Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Das 3. Capitel Von der
licher er-
kläret.
der Eltern gegen die Kinder und der Kinder
gegen die Eltern daraus herleiten möge; so
wird nöthig seyn, daß ich deutlicher erklä-
re, was durch das versorgen und regieren
verstanden wird. Nemlich Kinder sind wie
alle Menschen verbunden ihren inneren und
ausseren Zustand so vollkommen zu machen,
als möglich ist (§. 19 Mor.). Dazu aber
wird zweyerley erfordert. Einmahl sind
Mittel nöthig, dadurch die Vollkommen-
heit des inneren und äusseren Zustandes er-
halten wird (§. 912 Met.); darnach müs-
sen auch ihre Handlungen dergestalt einge-
richtet werden, daß sie nicht allein diese
Mittel recht gebrauchen, sondern auch durch
ihre Handlungen sich nicht daran hindern.
Die Vorsorge gehet auf das erste; die Re-
gierung auf das andere. Es bestehet dem-
nach die Vorsorge der Eltern in einer
Sorgfalt den Kindern alle Mittel zu ver-
schaffen, die sie zu Beförderung der Voll-
kommenheit ihres inneren und äusseren Zu-
standes von nöthen haben: Hingegen die
Regierung in Einrichtung ihrer Hand-
lungen zu Erhaltung dieser Absicht. De-
rowegen da wir in den Gedancken von dem
Thun und Lassen der Menschen ausführlich
gezeiget haben, worinnen die Vollkom-
menheit der Seele, des Leibes und des äus-
serlichen Zustandes bestehet, auch wie der
Mensch seine Handlungen einzurichten hat,

damit

Das 3. Capitel Von der
licher er-
klaͤret.
der Eltern gegen die Kinder und der Kinder
gegen die Eltern daraus herleiten moͤge; ſo
wird noͤthig ſeyn, daß ich deutlicher erklaͤ-
re, was durch das verſorgen und regieren
verſtanden wird. Nemlich Kinder ſind wie
alle Menſchen verbunden ihren inneren und
auſſeren Zuſtand ſo vollkommen zu machen,
als moͤglich iſt (§. 19 Mor.). Dazu aber
wird zweyerley erfordert. Einmahl ſind
Mittel noͤthig, dadurch die Vollkommen-
heit des inneren und aͤuſſeren Zuſtandes er-
halten wird (§. 912 Met.); darnach muͤſ-
ſen auch ihre Handlungen dergeſtalt einge-
richtet werden, daß ſie nicht allein dieſe
Mittel recht gebrauchen, ſondern auch durch
ihre Handlungen ſich nicht daran hindern.
Die Vorſorge gehet auf das erſte; die Re-
gierung auf das andere. Es beſtehet dem-
nach die Vorſorge der Eltern in einer
Sorgfalt den Kindern alle Mittel zu ver-
ſchaffen, die ſie zu Befoͤrderung der Voll-
kommenheit ihres inneren und aͤuſſeren Zu-
ſtandes von noͤthen haben: Hingegen die
Regierung in Einrichtung ihrer Hand-
lungen zu Erhaltung dieſer Abſicht. De-
rowegen da wir in den Gedancken von dem
Thun und Laſſen der Menſchen ausfuͤhrlich
gezeiget haben, worinnen die Vollkom-
menheit der Seele, des Leibes und des aͤuſ-
ſerlichen Zuſtandes beſtehet, auch wie der
Menſch ſeine Handlungen einzurichten hat,

