Wenn das Auge nicht in derDaß ein jeder ei- nen beson- deren Re- gen-Bo- gen sie- het. Linie OB verbleibet, so kan es auch nicht die rothe Farbe im Tropffen in G sehen, denn bloß der Strahl BO und kein anderer stel- let sie vor (§. 292). Der vorhin erwehnte Versuch zeiget ja, daß, wenn entweder die Kugel erhöhet, oder das Auge in etwas nach und nach erniedriget wird, in ihrer Ord- nung nach einander die niedrigeren Regen- Bogen-Farben gesehen werden; hingegen alle Farben verschwinden, wenn es entwe- der über die Linie BO erhaben, oder gar zu weit darunter gebracht wird. Derowe- gen wenn das Auge in einem andern Orte als in O dennoch Regen-Bogen-Farben siehet; so muß sie dieselben nicht mehr in dem Tropffen G, sondern in andern Tropf- fen sehen. Und da dieses von allen übrigen Tropffen gleichfalls gielt, die in dem Circul herum stehen und den Bogen formiren; so ist klar, daß nicht allein ein jeder einen be- sonderen Regen-Bogen siehet, sondern daß auch ein jeder einen andern zu sehen be- kommet, wenn er seine Stelle ändert. Man kan einen dieser Wahrheit auch durch die Erfahrung überführen. Wenn verschiedene zu gleicher Zeit einen Regen-Bogenim frey- en, wo man den Horizont übersehenkan, ob- serviren u. mercken genau, wo er aufstehet; so wird sichs zeigen, daß des einen sein Re- gen-Bogen nicht wie des andern seiner ge-
stan-
und andern Lufft-Erſcheinungen.
§. 293.
Wenn das Auge nicht in derDaß ein jeder ei- nẽ beſon- deren Re- gen-Bo- gen ſie- het. Linie OB verbleibet, ſo kan es auch nicht die rothe Farbe im Tropffen in G ſehen, denn bloß der Strahl BO und kein anderer ſtel- let ſie vor (§. 292). Der vorhin erwehnte Verſuch zeiget ja, daß, wenn entweder die Kugel erhoͤhet, oder das Auge in etwas nach und nach erniedriget wird, in ihrer Ord- nung nach einander die niedrigeren Regen- Bogen-Farben geſehen werden; hingegen alle Farben verſchwinden, wenn es entwe- der uͤber die Linie BO erhaben, oder gar zu weit darunter gebracht wird. Derowe- gen wenn das Auge in einem andern Orte als in O dennoch Regen-Bogen-Farben ſiehet; ſo muß ſie dieſelben nicht mehr in dem Tropffen G, ſondern in andern Tropf- fen ſehen. Und da dieſes von allen uͤbrigen Tropffen gleichfalls gielt, die in dem Circul herum ſtehen und den Bogen formiren; ſo iſt klar, daß nicht allein ein jeder einen be- ſonderen Regen-Bogen ſiehet, ſondern daß auch ein jeder einen andern zu ſehen be- kommet, wenn er ſeine Stelle aͤndert. Man kan einen dieſer Wahrheit auch durch die Erfahrung uͤberfuͤhren. Wenn verſchiedene zu gleicher Zeit einen Regen-Bogenim frey- en, wo man den Horizont uͤberſehenkan, ob- ſerviren u. mercken genau, wo er aufſtehet; ſo wird ſichs zeigen, daß des einen ſein Re- gen-Bogen nicht wie des andern ſeiner ge-
ſtan-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0431"n="395"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und andern Lufft-Erſcheinungen.</hi></fw><lb/><divn="4"><head>§. 293.</head><p>Wenn das Auge nicht in der<noteplace="right">Daß ein<lb/>
jeder ei-<lb/>
nẽ beſon-<lb/>
deren Re-<lb/>
gen-Bo-<lb/>
gen ſie-<lb/>
het.</note><lb/>
Linie <hirendition="#aq">OB</hi> verbleibet, ſo kan es auch nicht die<lb/>
