jederzeit ein mitlerer Zustand anzutreffen, welcher etwas von beyden hat. Der ge- meine Mann nennet Sommer, wenn es warm ist, daß Pflantzen und Bäume grünen und wachsen können; hingegen Winter, wenn es kalt ist, daß es schneyet und gefrie- ret. Daher pfleget man zu sagen, es wolle gar nicht Winter werden, wenn es zu einer Jahres-Zeit noch nicht gefrieret, da es sonst gefroren: auch saget man, es wolle noch nicht Sommer werden, wenn es zu ei- ner Jahres-Zeit noch immer kalt ist, da es sonst sehr warm zu seyn pfleget. Den mit- leren Zustand zwischen Winter und Som- mer, da die Kälte ihren Abschied nimmet und die Wärme sich einstellet, heisset der Frühling: hingegen der mittlere Zustand zwischen Sommer und Winter, da sich die Wärme nach und nach verlieret und die Kälte herein dringet, wird der Herbst ge- nennet. Weil aber dieses ein Jahr nicht so ist wie das andere: so hat man auch die vier Jahrs-Zeiten in genauere Schrancken einschliessen müssen, und da man gesehen, daß die Sonne dieselben verursachet, wie wir bald mit mehrerem zeigen werden, hie- rinnen auf ihre Bewegung acht gehabt. Wir nennen demnach die vier Jahrs-Zeiten diejenigen, welche vorbey streichen, indem sich die Sonne durch die vier Quadranten des Thier-Kreises beweget. Nemlich
Früh-
(Physick) U
der vier Jahrs-Zeiten.
jederzeit ein mitlerer Zuſtand anzutreffen, welcher etwas von beyden hat. Der ge- meine Mann nennet Sommer, wenn es warm iſt, daß Pflantzen und Baͤume gruͤnen und wachſen koͤnnen; hingegen Winter, wenn es kalt iſt, daß es ſchneyet und gefrie- ret. Daher pfleget man zu ſagen, es wolle gar nicht Winter werden, wenn es zu einer Jahres-Zeit noch nicht gefrieret, da es ſonſt gefroren: auch ſaget man, es wolle noch nicht Sommer werden, wenn es zu ei- ner Jahres-Zeit noch immer kalt iſt, da es ſonſt ſehr warm zu ſeyn pfleget. Den mit- leren Zuſtand zwiſchen Winter und Som- mer, da die Kaͤlte ihren Abſchied nimmet und die Waͤrme ſich einſtellet, heiſſet der Fruͤhling: hingegen der mittlere Zuſtand zwiſchen Sommer und Winter, da ſich die Waͤrme nach und nach verlieret und die Kaͤlte herein dringet, wird der Herbſt ge- nennet. Weil aber dieſes ein Jahr nicht ſo iſt wie das andere: ſo hat man auch die vier Jahrs-Zeiten in genauere Schrancken einſchlieſſen muͤſſen, und da man geſehen, daß die Sonne dieſelben verurſachet, wie wir bald mit mehrerem zeigen werden, hie- rinnen auf ihre Bewegung acht gehabt. Wir nennen demnach die vier Jahrs-Zeiten diejenigen, welche vorbey ſtreichen, indem ſich die Sonne durch die vier Quadranten des Thier-Kreiſes beweget. Nemlich
Fruͤh-
(Phyſick) U
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0341"n="305"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">der vier Jahrs-Zeiten.</hi></fw><lb/>
jederzeit ein mitlerer Zuſtand anzutreffen,<lb/>
welcher etwas von beyden hat. Der ge-<lb/>
meine Mann nennet <hirendition="#fr">Sommer,</hi> wenn es<lb/>
warm iſt, daß Pflantzen und Baͤume gruͤnen<lb/>
