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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

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Cap. XIV. Von den Sinnen.
21. T. III. Exper.). Wenn der Schall
an vielen Orten zu gleich reflectiret wird,
deren einer immer näher dem Ohre ist als
der andere; so kommet auch von dem re-
flectir
ten nicht einerley zugleich ins Ohre,
sondern wenn man z. E. redet, kommen die
letzten Sylben eines Wortes mit den vorher-
gehenden Sylben eines andern zugleich bis
zu dem Ohre zurücke. Und denn ist es eben
so viel, als wenn viele zugleich unter einan-
der schreyen und einer immer was anders
saget als der andere: wodurch ein undeut-
licher Thon entstehet, darinnen man nichts
unterscheiden kan. Und so ist es mit dem
Wieder-Schalle in den Creutz-Gängen der
Klöster, in gewölbeten Kirchen, grossen
Säälen etc. beschaffen, wenn nichts zuge-
gen ist, was von allen Seiten, in der Nä-
he und in der Ferne, die Reflexion hindert.
Hingegen wenn der Schall in einem Orte
allein reflectiret wird, so bleibet er deut-
lich, wie er an sich ist: denn es ist nichts
mehr vorhanden, welches die Deutlichkeit
hindern könnte. Jst nun derselbe Ort weit
gnung weg: so kommet der Schall, der
reflectiret wird, wieder zurücke, indem der
andere aufhöret, und man kan ihn deut-
lich vernehmen. Und dieser Wiederschall
ist eigentlich derjenige, den man Echo
nennet. Es wird demnach dazu erfor-
dert, daß ein Cörper vorhanden, der den

Schall

Cap. XIV. Von den Sinnen.
21. T. III. Exper.). Wenn der Schall
an vielen Orten zu gleich reflectiret wird,
deren einer immer naͤher dem Ohre iſt als
der andere; ſo kommet auch von dem re-
flectir
ten nicht einerley zugleich ins Ohre,
ſondern wenn man z. E. redet, kommen die
letzten Sylben eines Wortes mit den vorher-
gehenden Sylben eines andern zugleich bis
zu dem Ohre zuruͤcke. Und denn iſt es eben
ſo viel, als wenn viele zugleich unter einan-
der ſchreyen und einer immer was anders
ſaget als der andere: wodurch ein undeut-
licher Thon entſtehet, darinnen man nichts
unterſcheiden kan. Und ſo iſt es mit dem
Wieder-Schalle in den Creutz-Gaͤngen der
Kloͤſter, in gewoͤlbeten Kirchen, groſſen
Saͤaͤlen ꝛc. beſchaffen, wenn nichts zuge-
gen iſt, was von allen Seiten, in der Naͤ-
he und in der Ferne, die Reflexion hindert.
Hingegen wenn der Schall in einem Orte
allein reflectiret wird, ſo bleibet er deut-
lich, wie er an ſich iſt: denn es iſt nichts
mehr vorhanden, welches die Deutlichkeit
hindern koͤnnte. Jſt nun derſelbe Ort weit
gnung weg: ſo kommet der Schall, der
reflectiret wird, wieder zuruͤcke, indem der
andere aufhoͤret, und man kan ihn deut-
lich vernehmen. Und dieſer Wiederſchall
iſt eigentlich derjenige, den man Echo
nennet. Es wird demnach dazu erfor-
dert, daß ein Coͤrper vorhanden, der den

Schall
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[692/0728] Cap. XIV. Von den Sinnen. 21. T. III. Exper.). Wenn der Schall an vielen Orten zu gleich reflectiret wird, deren einer immer naͤher dem Ohre iſt als der andere; ſo kommet auch von dem re- flectirten nicht einerley zugleich ins Ohre, ſondern wenn man z. E. redet, kommen die letzten Sylben eines Wortes mit den vorher- gehenden Sylben eines andern zugleich bis zu dem Ohre zuruͤcke. Und denn iſt es eben ſo viel, als wenn viele zugleich unter einan- der ſchreyen und einer immer was anders ſaget als der andere: wodurch ein undeut- licher Thon entſtehet, darinnen man nichts unterſcheiden kan. Und ſo iſt es mit dem Wieder-Schalle in den Creutz-Gaͤngen der Kloͤſter, in gewoͤlbeten Kirchen, groſſen Saͤaͤlen ꝛc. beſchaffen, wenn nichts zuge- gen iſt, was von allen Seiten, in der Naͤ- he und in der Ferne, die Reflexion hindert. Hingegen wenn der Schall in einem Orte allein reflectiret wird, ſo bleibet er deut- lich, wie er an ſich iſt: denn es iſt nichts mehr vorhanden, welches die Deutlichkeit hindern koͤnnte. Jſt nun derſelbe Ort weit gnung weg: ſo kommet der Schall, der reflectiret wird, wieder zuruͤcke, indem der andere aufhoͤret, und man kan ihn deut- lich vernehmen. Und dieſer Wiederſchall iſt eigentlich derjenige, den man Echo nennet. Es wird demnach dazu erfor- dert, daß ein Coͤrper vorhanden, der den Schall

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/728>, abgerufen am 17.06.2024.