Verrichtungen schicket. Es ist aber nicht weniger bekand, daß Zwang nicht gut thut. Wo man mit Wiederwillen lernen sol, da gehet es selten wohl von statten und bringet man es nicht weit: denn wer etwas mit Verdruß thut, der ist frohe, daß er damit fertig ist, es mag gerathen wie es will. Derowegen haben Eltern darauf zu sehen, wozu die Kinder einen natürlichen Trieb haben, und sie zu dieser, keines weges a- ber zu einer anderen Lebens-Art anzuhal- ten.
§. 107.
So bald sie demnach zum Ver-Wie die Kinder darauf zu sehen haben. stande kommen, daß sie begreiffen lernen, was ihnen zu ihrer künfftigen Lebens-Art gut ist oder nicht, sollen sie angeführet wer- den dieselbe allezeit vor Augen zu haben, ins künfftige hinaus zu sehen und bey allem ih- rem Thun und Lassen zu überlegen, was es ihnen für Vortheil dazu schaffen werde (§. 140 Mor.).
§. 108.
Da nun die Weisheit denWie man sie weise machen sol. Menschen geschickt machet seine Absichten dergestalt mit einander zu verknüpffen, daß eine ein Mittel der andern wird und hinwie- derumb dergleichen Mittel zu erwehlen, die uns zu unsern Absichten führen (§. 914. Met.); so sollen auch die Kinder weise ge- macht werden: wozu dasjenige Mittel und Wege an die Hand geben wird, was von Erlangung der Weisheit (§. 315 & seqq.
Mor.
Vaͤterlichen Geſellſchafft.
Verrichtungen ſchicket. Es iſt aber nicht weniger bekand, daß Zwang nicht gut thut. Wo man mit Wiederwillen lernen ſol, da gehet es ſelten wohl von ſtatten und bringet man es nicht weit: denn wer etwas mit Verdruß thut, der iſt frohe, daß er damit fertig iſt, es mag gerathen wie es will. Derowegen haben Eltern darauf zu ſehen, wozu die Kinder einen natuͤrlichen Trieb haben, und ſie zu dieſer, keines weges a- ber zu einer anderen Lebens-Art anzuhal- ten.
§. 107.
So bald ſie demnach zum Ver-Wie die Kinder darauf zu ſehen haben. ſtande kommen, daß ſie begreiffen lernen, was ihnen zu ihrer kuͤnfftigen Lebens-Art gut iſt oder nicht, ſollen ſie angefuͤhret wer- den dieſelbe allezeit vor Augen zu haben, ins kuͤnfftige hinaus zu ſehen und bey allem ih- rem Thun und Laſſen zu uͤberlegen, was es ihnen fuͤr Vortheil dazu ſchaffen werde (§. 140 Mor.).
§. 108.
Da nun die Weisheit denWie man ſie weiſe machen ſol. Menſchen geſchickt machet ſeine Abſichten dergeſtalt mit einander zu verknuͤpffen, daß eine ein Mittel der andern wird und hinwie- derumb dergleichen Mittel zu erwehlen, die uns zu unſern Abſichten fuͤhren (§. 914. Met.); ſo ſollen auch die Kinder weiſe ge- macht werden: wozu dasjenige Mittel und Wege an die Hand geben wird, was von Erlangung der Weisheit (§. 315 & ſeqq.
Mor.
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Vaͤterlichen Geſellſchafft.
Verrichtungen ſchicket. Es iſt aber nicht
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Wo man mit Wiederwillen lernen ſol, da
gehet es ſelten wohl von ſtatten und bringet
man es nicht weit: denn wer etwas mit
Verdruß thut, der iſt frohe, daß er damit
fertig iſt, es mag gerathen wie es will.
Derowegen haben Eltern darauf zu ſehen,
wozu die Kinder einen natuͤrlichen Trieb
haben, und ſie zu dieſer, keines weges a-
ber zu einer anderen Lebens-Art anzuhal-
ten.
§. 107.So bald ſie demnach zum Ver-
ſtande kommen, daß ſie begreiffen lernen,
was ihnen zu ihrer kuͤnfftigen Lebens-Art
gut iſt oder nicht, ſollen ſie angefuͤhret wer-
den dieſelbe allezeit vor Augen zu haben, ins
kuͤnfftige hinaus zu ſehen und bey allem ih-
rem Thun und Laſſen zu uͤberlegen, was
es ihnen fuͤr Vortheil dazu ſchaffen werde
(§. 140 Mor.).
Wie die
Kinder
darauf
zu ſehen
haben.
§. 108.Da nun die Weisheit den
Menſchen geſchickt machet ſeine Abſichten
dergeſtalt mit einander zu verknuͤpffen, daß
eine ein Mittel der andern wird und hinwie-
derumb dergleichen Mittel zu erwehlen, die
uns zu unſern Abſichten fuͤhren (§. 914.
Met.); ſo ſollen auch die Kinder weiſe ge-
macht werden: wozu dasjenige Mittel und
Wege an die Hand geben wird, was von
Erlangung der Weisheit (§. 315 & ſeqq.
Mor.
Wie man
ſie weiſe
machen
ſol.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/97>, abgerufen am 23.11.2024.
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