Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.die in der Erde befindlich. graben (§. 169 Artill.), das Pulver aber be-stehet hauptsächlich aus Schwefel und Salpeter (§ 29. Artill.) und demnach hat man geschlossen, daß auch unter der Erde Schwefel und Salpeter entzündet würde, wenn ein Erdbeben entstünde. Es ist in diesen Schlüssen wohl Wahrheit; allein man siehet nicht eine recht deutliche Folge: in- dem der Zweiffel noch übrig bleibet, ob die- ses der eintzige Weg sey, dadurch die Erde kan erschüttert werden, und, wenn es nicht der eintzige ist, ob ihn die Natur hierzu er- wehlet. Derowegen achte ich nöthig zu seyn, daß wir die Sache genauer überlegen. Wenn die Erde soll erschüttert werden, so muß sie in die Höhe gehoben werden und wieder zurücke fallen. Denn sie ist bey na- he kugelrund (§. 182): in einer Kugel aber kan ein Theil ohne die übrigen nicht anders als durch diese Art der Bewegung erschüt- tert werden. Wenn nun ein Theil der Erde soll in die Höhe gehoben werden, so wird in- nerhalb derselben eine Krafft erfordert, die von dem Mittel-Puncte der Erde wegdru- cket. Alle cörperliche Krafft bestehet in der Bewegung einer Materie, und ihre Grösse rühret theils von der Menge der Materie her, die nach einer Gegend zugleich beweget wird, theils und bey grossen Kräfften grö- sten Theils von der Geschwindigkeit der Be- wegung. Derowegen muß bey den Erd- beben P p 2
die in der Erde befindlich. graben (§. 169 Artill.), das Pulver aber be-ſtehet hauptſaͤchlich aus Schwefel und Salpeter (§ 29. Artill.) und demnach hat man geſchloſſen, daß auch unter der Erde Schwefel und Salpeter entzuͤndet wuͤrde, wenn ein Erdbeben entſtuͤnde. Es iſt in dieſen Schluͤſſen wohl Wahrheit; allein man ſiehet nicht eine recht deutliche Folge: in- dem der Zweiffel noch uͤbrig bleibet, ob die- ſes der eintzige Weg ſey, dadurch die Erde kan erſchuͤttert werden, und, wenn es nicht der eintzige iſt, ob ihn die Natur hierzu er- wehlet. Derowegen achte ich noͤthig zu ſeyn, daß wir die Sache genauer uͤberlegen. Wenn die Erde ſoll erſchuͤttert werden, ſo muß ſie in die Hoͤhe gehoben werden und wieder zuruͤcke fallen. Denn ſie iſt bey na- he kugelrund (§. 182): in einer Kugel aber kan ein Theil ohne die uͤbrigen nicht anders als durch dieſe Art der Bewegung erſchuͤt- tert werden. Wenn nun ein Theil der Erde ſoll in die Hoͤhe gehoben werden, ſo wird in- nerhalb derſelben eine Krafft erfordert, die von dem Mittel-Puncte der Erde wegdru- cket. Alle coͤrperliche Krafft beſtehet in der Bewegung einer Materie, und ihre Groͤſſe ruͤhret theils von der Menge der Materie her, die nach einer Gegend zugleich beweget wird, theils und bey groſſen Kraͤfften groͤ- ſten Theils von der Geſchwindigkeit der Be- wegung. Derowegen muß bey den Erd- beben P p 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0631" n="595"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">die in der Erde befindlich.</hi></fw><lb/> graben (§. 169 <hi rendition="#aq">Artill.</hi>), das Pulver aber be-<lb/> ſtehet hauptſaͤchlich aus Schwefel und<lb/> Salpeter (§ 29. <hi rendition="#aq">Artill.</hi>) und demnach hat<lb/> man geſchloſſen, daß auch unter der Erde<lb/> Schwefel und Salpeter entzuͤndet wuͤrde,<lb/> wenn ein Erdbeben entſtuͤnde. Es iſt in<lb/> dieſen Schluͤſſen wohl Wahrheit; allein man<lb/> ſiehet nicht eine recht deutliche Folge: in-<lb/> dem der Zweiffel noch uͤbrig bleibet, ob die-<lb/> ſes der eintzige Weg ſey, dadurch die Erde<lb/> kan erſchuͤttert werden, und, wenn es nicht<lb/> der eintzige iſt, ob ihn die Natur hierzu er-<lb/> wehlet. Derowegen achte ich noͤthig zu<lb/> ſeyn, daß wir die Sache genauer uͤberlegen.<lb/> Wenn die Erde ſoll erſchuͤttert werden, ſo<lb/> muß ſie in die Hoͤhe gehoben werden und<lb/> wieder zuruͤcke fallen. Denn ſie iſt bey na-<lb/> he kugelrund (§. 182): in einer Kugel aber<lb/> kan ein Theil ohne die uͤbrigen nicht anders<lb/> als durch dieſe Art der Bewegung erſchuͤt-<lb/> tert werden. Wenn nun ein Theil der Erde<lb/> ſoll in die Hoͤhe gehoben werden, ſo wird in-<lb/> nerhalb derſelben eine Krafft erfordert, die<lb/> von dem Mittel-Puncte der Erde wegdru-<lb/> cket. Alle coͤrperliche Krafft beſtehet in der<lb/> Bewegung einer Materie, und ihre Groͤſſe<lb/> ruͤhret theils von der Menge der Materie<lb/> her, die nach einer Gegend zugleich beweget<lb/> wird, theils und bey groſſen Kraͤfften groͤ-<lb/> ſten Theils von der Geſchwindigkeit der Be-<lb/> wegung. Derowegen muß bey den Erd-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">P p 2</fw><fw place="bottom" type="catch">beben</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [595/0631]
die in der Erde befindlich.
graben (§. 169 Artill.), das Pulver aber be-
ſtehet hauptſaͤchlich aus Schwefel und
Salpeter (§ 29. Artill.) und demnach hat
man geſchloſſen, daß auch unter der Erde
Schwefel und Salpeter entzuͤndet wuͤrde,
wenn ein Erdbeben entſtuͤnde. Es iſt in
dieſen Schluͤſſen wohl Wahrheit; allein man
ſiehet nicht eine recht deutliche Folge: in-
dem der Zweiffel noch uͤbrig bleibet, ob die-
ſes der eintzige Weg ſey, dadurch die Erde
kan erſchuͤttert werden, und, wenn es nicht
der eintzige iſt, ob ihn die Natur hierzu er-
wehlet. Derowegen achte ich noͤthig zu
ſeyn, daß wir die Sache genauer uͤberlegen.
Wenn die Erde ſoll erſchuͤttert werden, ſo
muß ſie in die Hoͤhe gehoben werden und
wieder zuruͤcke fallen. Denn ſie iſt bey na-
he kugelrund (§. 182): in einer Kugel aber
kan ein Theil ohne die uͤbrigen nicht anders
als durch dieſe Art der Bewegung erſchuͤt-
tert werden. Wenn nun ein Theil der Erde
ſoll in die Hoͤhe gehoben werden, ſo wird in-
nerhalb derſelben eine Krafft erfordert, die
von dem Mittel-Puncte der Erde wegdru-
cket. Alle coͤrperliche Krafft beſtehet in der
Bewegung einer Materie, und ihre Groͤſſe
ruͤhret theils von der Menge der Materie
her, die nach einer Gegend zugleich beweget
wird, theils und bey groſſen Kraͤfften groͤ-
ſten Theils von der Geſchwindigkeit der Be-
wegung. Derowegen muß bey den Erd-
beben
P p 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |