Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 7. Von dem te, woferne man alles vorher sehen woll-te, was die getroffene Veränderung in diesem, oder jenem Stücke nach sich zie- hen werde; so ist es freylich rathsamer, daß man von dem gegenwärtigen Zustan- de soviel behält, als ohne grossem Nach- theile des Landes verbleiben kan, weil man bereits aus der Erfahrung erkandt/ daß dieses in anderen Stücken eben nichts verderbliches nach sich ziehet. Und eben deswegen weil man insgemein gantz aus den Augen setzet, was eine getroffene Aen- derung in einem Stücke wegen der bestän- digen Verknüpffung der Dinge für ver- änderliches in anderen Stücken nach sich ziehet; so pfleget es öffters zu gesche- hen, daß die Aenderungen mislingen, und hat man daher längst überhaupt aus der Erfahrung angemercket: Alle Ver- anderung sey gefährlich. Und eben da- her sind sie auch den Unterthanen verhas- set, und man verursachet dadurch viele Bewegung in ihren Gemüthern. Es ist demnach am allerbesten/ daß man dem Verderben des Landes zuvor komme und, soviel in unserer Gewalt stehet, sol- ches zu hinterireiben suchet. Hieher ge- höret, daß man über den Gesetzen und guten Anstallten steif und feste hält, da- mit nicht durch Nachsehen eine Unord- nung einreissen kan: daß man dem ein- reissen-
Cap. 7. Von dem te, woferne man alles vorher ſehen woll-te, was die getroffene Veraͤnderung in dieſem, oder jenem Stuͤcke nach ſich zie- hen werde; ſo iſt es freylich rathſamer, daß man von dem gegenwaͤrtigen Zuſtan- de ſoviel behaͤlt, als ohne groſſem Nach- theile des Landes verbleiben kan, weil man bereits aus der Erfahrung erkandt/ daß dieſes in anderen Stuͤcken eben nichts verderbliches nach ſich ziehet. Und eben deswegen weil man insgemein gantz aus den Augen ſetzet, was eine getroffene Aen- derung in einem Stuͤcke wegen der beſtaͤn- digen Verknuͤpffung der Dinge fuͤr ver- aͤnderliches in anderen Stuͤcken nach ſich ziehet; ſo pfleget es oͤffters zu geſche- hen, daß die Aenderungen mislingen, und hat man daher laͤngſt uͤberhaupt aus der Erfahrung angemercket: Alle Ver- anderung ſey gefaͤhrlich. Und eben da- her ſind ſie auch den Unterthanen verhaſ- ſet, und man verurſachet dadurch viele Bewegung in ihren Gemuͤthern. Es iſt demnach am allerbeſten/ daß man dem Verderben des Landes zuvor komme und, ſoviel in unſerer Gewalt ſtehet, ſol- ches zu hinterireiben ſuchet. Hieher ge- hoͤret, daß man uͤber den Geſetzen und guten Anſtallten ſteif und feſte haͤlt, da- mit nicht durch Nachſehen eine Unord- nung einreiſſen kan: daß man dem ein- reiſſen-
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Cap. 7. Von dem
te, woferne man alles vorher ſehen woll-
te, was die getroffene Veraͤnderung in
dieſem, oder jenem Stuͤcke nach ſich zie-
hen werde; ſo iſt es freylich rathſamer,
daß man von dem gegenwaͤrtigen Zuſtan-
de ſoviel behaͤlt, als ohne groſſem Nach-
theile des Landes verbleiben kan, weil
man bereits aus der Erfahrung erkandt/
daß dieſes in anderen Stuͤcken eben nichts
verderbliches nach ſich ziehet. Und eben
deswegen weil man insgemein gantz aus
den Augen ſetzet, was eine getroffene Aen-
derung in einem Stuͤcke wegen der beſtaͤn-
digen Verknuͤpffung der Dinge fuͤr ver-
aͤnderliches in anderen Stuͤcken nach ſich
ziehet; ſo pfleget es oͤffters zu geſche-
hen, daß die Aenderungen mislingen,
und hat man daher laͤngſt uͤberhaupt aus
der Erfahrung angemercket: Alle Ver-
anderung ſey gefaͤhrlich. Und eben da-
her ſind ſie auch den Unterthanen verhaſ-
ſet, und man verurſachet dadurch viele
Bewegung in ihren Gemuͤthern. Es iſt
demnach am allerbeſten/ daß man dem
Verderben des Landes zuvor komme
und, ſoviel in unſerer Gewalt ſtehet, ſol-
ches zu hinterireiben ſuchet. Hieher ge-
hoͤret, daß man uͤber den Geſetzen und
guten Anſtallten ſteif und feſte haͤlt, da-
mit nicht durch Nachſehen eine Unord-
nung einreiſſen kan: daß man dem ein-
reiſſen-
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