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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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gelangt und infolge dessen zur Pflege der Künste reif geworden; pwo_108.002
ein demokratisch-antiheroischer Zug drängt nun die versifizierte Ritterdichtung pwo_108.003
in den Hintergrund, um der Erzählung neue Stoffe aus den pwo_108.004
neuen Jnteressenkreisen zuzuführen.

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Jn prinzipienloser Darstellung hat man sich zwar gewöhnt, auch pwo_108.006
von dem Uralter der Prosaerzählung zu sprechen und wenigstens für pwo_108.007
die kleinen Arten derselben, für Märchen und Fabel, auf Jndien als pwo_108.008
Ursprung zu verweisen. Gewiß sind die Quellen für zahllose, im pwo_108.009
Griechischen wie in den modernen Sprachen bearbeitete Geschichten pwo_108.010
dieser Art auf indischem, jedenfalls auf orientalischem Boden zu suchen: pwo_108.011
in welchem Entwicklungsstadium der indischen Litteratur sie jedoch anheben, pwo_108.012
ist damit auf keine Weise festgestellt und läßt sich auch von pwo_108.013
der Geschichte des indischen Geisteslebens, die noch immer genötigt pwo_108.014
ist, mit Perioden von einem Jahrtausend zu schalten, vorerst schwer pwo_108.015
fixieren. Unterliegt danach der Zeitpunkt für Entstehung dieser kleinen pwo_108.016
Prosaerzählungen schwankender Schätzung, so werden wir doch pwo_108.017
der mündlich fortgepflanzten kurzen Geschichte naiven Charakters eine pwo_108.018
Existenz vor der litterarisch aufgezeichneten, umfassenderen Erzählung pwo_108.019
zugestehen müssen. Die prosaische Buchdichtung läßt sich dagegen in pwo_108.020
ihrem jüngeren Ursprung bei zahlreichen Völkern gleichmäßig erkennen.

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Die griechische Dichtung scheint bereits in ihrem mittleren Alter pwo_108.022
eine Fülle knapper Geschichten hervorgebracht zu haben, von denen pwo_108.023
man Spuren namentlich bei Herodot wiedererkennen will. Die ausgeführte pwo_108.024
Prosadichtung, auf die man neuerdings den modernen Namen pwo_108.025
Roman übertragen hat, erwuchs, während der Verfall in vollem Zuge pwo_108.026
war. Jhre Ausbildung scheint nicht allzu weit hinter Christi Geburt pwo_108.027
zurückzureichen, und nur aus den ersten Jahrhunderten nach dieser pwo_108.028
Wende der Weltgeschichte sind uns Reste solcher Art erhalten. Wie pwo_108.029
die Entwicklung des Versepos auf bunte Färbung und künstliche Lebhaftigkeit pwo_108.030
hingedrängt, so bricht in der Prosaerzählung der abenteuerliche pwo_108.031
Zug zum Fremden, Fernliegenden vollends durch. Entsprechend pwo_108.032
der inzwischen zur Herrschaft gelangten Sentimentalität bilden pwo_108.033
Liebesgeschichten den wesentlichsten Kern der Erzählung. pwo_108.034
Aus derselben Gemütsverfassung erklärt sich die Hirtengeschichte, pwo_108.035
in der weniger Naturdarstellung als Natursehnsucht hervortritt, auch pwo_108.036
sonst die Gefühlsreflexion überwuchert. Durch seine historische Stellung

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gelangt und infolge dessen zur Pflege der Künste reif geworden; pwo_108.002
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von dem Uralter der Prosaerzählung zu sprechen und wenigstens für pwo_108.007
die kleinen Arten derselben, für Märchen und Fabel, auf Jndien als pwo_108.008
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eine Fülle knapper Geschichten hervorgebracht zu haben, von denen pwo_108.023
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Liebesgeschichten den wesentlichsten Kern der Erzählung. pwo_108.034
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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/122>, abgerufen am 23.11.2024.