024 Wo indes eine wissenschaftliche Allgemeingültigkeit erreicht werden soll, pwo_009.025 ist die Vorbedingung in jeder ausgebildeten Wissenschaft Allumfassung pwo_009.026 des Materials. Will also die induktive Poetik aus dem Stadium der pwo_009.027 Experimente in das des wissenschaftlichen Systems übergehen, so muß pwo_009.028 sie auf zusammenhängender Betrachtung der Geschichte der Weltpoesie pwo_009.029 fußen.
pwo_009.030
Liegt es an sich schon nahe, daß ein jeder Ueberblick den geschichtlichen pwo_009.031 Zusammenhang in geschichtlicher Folge durchläuft, so pwo_009.032 benötigt die induktive Poetik um so mehr dieser Verfahrungsweise, als pwo_009.033 sich aus Verfolgung der geschichtlichen Wandlungen und Umbildungen pwo_009.034 die allein zuverlässige Erklärung für die mancherlei offenbaren Abweichungen pwo_009.035 innerhalb derselben poetischen Arten und Formen gewinnen
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Besonders bedeutsam erscheint, daß Dilthey auch im Hinblick auf pwo_009.002 die Poesie wiederholt die Geschichtlichkeit des Seelenlebens betont, so pwo_009.003 daß er sich der geschichtlichen Begrenztheit ästhetischer Gesetze nicht pwo_009.004 verschließt, aber, über die bloße Empirie hinaus, die Allgemeingültigkeit pwo_009.005 gewisser Grundzüge sucht. Dilthey geht so weit, von entwicklungsgeschichtlicher pwo_009.006 Auffassung zu sprechen.
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Die Ausführung dieses fruchtbaren Gedankens wird beschränkt pwo_009.008 durch Berufung auf die Methode „der wechselseitigen Erhellung, wie pwo_009.009 sie Scherer bezeichnet hat“, d. i. auf die Vergleichung beliebiger, pwo_009.010 ohne historischen Zusammenhang herangezogener Beispiele. So sind pwo_009.011 an die umfassende und feine psychologische Untersuchung einstweilen pwo_009.012 nur wenige Seiten bestätigender Zeugnisse gereiht. Und dieser Schatz pwo_009.013 der Erfahrung ist als starre Masse betrachtet, Erscheinungen verschiedener pwo_009.014 Zeiten sind als klassische Beispiele beliebig durch einander geschoben pwo_009.015 – mit einem Wort, auch in dieser verheißungsvollen Programmschrift pwo_009.016 noch ist die Litteraturgeschichte nur als Raritätenkasten, pwo_009.017 in den sich nach Bedürfniß hineingreifen läßt, statt als fließender pwo_009.018 Organismus behandelt.
Noch ist die Anschauung weit verbreitet, daß durch „klassische pwo_009.022 Beispiele“ aus der Neuzeit oder aus früheren Blüteperioden der Litteratur pwo_009.023 allgemeingültige Gesetze der Poetik gewonnen werden könnten. pwo_009.024 Wo indes eine wissenschaftliche Allgemeingültigkeit erreicht werden soll, pwo_009.025 ist die Vorbedingung in jeder ausgebildeten Wissenschaft Allumfassung pwo_009.026 des Materials. Will also die induktive Poetik aus dem Stadium der pwo_009.027 Experimente in das des wissenschaftlichen Systems übergehen, so muß pwo_009.028 sie auf zusammenhängender Betrachtung der Geschichte der Weltpoesie pwo_009.029 fußen.
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Liegt es an sich schon nahe, daß ein jeder Ueberblick den geschichtlichen pwo_009.031 Zusammenhang in geschichtlicher Folge durchläuft, so pwo_009.032 benötigt die induktive Poetik um so mehr dieser Verfahrungsweise, als pwo_009.033 sich aus Verfolgung der geschichtlichen Wandlungen und Umbildungen pwo_009.034 die allein zuverlässige Erklärung für die mancherlei offenbaren Abweichungen pwo_009.035 innerhalb derselben poetischen Arten und Formen gewinnen
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Besonders bedeutsam erscheint, daß Dilthey auch im Hinblick auf pwo_009.002
die Poesie wiederholt die Geschichtlichkeit des Seelenlebens betont, so pwo_009.003
daß er sich der geschichtlichen Begrenztheit ästhetischer Gesetze nicht pwo_009.004
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Die Ausführung dieses fruchtbaren Gedankens wird beschränkt pwo_009.008
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ohne historischen Zusammenhang herangezogener Beispiele. So sind pwo_009.011
an die umfassende und feine psychologische Untersuchung einstweilen pwo_009.012
nur wenige Seiten bestätigender Zeugnisse gereiht. Und dieser Schatz pwo_009.013
der Erfahrung ist als starre Masse betrachtet, Erscheinungen verschiedener pwo_009.014
Zeiten sind als klassische Beispiele beliebig durch einander geschoben pwo_009.015
– mit einem Wort, auch in dieser verheißungsvollen Programmschrift pwo_009.016
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in den sich nach Bedürfniß hineingreifen läßt, statt als fließender pwo_009.018
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Entwicklungsgeschichtliche Poetik. pwo_009.021
Noch ist die Anschauung weit verbreitet, daß durch „klassische pwo_009.022
Beispiele“ aus der Neuzeit oder aus früheren Blüteperioden der Litteratur pwo_009.023
allgemeingültige Gesetze der Poetik gewonnen werden könnten. pwo_009.024
Wo indes eine wissenschaftliche Allgemeingültigkeit erreicht werden soll, pwo_009.025
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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/23>, abgerufen am 27.07.2024.
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