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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

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Cap. I. Von dem Wesen
re Grösse kommet, zulassen wollen, die Cör-
per keines weges betrachten, wie sie in der
Natur angetroffen werden; sondern bloß
einen Cörper, der nicht würcklich werden
kan, in der Einbildung erdichten, massen sie
etwas weglassen, was noch nöthig ist,
wenn eine Würcklichkeit erfolgen soll.
Wenn man den Unterschied begriffen hätte,
der sich zwischen eintzelen Dingen und all-
gemeinen Dingen, die bloß in Gedancken be-
stehen, befindet, und den ich zuerst deutlich
gezeiget (§. 26. 27. c. 1. Log.); so würde
man nimmermehr den geometrischen Cör-
per mit dem natürlichen vermenget ha-
ben.

Und zwar
in ver-
schiede-
ner.
§. 9.

Man begreiffet aber nun leicht fer-
ner, daß nicht alle Materie, die in dem
Raume, den ein Cörper einnimmet, ent-
halten ist, sich auf einerley Art beweget.
Der Unterscheid, der in der Bewegung
angetroffen wird, ist theils in der Geschwin-
digkeit, theils in der Richtung zu suchen,
vermöge welcher er sich nach einer gewissen
Gegend beweget. Denn wenn man setzte,
alle Theile der Materie, die in einem Rau-
me bey einander sind, bewegeten sich mit
gleicher Geschwindigkeit nach einer Ge-
gend; so änderte bloß der Cörper, der aus
derselben Materie bestünde, seine Stelle und
käme aus einem Orte in den andern: kei-
nesweges aber entstünde dadurch ein Un-

ter-

Cap. I. Von dem Weſen
re Groͤſſe kommet, zulaſſen wollen, die Coͤr-
per keines weges betrachten, wie ſie in der
Natur angetroffen werden; ſondern bloß
einen Coͤrper, der nicht wuͤrcklich werden
kan, in der Einbildung erdichten, maſſen ſie
etwas weglaſſen, was noch noͤthig iſt,
wenn eine Wuͤrcklichkeit erfolgen ſoll.
Wenn man den Unterſchied begriffen haͤtte,
der ſich zwiſchen eintzelen Dingen und all-
gemeinen Dingen, die bloß in Gedancken be-
ſtehen, befindet, und den ich zuerſt deutlich
gezeiget (§. 26. 27. c. 1. Log.); ſo wuͤrde
man nimmermehr den geometriſchen Coͤr-
per mit dem natuͤrlichen vermenget ha-
ben.

Und zwaꝛ
in ver-
ſchiede-
ner.
§. 9.

Man begreiffet aber nun leicht fer-
ner, daß nicht alle Materie, die in dem
Raume, den ein Coͤrper einnimmet, ent-
halten iſt, ſich auf einerley Art beweget.
Der Unterſcheid, der in der Bewegung
angetroffen wird, iſt theils in der Geſchwin-
digkeit, theils in der Richtung zu ſuchen,
vermoͤge welcher er ſich nach einer gewiſſen
Gegend beweget. Denn wenn man ſetzte,
alle Theile der Materie, die in einem Rau-
me bey einander ſind, bewegeten ſich mit
gleicher Geſchwindigkeit nach einer Ge-
gend; ſo aͤnderte bloß der Coͤrper, der aus
derſelben Materie beſtuͤnde, ſeine Stelle und
kaͤme aus einem Orte in den andern: kei-
nesweges aber entſtuͤnde dadurch ein Un-

ter-
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[24/0060] Cap. I. Von dem Weſen re Groͤſſe kommet, zulaſſen wollen, die Coͤr- per keines weges betrachten, wie ſie in der Natur angetroffen werden; ſondern bloß einen Coͤrper, der nicht wuͤrcklich werden kan, in der Einbildung erdichten, maſſen ſie etwas weglaſſen, was noch noͤthig iſt, wenn eine Wuͤrcklichkeit erfolgen ſoll. Wenn man den Unterſchied begriffen haͤtte, der ſich zwiſchen eintzelen Dingen und all- gemeinen Dingen, die bloß in Gedancken be- ſtehen, befindet, und den ich zuerſt deutlich gezeiget (§. 26. 27. c. 1. Log.); ſo wuͤrde man nimmermehr den geometriſchen Coͤr- per mit dem natuͤrlichen vermenget ha- ben. §. 9. Man begreiffet aber nun leicht fer- ner, daß nicht alle Materie, die in dem Raume, den ein Coͤrper einnimmet, ent- halten iſt, ſich auf einerley Art beweget. Der Unterſcheid, der in der Bewegung angetroffen wird, iſt theils in der Geſchwin- digkeit, theils in der Richtung zu ſuchen, vermoͤge welcher er ſich nach einer gewiſſen Gegend beweget. Denn wenn man ſetzte, alle Theile der Materie, die in einem Rau- me bey einander ſind, bewegeten ſich mit gleicher Geſchwindigkeit nach einer Ge- gend; ſo aͤnderte bloß der Coͤrper, der aus derſelben Materie beſtuͤnde, ſeine Stelle und kaͤme aus einem Orte in den andern: kei- nesweges aber entſtuͤnde dadurch ein Un- ter-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/60>, abgerufen am 30.04.2024.