Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Cap. XIII. Von der Ernährung blüte gehet (§. 413), sondern auch selbst zuBlute wird; so muß der Leib seine Nah- rung von dem Blut erhalten. Wenn man das Blut stehen lässet, so setzet sich oben Wasser, welches man zum Unterscheide des Fließ-Wassers das Saltz-Wasser (serum) oder auch schlechterdinges das Wasser des Blutes zu nennen pfleget. Wenn man es in einem Löffel über ein Licht oder glüende Kohlen hält, so gerinnet es wie eine Gallert; ja wenn man es austrocknen läst, so wird es dicke wie ein zeher Leim und endlich auch so harte wie er. Die härtesten Theile unseres Leibes, die Knochen, werden durch das von Papino ersonnene Jnstrument bloß von Wasser und Wärme in eine Gallert aufge- löset, und der Leim den die Künstler gebrau- chen, wird aus der Haut der Thiere zuberei- tet. Derowegen brauchen die harten und festen Theile des Leibes keine andere Materie zu ihrer Nahrung als das Wasser des Blu- tes ist. Alle Fasern des Fleisches sind nichts anders als über die maassen sehr subtile Röhrlein, die zusammen durch eine Haut in ein Bündlein gebunden. Diese Röhrlein sind voll Safft, der nichts anders als Geblütte und davon abgesondertes Wasser seyn kan. Und demnach ist das Geblütte geschickt den gantzen Leib zu nähren. Leib §. 421. Wenn die Röhren in den flei- sie
Cap. XIII. Von der Ernaͤhrung bluͤte gehet (§. 413), ſondern auch ſelbſt zuBlute wird; ſo muß der Leib ſeine Nah- rung von dem Blut erhalten. Wenn man das Blut ſtehen laͤſſet, ſo ſetzet ſich oben Waſſer, welches man zum Unterſcheide des Fließ-Waſſers das Saltz-Waſſer (ſerum) oder auch ſchlechterdinges das Waſſer des Blutes zu nennen pfleget. Wenn man es in einem Loͤffel uͤber ein Licht oder gluͤende Kohlen haͤlt, ſo gerinnet es wie eine Gallert; ja wenn man es austrocknen laͤſt, ſo wird es dicke wie ein zeher Leim und endlich auch ſo harte wie er. Die haͤrteſten Theile unſeres Leibes, die Knochen, werden durch das von Papino erſonnene Jnſtrument bloß von Waſſer und Waͤrme in eine Gallert aufge- loͤſet, und der Leim den die Kuͤnſtler gebrau- chen, wird aus der Haut der Thiere zuberei- tet. Derowegen brauchen die harten und feſten Theile des Leibes keine andere Materie zu ihrer Nahrung als das Waſſer des Blu- tes iſt. Alle Faſern des Fleiſches ſind nichts anders als uͤber die maaſſen ſehr ſubtile Roͤhrlein, die zuſammen durch eine Haut in ein Buͤndlein gebunden. Dieſe Roͤhrlein ſind voll Safft, der nichts anders als Gebluͤtte und davon abgeſondertes Waſſer ſeyn kan. Und demnach iſt das Gebluͤtte geſchickt den gantzen Leib zu naͤhren. Leib §. 421. Wenn die Roͤhren in den flei- ſie
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0714" n="678"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Cap. XIII.</hi> Von der Ernaͤhrung</hi></fw><lb/> bluͤte gehet (§. 413), ſondern auch ſelbſt zu<lb/> Blute wird; ſo muß der Leib ſeine Nah-<lb/> rung von dem Blut erhalten. Wenn man<lb/> das Blut ſtehen laͤſſet, ſo ſetzet ſich oben<lb/> Waſſer, welches man zum Unterſcheide des<lb/> Fließ-Waſſers das <hi rendition="#fr">Saltz-Waſſer</hi> (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">ſerum</hi></hi>)<lb/> oder auch ſchlechterdinges das <hi rendition="#fr">Waſſer des<lb/> Blutes</hi> zu nennen pfleget. Wenn man es<lb/> in einem Loͤffel uͤber ein Licht oder gluͤende<lb/> Kohlen haͤlt, ſo gerinnet es wie eine Gallert;<lb/> ja wenn man es austrocknen laͤſt, ſo wird es<lb/> dicke wie ein zeher Leim und endlich auch ſo<lb/> harte wie er. Die haͤrteſten Theile unſeres<lb/> Leibes, die Knochen, werden durch das von<lb/><hi rendition="#aq">P<hi rendition="#i">apino</hi></hi> erſonnene Jnſtrument bloß von<lb/> Waſſer und Waͤrme in eine Gallert aufge-<lb/> loͤſet, und der Leim den die Kuͤnſtler gebrau-<lb/> chen, wird aus der Haut der Thiere zuberei-<lb/> tet. Derowegen brauchen die harten und<lb/> feſten Theile des Leibes keine andere Materie<lb/> zu ihrer Nahrung als das Waſſer des Blu-<lb/> tes iſt. Alle Faſern des Fleiſches ſind nichts<lb/> anders als uͤber die maaſſen ſehr ſubtile<lb/> Roͤhrlein, die zuſammen durch eine Haut in<lb/> ein Buͤndlein gebunden. Dieſe Roͤhrlein ſind<lb/> voll Safft, der nichts anders als Gebluͤtte<lb/> und davon abgeſondertes Waſſer ſeyn kan.<lb/> Und demnach iſt das Gebluͤtte geſchickt den<lb/> gantzen Leib zu naͤhren.</p><lb/> <note place="left">Wie der<lb/> Leib</note> </div><lb/> <div n="4"> <head>§. 421.</head> <p>Wenn die Roͤhren in den flei-<lb/> ſchernen Faſern voll Safft werden, ſo werden<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſie</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [678/0714]
Cap. XIII. Von der Ernaͤhrung
bluͤte gehet (§. 413), ſondern auch ſelbſt zu
Blute wird; ſo muß der Leib ſeine Nah-
rung von dem Blut erhalten. Wenn man
das Blut ſtehen laͤſſet, ſo ſetzet ſich oben
Waſſer, welches man zum Unterſcheide des
Fließ-Waſſers das Saltz-Waſſer (ſerum)
oder auch ſchlechterdinges das Waſſer des
Blutes zu nennen pfleget. Wenn man es
in einem Loͤffel uͤber ein Licht oder gluͤende
Kohlen haͤlt, ſo gerinnet es wie eine Gallert;
ja wenn man es austrocknen laͤſt, ſo wird es
dicke wie ein zeher Leim und endlich auch ſo
harte wie er. Die haͤrteſten Theile unſeres
Leibes, die Knochen, werden durch das von
Papino erſonnene Jnſtrument bloß von
Waſſer und Waͤrme in eine Gallert aufge-
loͤſet, und der Leim den die Kuͤnſtler gebrau-
chen, wird aus der Haut der Thiere zuberei-
tet. Derowegen brauchen die harten und
feſten Theile des Leibes keine andere Materie
zu ihrer Nahrung als das Waſſer des Blu-
tes iſt. Alle Faſern des Fleiſches ſind nichts
anders als uͤber die maaſſen ſehr ſubtile
Roͤhrlein, die zuſammen durch eine Haut in
ein Buͤndlein gebunden. Dieſe Roͤhrlein ſind
voll Safft, der nichts anders als Gebluͤtte
und davon abgeſondertes Waſſer ſeyn kan.
Und demnach iſt das Gebluͤtte geſchickt den
gantzen Leib zu naͤhren.
§. 421. Wenn die Roͤhren in den flei-
ſchernen Faſern voll Safft werden, ſo werden
ſie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |