Denn in der Kunst sehen wir gemeiniglich die Materie, daraus ihre Wercke verferti- get werden, nicht anders an, als wenn in ihren Theilen kein innerlicher Unterscheid wäre und sie bloß der Stelle nach von ein- ander sich unterscheiden liessen. Derowe- gen wenn wir von allen Veränderungen, durch welche die Wercke der Kunst hervor- gebracht, oder auch erhalten und geändert werden, urtheilen sollen; müssen wir auf diese Gründe acht haben: wie ein jeder leicht Exempel auf alle Fälle vor sich fin- den wird, wenn er die Wercke der Kunst durchgehet, auch nur diejenigen, die uns täglich vor Augen schweben. Allein auch in der Natur ereignen sich solche Fälle, da wir den ferneren Unterscheid in der Materie entweder nicht ansehen dörffen, oder auch nicht ansehen können, weil das übrige in einander fället, daß wir keinen fer- neren Unterscheid bemercken können. Und alsdenn haben wir gleichfalls auf die bis- her erkläreten Gründe zu sehen.
Verände- rungen, wenn die eigen- thümliche Materie in sich ei- nen Un- terscheid hat.
§. 27.
Wenn wir die Materie der Cör- per nicht mehr überhaupt betrachten und auf etwas mehreres sehen, als daß sie einen Raum erfüllet; so müssen wir in den Thei- len verschiedene Arten der Materie mit ein- ander vermischet annehmen, und alsdenn ereignen sich noch andere Veränderungen als vorhin (§. 26) erkläret worden. Nemlich alsdenn können die Materien von verschie-
dener
Cap. I. Von dem Weſen
Denn in der Kunſt ſehen wir gemeiniglich die Materie, daraus ihre Wercke verferti- get werden, nicht anders an, als wenn in ihren Theilen kein innerlicher Unterſcheid waͤre und ſie bloß der Stelle nach von ein- ander ſich unterſcheiden lieſſen. Derowe- gen wenn wir von allen Veraͤnderungen, durch welche die Wercke der Kunſt hervor- gebracht, oder auch erhalten und geaͤndert werden, urtheilen ſollen; muͤſſen wir auf dieſe Gruͤnde acht haben: wie ein jeder leicht Exempel auf alle Faͤlle vor ſich fin- den wird, wenn er die Wercke der Kunſt durchgehet, auch nur diejenigen, die uns taͤglich vor Augen ſchweben. Allein auch in der Natur ereignen ſich ſolche Faͤlle, da wir den ferneren Unterſcheid in der Materie entweder nicht anſehen doͤrffen, oder auch nicht anſehen koͤnnen, weil das uͤbrige in einander faͤllet, daß wir keinen fer- neren Unterſcheid bemercken koͤnnen. Und alsdenn haben wir gleichfalls auf die bis- her erklaͤreten Gruͤnde zu ſehen.
Veꝛaͤnde- rungen, wenn die eigen- thuͤmliche Materie in ſich ei- nen Un- terſcheid hat.
§. 27.
Wenn wir die Materie der Coͤr- per nicht mehr uͤberhaupt betrachten und auf etwas mehreres ſehen, als daß ſie einen Raum erfuͤllet; ſo muͤſſen wir in den Thei- len verſchiedene Arten der Materie mit ein- ander vermiſchet annehmen, und alsdenn ereignen ſich noch andere Veraͤnderungen als vorhin (§. 26) erklaͤret worden. Nemlich alsdenn koͤnnen die Materien von verſchie-
dener
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Cap. I. Von dem Weſen
Denn in der Kunſt ſehen wir gemeiniglich
die Materie, daraus ihre Wercke verferti-
get werden, nicht anders an, als wenn in
ihren Theilen kein innerlicher Unterſcheid
waͤre und ſie bloß der Stelle nach von ein-
ander ſich unterſcheiden lieſſen. Derowe-
gen wenn wir von allen Veraͤnderungen,
durch welche die Wercke der Kunſt hervor-
gebracht, oder auch erhalten und geaͤndert
werden, urtheilen ſollen; muͤſſen wir auf
dieſe Gruͤnde acht haben: wie ein jeder
leicht Exempel auf alle Faͤlle vor ſich fin-
den wird, wenn er die Wercke der Kunſt
durchgehet, auch nur diejenigen, die uns
taͤglich vor Augen ſchweben. Allein auch
in der Natur ereignen ſich ſolche Faͤlle, da
wir den ferneren Unterſcheid in der Materie
entweder nicht anſehen doͤrffen, oder
auch nicht anſehen koͤnnen, weil das
uͤbrige in einander faͤllet, daß wir keinen fer-
neren Unterſcheid bemercken koͤnnen. Und
alsdenn haben wir gleichfalls auf die bis-
her erklaͤreten Gruͤnde zu ſehen.
§. 27. Wenn wir die Materie der Coͤr-
per nicht mehr uͤberhaupt betrachten und
auf etwas mehreres ſehen, als daß ſie einen
Raum erfuͤllet; ſo muͤſſen wir in den Thei-
len verſchiedene Arten der Materie mit ein-
ander vermiſchet annehmen, und alsdenn
ereignen ſich noch andere Veraͤnderungen
als vorhin (§. 26) erklaͤret worden. Nemlich
alsdenn koͤnnen die Materien von verſchie-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/86>, abgerufen am 22.11.2024.
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