Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

Bild:
<< vorherige Seite

wegen der veränderlichen Materie.
gen muß die schweermachende Materie in
die Zwischen-Räumlein der kleinesten
Theile des Goldes dringen, und, da ver-
muthlich ist, daß auch die einfacheren Ma-
terien, durch deren Vermischung die kleine-
sten Theile des Goldes heraus kommen,
noch schweer sind, so muß auch die Ma-
terie der Schweere in ihre Zwischen-Räum-
lein dringen. Daß sie sich aber auch frey
durch bewegen können, erhellet daraus, weil
sonst die schweermachende Materie in den
Höhlen, wo sie nicht weiter fort könnte,
würde stehen bleiben und in ihrer Bewe-
gung gehemmet werden. Es ist nicht zu-
leugnen, daß dieses der Einbildungs-Krafft
zuschaffen machet: allein wenn man beden-
cket, was von der Subtilität der Materie
erwiesen worden (§. 3.), dem wird die Ver-
nunft weiter keine Anstoß geben lassen. Wenn
wir dieser Gehöre geben, so müssen wir die
Materie des Goldes und folgends noch
mehr aller übrigen Cörper dergestalt durch-
löchert ansehen, als ein Sieb in Ansehung
des Wassers. Denn unerachtet man kei-
ne Löcher siehet, ob man gleich das allerbe-
ste Vergrösserungs-Glaß dazu brauchet:
so ist hingegen auch die schweermachende
Materie so subtil, daß man nichts davon
anfichtig werden kan, man mag sie vergrös-
sern wie man will. Wir können uns abe
um soviel weniger befremden lassen, daß die

schweer-

wegen der veraͤnderlichen Materie.
gen muß die ſchweermachende Materie in
die Zwiſchen-Raͤumlein der kleineſten
Theile des Goldes dringen, und, da ver-
muthlich iſt, daß auch die einfacheren Ma-
terien, durch deren Vermiſchung die kleine-
ſten Theile des Goldes heraus kommen,
noch ſchweer ſind, ſo muß auch die Ma-
terie der Schweere in ihre Zwiſchen-Raͤum-
lein dringen. Daß ſie ſich aber auch frey
durch bewegen koͤnnen, erhellet daraus, weil
ſonſt die ſchweermachende Materie in den
Hoͤhlen, wo ſie nicht weiter fort koͤnnte,
wuͤrde ſtehen bleiben und in ihrer Bewe-
gung gehemmet werden. Es iſt nicht zu-
leugnen, daß dieſes der Einbildungs-Krafft
zuſchaffen machet: allein wenn man beden-
cket, was von der Subtilitaͤt der Materie
erwieſen worden (§. 3.), dem wird die Ver-
nunft weiter keine Anſtoß geben laſſen. Weñ
wir dieſer Gehoͤre geben, ſo muͤſſen wir die
Materie des Goldes und folgends noch
mehr aller uͤbrigen Coͤrper dergeſtalt durch-
loͤchert anſehen, als ein Sieb in Anſehung
des Waſſers. Denn unerachtet man kei-
ne Loͤcher ſiehet, ob man gleich das allerbe-
ſte Vergroͤſſerungs-Glaß dazu brauchet:
ſo iſt hingegen auch die ſchweermachende
Materie ſo ſubtil, daß man nichts davon
anfichtig werden kan, man mag ſie vergroͤſ-
ſern wie man will. Wir koͤnnen uns abe
um ſoviel weniger befremden laſſen, daß die

