Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.der vier Jahrs-Zeiten. jederzeit ein mitlerer Zustand anzutreffen,welcher etwas von beyden hat. Der ge- meine Mann nennet Sommer, wenn es warm ist, daß Pflantzen und Bäume grünen und wachsen können; hingegen Winter, wenn es kalt ist, daß es schneyet und gefrie- ret. Daher pfleget man zu sagen, es wolle gar nicht Winter werden, wenn es zu einer Jahres-Zeit noch nicht gefrieret, da es sonst gefroren: auch saget man, es wolle noch nicht Sommer werden, wenn es zu ei- ner Jahres-Zeit noch immer kalt ist, da es sonst sehr warm zu seyn pfleget. Den mit- leren Zustand zwischen Winter und Som- mer, da die Kälte ihren Abschied nimmet und die Wärme sich einstellet, heisset der Frühling: hingegen der mittlere Zustand zwischen Sommer und Winter, da sich die Wärme nach und nach verlieret und die Kälte herein dringet, wird der Herbst ge- nennet. Weil aber dieses ein Jahr nicht so ist wie das andere: so hat man auch die vier Jahrs-Zeiten in genauere Schrancken einschliessen müssen, und da man gesehen, daß die Sonne dieselben verursachet, wie wir bald mit mehrerem zeigen werden, hie- rinnen auf ihre Bewegung acht gehabt. Wir nennen demnach die vier Jahrs-Zeiten diejenigen, welche vorbey streichen, indem sich die Sonne durch die vier Quadranten des Thier-Kreises beweget. Nemlich Früh- (Physick) U
der vier Jahrs-Zeiten. jederzeit ein mitlerer Zuſtand anzutreffen,welcher etwas von beyden hat. Der ge- meine Mann nennet Sommer, wenn es warm iſt, daß Pflantzen und Baͤume gruͤnen und wachſen koͤnnen; hingegen Winter, wenn es kalt iſt, daß es ſchneyet und gefrie- ret. Daher pfleget man zu ſagen, es wolle gar nicht Winter werden, wenn es zu einer Jahres-Zeit noch nicht gefrieret, da es ſonſt gefroren: auch ſaget man, es wolle noch nicht Sommer werden, wenn es zu ei- ner Jahres-Zeit noch immer kalt iſt, da es ſonſt ſehr warm zu ſeyn pfleget. Den mit- leren Zuſtand zwiſchen Winter und Som- mer, da die Kaͤlte ihren Abſchied nimmet und die Waͤrme ſich einſtellet, heiſſet der Fruͤhling: hingegen der mittlere Zuſtand zwiſchen Sommer und Winter, da ſich die Waͤrme nach und nach verlieret und die Kaͤlte herein dringet, wird der Herbſt ge- nennet. Weil aber dieſes ein Jahr nicht ſo iſt wie das andere: ſo hat man auch die vier Jahrs-Zeiten in genauere Schrancken einſchlieſſen muͤſſen, und da man geſehen, daß die Sonne dieſelben verurſachet, wie wir bald mit mehrerem zeigen werden, hie- rinnen auf ihre Bewegung acht gehabt. Wir nennen demnach die vier Jahrs-Zeiten diejenigen, welche vorbey ſtreichen, indem ſich die Sonne durch die vier Quadranten des Thier-Kreiſes beweget. Nemlich Fruͤh- (Phyſick) U
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der vier Jahrs-Zeiten.
jederzeit ein mitlerer Zuſtand anzutreffen,
welcher etwas von beyden hat. Der ge-
meine Mann nennet Sommer, wenn es
warm iſt, daß Pflantzen und Baͤume gruͤnen
und wachſen koͤnnen; hingegen Winter,
wenn es kalt iſt, daß es ſchneyet und gefrie-
ret. Daher pfleget man zu ſagen, es wolle
gar nicht Winter werden, wenn es zu einer
Jahres-Zeit noch nicht gefrieret, da es
ſonſt gefroren: auch ſaget man, es wolle
noch nicht Sommer werden, wenn es zu ei-
ner Jahres-Zeit noch immer kalt iſt, da es
ſonſt ſehr warm zu ſeyn pfleget. Den mit-
leren Zuſtand zwiſchen Winter und Som-
mer, da die Kaͤlte ihren Abſchied nimmet
und die Waͤrme ſich einſtellet, heiſſet der
Fruͤhling: hingegen der mittlere Zuſtand
zwiſchen Sommer und Winter, da ſich die
Waͤrme nach und nach verlieret und die
Kaͤlte herein dringet, wird der Herbſt ge-
nennet. Weil aber dieſes ein Jahr nicht
ſo iſt wie das andere: ſo hat man auch die
vier Jahrs-Zeiten in genauere Schrancken
einſchlieſſen muͤſſen, und da man geſehen,
daß die Sonne dieſelben verurſachet, wie
wir bald mit mehrerem zeigen werden, hie-
rinnen auf ihre Bewegung acht gehabt.
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Zitationshilfe: | Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/341>, abgerufen am 16.02.2025. |