rothe Farbe im Tropffen in <hirendition="#aq">G</hi>ſehen, denn<lb/>
bloß der Strahl <hirendition="#aq">BO</hi> und kein anderer ſtel-<lb/>
let ſie vor (§. 292). Der vorhin erwehnte<lb/>
Verſuch zeiget ja, daß, wenn entweder die<lb/>
Kugel erhoͤhet, oder das Auge in etwas nach<lb/>
und nach erniedriget wird, in ihrer Ord-<lb/>
nung nach einander die niedrigeren Regen-<lb/>
Bogen-Farben geſehen werden; hingegen<lb/>
alle Farben verſchwinden, wenn es entwe-<lb/>
der uͤber die Linie <hirendition="#aq">BO</hi> erhaben, oder gar zu<lb/>
weit darunter gebracht wird. Derowe-<lb/>
gen wenn das Auge in einem andern Orte<lb/>
als in <hirendition="#aq">O</hi> dennoch Regen-Bogen-Farben<lb/>ſiehet; ſo muß ſie dieſelben nicht mehr in<lb/>
dem Tropffen <hirendition="#aq">G,</hi>ſondern in andern Tropf-<lb/>
fen ſehen. Und da dieſes von allen uͤbrigen<lb/>
Tropffen gleichfalls gielt, die in dem Circul<lb/>
herum ſtehen und den Bogen formiren; ſo<lb/>
iſt klar, daß nicht allein ein jeder einen be-<lb/>ſonderen Regen-Bogen ſiehet, ſondern<lb/>
daß auch ein jeder einen andern zu ſehen be-<lb/>
kommet, wenn er ſeine Stelle aͤndert. Man<lb/>
kan einen dieſer Wahrheit auch durch die<lb/>
Erfahrung uͤberfuͤhren. Wenn verſchiedene<lb/>
zu gleicher Zeit einen Regen-Bogenim frey-<lb/>
en, wo man den Horizont uͤberſehenkan, ob-<lb/>ſerviren u. mercken genau, wo er aufſtehet;<lb/>ſo wird ſichs zeigen, daß des einen ſein Re-<lb/>
gen-Bogen nicht wie des andern ſeiner ge-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſtan-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[395/0431]
und andern Lufft-Erſcheinungen.
§. 293. Wenn das Auge nicht in der
Linie OB verbleibet, ſo kan es auch nicht die
rothe Farbe im Tropffen in G ſehen, denn
bloß der Strahl BO und kein anderer ſtel-
let ſie vor (§. 292). Der vorhin erwehnte
Verſuch zeiget ja, daß, wenn entweder die
Kugel erhoͤhet, oder das Auge in etwas nach
und nach erniedriget wird, in ihrer Ord-
nung nach einander die niedrigeren Regen-
Bogen-Farben geſehen werden; hingegen
alle Farben verſchwinden, wenn es entwe-
der uͤber die Linie BO erhaben, oder gar zu
weit darunter gebracht wird. Derowe-
gen wenn das Auge in einem andern Orte
als in O dennoch Regen-Bogen-Farben
ſiehet; ſo muß ſie dieſelben nicht mehr in
dem Tropffen G, ſondern in andern Tropf-
fen ſehen. Und da dieſes von allen uͤbrigen
Tropffen gleichfalls gielt, die in dem Circul
herum ſtehen und den Bogen formiren; ſo
iſt klar, daß nicht allein ein jeder einen be-
ſonderen Regen-Bogen ſiehet, ſondern
daß auch ein jeder einen andern zu ſehen be-
kommet, wenn er ſeine Stelle aͤndert. Man
kan einen dieſer Wahrheit auch durch die
Erfahrung uͤberfuͤhren. Wenn verſchiedene
zu gleicher Zeit einen Regen-Bogenim frey-
en, wo man den Horizont uͤberſehenkan, ob-
ſerviren u. mercken genau, wo er aufſtehet;
ſo wird ſichs zeigen, daß des einen ſein Re-
gen-Bogen nicht wie des andern ſeiner ge-
ſtan-
Daß ein
jeder ei-
nẽ beſon-
deren Re-
gen-Bo-
gen ſie-
het.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/431>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.