damit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0074" n="56"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das 3. Capitel Von der</hi></fw><lb/><note place="left">licher er-<lb/>
kla&#x0364;ret.</note>der Eltern gegen die Kinder und der Kinder<lb/>
gegen die Eltern daraus herleiten mo&#x0364;ge; &#x017F;o<lb/>
wird no&#x0364;thig &#x017F;eyn, daß ich deutlicher erkla&#x0364;-<lb/>
re, was durch das ver&#x017F;orgen und regieren<lb/>
ver&#x017F;tanden wird. Nemlich Kinder &#x017F;ind wie<lb/>
alle Men&#x017F;chen verbunden ihren inneren und<lb/>
au&#x017F;&#x017F;eren Zu&#x017F;tand &#x017F;o vollkommen zu machen,<lb/>
als mo&#x0364;glich i&#x017F;t (§. 19 <hi rendition="#aq">Mor.</hi>). Dazu aber<lb/>
wird zweyerley erfordert. Einmahl &#x017F;ind<lb/>
Mittel no&#x0364;thig, dadurch die Vollkommen-<lb/>
heit des inneren und a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;eren Zu&#x017F;tandes er-<lb/>
halten wird (§. 912 <hi rendition="#aq">Met.</hi>); darnach mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en auch ihre Handlungen derge&#x017F;talt einge-<lb/>
richtet werden, daß &#x017F;ie nicht allein die&#x017F;e<lb/>
Mittel recht gebrauchen, &#x017F;ondern auch durch<lb/>
ihre Handlungen &#x017F;ich nicht daran hindern.<lb/>
Die Vor&#x017F;orge gehet auf das er&#x017F;te; die Re-<lb/>
gierung auf das andere. Es be&#x017F;tehet dem-<lb/>
nach die <hi rendition="#fr">Vor&#x017F;orge</hi> der Eltern in einer<lb/>
Sorgfalt den Kindern alle Mittel zu ver-<lb/>
&#x017F;chaffen, die &#x017F;ie zu Befo&#x0364;rderung der Voll-<lb/>
kommenheit ihres inneren und a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;eren Zu-<lb/>
&#x017F;tandes von no&#x0364;then haben: Hingegen die<lb/><hi rendition="#fr">Regierung</hi> in Einrichtung ihrer Hand-<lb/>
lungen zu Erhaltung die&#x017F;er Ab&#x017F;icht. De-<lb/>
rowegen da wir in den Gedancken von dem<lb/>
Thun und La&#x017F;&#x017F;en der Men&#x017F;chen ausfu&#x0364;hrlich<lb/>
gezeiget haben, worinnen die Vollkom-<lb/>
menheit der Seele, des Leibes und des a&#x0364;u&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erlichen Zu&#x017F;tandes be&#x017F;tehet, auch wie der<lb/>
Men&#x017F;ch &#x017F;eine Handlungen einzurichten hat,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">damit</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0074] Das 3. Capitel Von der der Eltern gegen die Kinder und der Kinder gegen die Eltern daraus herleiten moͤge; ſo wird noͤthig ſeyn, daß ich deutlicher erklaͤ- re, was durch das verſorgen und regieren verſtanden wird. Nemlich Kinder ſind wie alle Menſchen verbunden ihren inneren und auſſeren Zuſtand ſo vollkommen zu machen, als moͤglich iſt (§. 19 Mor.). Dazu aber wird zweyerley erfordert. Einmahl ſind Mittel noͤthig, dadurch die Vollkommen- heit des inneren und aͤuſſeren Zuſtandes er- halten wird (§. 912 Met.); darnach muͤſ- ſen auch ihre Handlungen dergeſtalt einge- richtet werden, daß ſie nicht allein dieſe Mittel recht gebrauchen, ſondern auch durch ihre Handlungen ſich nicht daran hindern. Die Vorſorge gehet auf das erſte; die Re- gierung auf das andere. Es beſtehet dem- nach die Vorſorge der Eltern in einer Sorgfalt den Kindern alle Mittel zu ver- ſchaffen, die ſie zu Befoͤrderung der Voll- kommenheit ihres inneren und aͤuſſeren Zu- ſtandes von noͤthen haben: Hingegen die Regierung in Einrichtung ihrer Hand- lungen zu Erhaltung dieſer Abſicht. De- rowegen da wir in den Gedancken von dem Thun und Laſſen der Menſchen ausfuͤhrlich gezeiget haben, worinnen die Vollkom- menheit der Seele, des Leibes und des aͤuſ- ſerlichen Zuſtandes beſtehet, auch wie der Menſch ſeine Handlungen einzurichten hat, damit licher er- klaͤret.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/74
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/74>, abgerufen am 24.11.2024.