Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_100.001 Zu psychologischer Vertiefung, zur poetischen Bemeisterung der pwo_100.015
Ebenso: pwo_100.037"Ir muoten harte sere pwo_100.038
sein triuwe und sein ere: pwo_100.001 Zu psychologischer Vertiefung, zur poetischen Bemeisterung der pwo_100.015
Ebenso: pwo_100.037„Ir muoten harte sêre pwo_100.038
sîn triuwe und sîn êre: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0114" n="100"/><lb n="pwo_100.001"/> Verknüpfung der Sätze, die Ueberleitung der Gedanken immer <hi rendition="#g">kunstvoller.</hi> <lb n="pwo_100.002"/> Jm übrigen aber verliert die Darstellung an künstlerischer <lb n="pwo_100.003"/> Schärfe: anstelle des Besondern tritt das <hi rendition="#g">Allgemeine,</hi> das Einzelne <lb n="pwo_100.004"/> wird durch den <hi rendition="#g">Typus</hi> bezeichnet. Das <hi rendition="#g">innere</hi> Leben tritt <lb n="pwo_100.005"/> unter Zurückdrängung thatsächlicher Erzählung nun in den Vordergrund. <lb n="pwo_100.006"/> Die menschlichen Affekte werden personifiziert – die Darstellung <lb n="pwo_100.007"/> mündet immer tiefer in <hi rendition="#g">Allegorie</hi> ein. Auch die Wirkung <lb n="pwo_100.008"/> der Gestalten und Geschehnisse auf andere ist schon ins Auge gefaßt <lb n="pwo_100.009"/> (wer hätte sie gesehen, der nicht geweint hätte? u. dgl.) – womit <lb n="pwo_100.010"/> über das lyrische Niveau schon auf ein Moment dramatischer Psychologie <lb n="pwo_100.011"/> leise vorgedeutet wird, wie der Dichter denn auch gemischte Gefühle <lb n="pwo_100.012"/> zu analysieren weiß. Die Charakterzeichnung freilich arbeitet <lb n="pwo_100.013"/> fast ausschließlich mit leuchtendem Weiß und tiefem Schwarz.</p> <lb n="pwo_100.014"/> <p> Zu psychologischer Vertiefung, zur poetischen Bemeisterung der <lb n="pwo_100.015"/> Leidenschaft dringt erst Gottfried von Straßburg vor. Die subjektiven <lb n="pwo_100.016"/> Elemente, die <hi rendition="#g">Gefühle</hi> der Personen wie des Dichters, gelangen <lb n="pwo_100.017"/> nun zu einer <hi rendition="#g">souveränen Herrschaft.</hi> Dem entsprechend <lb n="pwo_100.018"/> sehen wir den gesamten Stil einer vollendeten Umwälzung unterzogen. <lb n="pwo_100.019"/> Reich an psychologischen Erläuterungen und an rhetorischen <lb n="pwo_100.020"/> Reflexionen, geht die Darstellung nun entschlossen in erster Linie auf <lb n="pwo_100.021"/> Durchdringung des Geistigen. So erklärt sich auch die zunehmende <lb n="pwo_100.022"/> Vorliebe für <hi rendition="#g">Allegorien:</hi> statt von dem Schwerte und tapfern <lb n="pwo_100.023"/> Kampfgenossen ist ein Held nun von personifizierten geistigen Eigenschaften <lb n="pwo_100.024"/> im Kampfe unterstützt; nun greifen Wendungen platz, wie sie <lb n="pwo_100.025"/> uns schon in ihrer prinzipiellen Bedeutung bekannt geworden:</p> <lb n="pwo_100.026"/> <p> <hi rendition="#aq"> <lg> <l>„Ir kleider wâren ûf geleit</l> <lb n="pwo_100.027"/> <l>mit vier hande rîcheit,</l> <lb n="pwo_100.028"/> <l>und was der vierre iegelîch</l> <lb n="pwo_100.029"/> <l>in ir ambete rîch.