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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 2. Von dem Ehestande.
Nöthige
Erinne-
rung.
§. 69.

Es demnach ein großes Verse-
hen, daß man öffters ohne Noth bey dem
Heyrathen vielen Betrug brauchet, und ge-
meiniglich die Sachen anders vorgiebet, als
sie sind: als wodurch man die Leute nur un-
glückseelig durch ihr Heyrathen machet.
Allein weil auch nicht selten die Menschen
von demjenigen, was sie nach ihrem Stan-
de zu ihrer Nahrung, Kleidung, Wohnung
und andern Bequemlichkeiten des Lebens
brauchen, unrichtige Gedancken haben und
daher Mangel zu leiden vermeinen, da sie
wohl gar einen Uberfluß haben; so ist über
die maßen dienlich, daß man hiervon aus
der Sittenlehre, das ist, den Gedancken
von der Menschen Thun und Laßen, (§. 450.
& seqq.) nöthigen Unterricht einhohlet.
Dergleichen auch erfordext wird, wenn
man die Aufführung seines Ehegattens ver-
nünfftig beurtheilen wil. Und also ist
Versrand und Tugend wie in allen Dingen,
so auch sonderlich im Ehestande höchst nütz-
lich und nöthig.

Gefähr-
lichkeit
im Hey-
rathen.
§. 70.

Unterdessen da die Ehe Lebenslang
dauret (§. 44); so ist auch derjenige Mensch
die gantze Zeit seines Lebens unglückseelig,
der eine unglückseelige Ehe getroffen, die
sich nicht ändern lässet, welches gar selten an-
gehet. Hingegen wenn der Mensch eine glück-
seelige Ehe getroffen und nicht durch seine
Schuld den Grund des Glücks verderbet;

so
Cap. 2. Von dem Eheſtande.
Noͤthige
Erinne-
rung.
§. 69.

Es demnach ein großes Verſe-
hen, daß man oͤffters ohne Noth bey dem
Heyrathen vielen Betrug brauchet, und ge-
meiniglich die Sachen anders vorgiebet, als
ſie ſind: als wodurch man die Leute nur un-
gluͤckſeelig durch ihr Heyrathen machet.
Allein weil auch nicht ſelten die Menſchen
von demjenigen, was ſie nach ihrem Stan-
de zu ihrer Nahrung, Kleidung, Wohnung
und andern Bequemlichkeiten des Lebens
brauchen, unrichtige Gedancken haben und
daher Mangel zu leiden vermeinen, da ſie
wohl gar einen Uberfluß haben; ſo iſt uͤber
die maßen dienlich, daß man hiervon aus
der Sittenlehre, das iſt, den Gedancken
von der Menſchen Thun und Laßen, (§. 450.
& ſeqq.) noͤthigen Unterricht einhohlet.
Dergleichen auch erfordext wird, wenn
man die Auffuͤhrung ſeines Ehegattens ver-
nuͤnfftig beurtheilen wil. Und alſo iſt
Verſrand und Tugend wie in allen Dingen,
ſo auch ſonderlich im Eheſtande hoͤchſt nuͤtz-
lich und noͤthig.

Gefaͤhr-
lichkeit
im Hey-
rathen.
§. 70.

Unterdeſſen da die Ehe Lebenslang
dauret (§. 44); ſo iſt auch derjenige Menſch
die gantze Zeit ſeines Lebens ungluͤckſeelig,
der eine ungluͤckſeelige Ehe getroffen, die
ſich nicht aͤndern laͤſſet, welches gar ſelten an-
gehet. Hingegen wenn der Menſch eine gluͤck-
ſeelige Ehe getroffen und nicht durch ſeine
Schuld den Grund des Gluͤcks verderbet;

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[50/0068] Cap. 2. Von dem Eheſtande. §. 69.Es demnach ein großes Verſe- hen, daß man oͤffters ohne Noth bey dem Heyrathen vielen Betrug brauchet, und ge- meiniglich die Sachen anders vorgiebet, als ſie ſind: als wodurch man die Leute nur un- gluͤckſeelig durch ihr Heyrathen machet. Allein weil auch nicht ſelten die Menſchen von demjenigen, was ſie nach ihrem Stan- de zu ihrer Nahrung, Kleidung, Wohnung und andern Bequemlichkeiten des Lebens brauchen, unrichtige Gedancken haben und daher Mangel zu leiden vermeinen, da ſie wohl gar einen Uberfluß haben; ſo iſt uͤber die maßen dienlich, daß man hiervon aus der Sittenlehre, das iſt, den Gedancken von der Menſchen Thun und Laßen, (§. 450. & ſeqq.) noͤthigen Unterricht einhohlet. Dergleichen auch erfordext wird, wenn man die Auffuͤhrung ſeines Ehegattens ver- nuͤnfftig beurtheilen wil. Und alſo iſt Verſrand und Tugend wie in allen Dingen, ſo auch ſonderlich im Eheſtande hoͤchſt nuͤtz- lich und noͤthig. §. 70.Unterdeſſen da die Ehe Lebenslang dauret (§. 44); ſo iſt auch derjenige Menſch die gantze Zeit ſeines Lebens ungluͤckſeelig, der eine ungluͤckſeelige Ehe getroffen, die ſich nicht aͤndern laͤſſet, welches gar ſelten an- gehet. Hingegen wenn der Menſch eine gluͤck- ſeelige Ehe getroffen und nicht durch ſeine Schuld den Grund des Gluͤcks verderbet; ſo

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/68>, abgerufen am 24.11.2024.