ſchweer-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0163" n="127"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">wegen der vera&#x0364;nderlichen Materie.</hi></fw><lb/>
gen muß die &#x017F;chweermachende Materie in<lb/>
die Zwi&#x017F;chen-Ra&#x0364;umlein der kleine&#x017F;ten<lb/>
Theile des Goldes dringen, und, da ver-<lb/>
muthlich i&#x017F;t, daß auch die einfacheren Ma-<lb/>
terien, durch deren Vermi&#x017F;chung die kleine-<lb/>
&#x017F;ten Theile des Goldes heraus kommen,<lb/>
noch &#x017F;chweer &#x017F;ind, &#x017F;o muß auch die Ma-<lb/>
terie der Schweere in ihre Zwi&#x017F;chen-Ra&#x0364;um-<lb/>
lein dringen. Daß &#x017F;ie &#x017F;ich aber auch frey<lb/>
durch bewegen ko&#x0364;nnen, erhellet daraus, weil<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t die &#x017F;chweermachende Materie in den<lb/>
Ho&#x0364;hlen, wo &#x017F;ie nicht weiter fort ko&#x0364;nnte,<lb/>
wu&#x0364;rde &#x017F;tehen bleiben und in ihrer Bewe-<lb/>
gung gehemmet werden. Es i&#x017F;t nicht zu-<lb/>
leugnen, daß die&#x017F;es der Einbildungs-Krafft<lb/>
zu&#x017F;chaffen machet: allein wenn man beden-<lb/>
cket, was von der Subtilita&#x0364;t der Materie<lb/>
erwie&#x017F;en worden (§. 3.), dem wird die Ver-<lb/>
nunft weiter keine An&#x017F;toß geben la&#x017F;&#x017F;en. Weñ<lb/>
wir die&#x017F;er Geho&#x0364;re geben, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir die<lb/>
Materie des Goldes und folgends noch<lb/>
mehr aller u&#x0364;brigen Co&#x0364;rper derge&#x017F;talt durch-<lb/>
lo&#x0364;chert an&#x017F;ehen, als ein Sieb in An&#x017F;ehung<lb/>
des Wa&#x017F;&#x017F;ers. Denn unerachtet man kei-<lb/>
ne Lo&#x0364;cher &#x017F;iehet, ob man gleich das allerbe-<lb/>
&#x017F;te Vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erungs-Glaß dazu brauchet:<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t hingegen auch die &#x017F;chweermachende<lb/>
Materie &#x017F;o &#x017F;ubtil, daß man nichts davon<lb/>
anfichtig werden kan, man mag &#x017F;ie vergro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern wie man will. Wir ko&#x0364;nnen uns abe<lb/>
um &#x017F;oviel weniger befremden la&#x017F;&#x017F;en, daß die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chweer-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0163] wegen der veraͤnderlichen Materie. gen muß die ſchweermachende Materie in die Zwiſchen-Raͤumlein der kleineſten Theile des Goldes dringen, und, da ver- muthlich iſt, daß auch die einfacheren Ma- terien, durch deren Vermiſchung die kleine- ſten Theile des Goldes heraus kommen, noch ſchweer ſind, ſo muß auch die Ma- terie der Schweere in ihre Zwiſchen-Raͤum- lein dringen. Daß ſie ſich aber auch frey durch bewegen koͤnnen, erhellet daraus, weil ſonſt die ſchweermachende Materie in den Hoͤhlen, wo ſie nicht weiter fort koͤnnte, wuͤrde ſtehen bleiben und in ihrer Bewe- gung gehemmet werden. Es iſt nicht zu- leugnen, daß dieſes der Einbildungs-Krafft zuſchaffen machet: allein wenn man beden- cket, was von der Subtilitaͤt der Materie erwieſen worden (§. 3.), dem wird die Ver- nunft weiter keine Anſtoß geben laſſen. Weñ wir dieſer Gehoͤre geben, ſo muͤſſen wir die Materie des Goldes und folgends noch mehr aller uͤbrigen Coͤrper dergeſtalt durch- loͤchert anſehen, als ein Sieb in Anſehung des Waſſers. Denn unerachtet man kei- ne Loͤcher ſiehet, ob man gleich das allerbe- ſte Vergroͤſſerungs-Glaß dazu brauchet: ſo iſt hingegen auch die ſchweermachende Materie ſo ſubtil, daß man nichts davon anfichtig werden kan, man mag ſie vergroͤſ- ſern wie man will. Wir koͤnnen uns abe um ſoviel weniger befremden laſſen, daß die ſchweer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/163
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/163>, abgerufen am 24.11.2024.