</l> <lb n="pwo_100.030"/> <l>daz eine daz was hôher muot,</l> <lb n="pwo_100.031"/> <l>daz ander daz was vollez guot;</l> <lb n="pwo_100.032"/> <l>daz dritte was bescheidenheit,</l> <lb n="pwo_100.033"/> <l>diu disiu zwei ze samene sneit;</l> <lb n="pwo_100.034"/> <l>daz vierde daz was hövescher sin:</l> <lb n="pwo_100.035"/> <l>der næte disen allen drin.“</l> </lg> </hi> </p> <lb n="pwo_100.036"/> <p>Ebenso:</p> <lb n="pwo_100.037"/> <lg> <l>„<hi rendition="#aq">Ir muoten harte sêre</hi></l> <lb n="pwo_100.038"/> <l> <hi rendition="#aq">sîn triuwe und sîn êre:</hi> </l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0114]
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Verknüpfung der Sätze, die Ueberleitung der Gedanken immer kunstvoller. pwo_100.002
Jm übrigen aber verliert die Darstellung an künstlerischer pwo_100.003
Schärfe: anstelle des Besondern tritt das Allgemeine, das Einzelne pwo_100.004
wird durch den Typus bezeichnet. Das innere Leben tritt pwo_100.005
unter Zurückdrängung thatsächlicher Erzählung nun in den Vordergrund. pwo_100.006
Die menschlichen Affekte werden personifiziert – die Darstellung pwo_100.007
mündet immer tiefer in Allegorie ein. Auch die Wirkung pwo_100.008
der Gestalten und Geschehnisse auf andere ist schon ins Auge gefaßt pwo_100.009
(wer hätte sie gesehen, der nicht geweint hätte? u. dgl.) – womit pwo_100.010
über das lyrische Niveau schon auf ein Moment dramatischer Psychologie pwo_100.011
leise vorgedeutet wird, wie der Dichter denn auch gemischte Gefühle pwo_100.012
zu analysieren weiß. Die Charakterzeichnung freilich arbeitet pwo_100.013
fast ausschließlich mit leuchtendem Weiß und tiefem Schwarz.
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Zu psychologischer Vertiefung, zur poetischen Bemeisterung der pwo_100.015
Leidenschaft dringt erst Gottfried von Straßburg vor. Die subjektiven pwo_100.016
Elemente, die Gefühle der Personen wie des Dichters, gelangen pwo_100.017
nun zu einer souveränen Herrschaft. Dem entsprechend pwo_100.018
sehen wir den gesamten Stil einer vollendeten Umwälzung unterzogen. pwo_100.019
Reich an psychologischen Erläuterungen und an rhetorischen pwo_100.020
Reflexionen, geht die Darstellung nun entschlossen in erster Linie auf pwo_100.021
Durchdringung des Geistigen. So erklärt sich auch die zunehmende pwo_100.022
Vorliebe für Allegorien: statt von dem Schwerte und tapfern pwo_100.023
Kampfgenossen ist ein Held nun von personifizierten geistigen Eigenschaften pwo_100.024
im Kampfe unterstützt; nun greifen Wendungen platz, wie sie pwo_100.025
uns schon in ihrer prinzipiellen Bedeutung bekannt geworden:
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„Ir kleider wâren ûf geleit pwo_100.027
mit vier hande rîcheit, pwo_100.028
und was der vierre iegelîch pwo_100.029
in ir ambete rîch. pwo_100.030
daz eine daz was hôher muot, pwo_100.031
daz ander daz was vollez guot; pwo_100.032
daz dritte was bescheidenheit, pwo_100.033
diu disiu zwei ze samene sneit; pwo_100.034
daz vierde daz was hövescher sin: pwo_100.035
der næte disen allen drin.“
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Ebenso:
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„Ir muoten harte sêre pwo_100.038
sîn triuwe und sîn êre:
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