und wachſen koͤnnen; hingegen <hirendition="#fr">Winter,</hi><lb/>
wenn es kalt iſt, daß es ſchneyet und gefrie-<lb/>
ret. Daher pfleget man zu ſagen, es wolle<lb/>
gar nicht Winter werden, wenn es zu einer<lb/>
Jahres-Zeit noch nicht gefrieret, da es<lb/>ſonſt gefroren: auch ſaget man, es wolle<lb/>
noch nicht Sommer werden, wenn es zu ei-<lb/>
ner Jahres-Zeit noch immer kalt iſt, da es<lb/>ſonſt ſehr warm zu ſeyn pfleget. Den mit-<lb/>
leren Zuſtand zwiſchen Winter und Som-<lb/>
mer, da die Kaͤlte ihren Abſchied nimmet<lb/>
und die Waͤrme ſich einſtellet, heiſſet der<lb/><hirendition="#fr">Fruͤhling:</hi> hingegen der mittlere Zuſtand<lb/>
zwiſchen Sommer und Winter, da ſich die<lb/>
Waͤrme nach und nach verlieret und die<lb/>
Kaͤlte herein dringet, wird der <hirendition="#fr">Herbſt</hi> ge-<lb/>
nennet. Weil aber dieſes ein Jahr nicht<lb/>ſo iſt wie das andere: ſo hat man auch die<lb/>
vier Jahrs-Zeiten in genauere Schrancken<lb/>
einſchlieſſen muͤſſen, und da man geſehen,<lb/>
daß die Sonne dieſelben verurſachet, wie<lb/>
wir bald mit mehrerem zeigen werden, hie-<lb/>
rinnen auf ihre Bewegung acht gehabt.<lb/>
Wir nennen demnach die vier Jahrs-Zeiten<lb/>
diejenigen, welche vorbey ſtreichen, indem<lb/>ſich die Sonne durch die vier Quadranten<lb/>
des Thier-Kreiſes beweget. Nemlich<lb/><fwplace="bottom"type="sig">(<hirendition="#aq"><hirendition="#i">Phyſick</hi></hi>) U</fw><fwplace="bottom"type="catch">Fruͤh-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[305/0341]
der vier Jahrs-Zeiten.
jederzeit ein mitlerer Zuſtand anzutreffen,
welcher etwas von beyden hat. Der ge-
meine Mann nennet Sommer, wenn es
warm iſt, daß Pflantzen und Baͤume gruͤnen
und wachſen koͤnnen; hingegen Winter,
wenn es kalt iſt, daß es ſchneyet und gefrie-
ret. Daher pfleget man zu ſagen, es wolle
gar nicht Winter werden, wenn es zu einer
Jahres-Zeit noch nicht gefrieret, da es
ſonſt gefroren: auch ſaget man, es wolle
noch nicht Sommer werden, wenn es zu ei-
ner Jahres-Zeit noch immer kalt iſt, da es
ſonſt ſehr warm zu ſeyn pfleget. Den mit-
leren Zuſtand zwiſchen Winter und Som-
mer, da die Kaͤlte ihren Abſchied nimmet
und die Waͤrme ſich einſtellet, heiſſet der
Fruͤhling: hingegen der mittlere Zuſtand
zwiſchen Sommer und Winter, da ſich die
Waͤrme nach und nach verlieret und die
Kaͤlte herein dringet, wird der Herbſt ge-
nennet. Weil aber dieſes ein Jahr nicht
ſo iſt wie das andere: ſo hat man auch die
vier Jahrs-Zeiten in genauere Schrancken
einſchlieſſen muͤſſen, und da man geſehen,
daß die Sonne dieſelben verurſachet, wie
wir bald mit mehrerem zeigen werden, hie-
rinnen auf ihre Bewegung acht gehabt.
Wir nennen demnach die vier Jahrs-Zeiten
diejenigen, welche vorbey ſtreichen, indem
ſich die Sonne durch die vier Quadranten
des Thier-Kreiſes beweget. Nemlich
Fruͤh-
(Phyſick) U
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/341>, abgerufen am 09.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.