Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 2. Von dem Ehestande.
serlicher Zustand dependiret, allerdinges
sich in acht zu nehmen, daß sie dem Man-
ne soviel eher nachgiebet, absonderlich wenn
es Kleinigkeiten sind, davon entweder gar
kein, oder doch kein grosser Schade herrüh-
ret, obgleich etwas versehen wird. Kom-
met dieser Umstand dazu, daß das Weib
dem Manne auf einige Art und Weise Ver-
druß gemacht; so hat sie um so vielmehr
Ursache diesen Verdruß durch ihre kluge
Aufführung zu vermindern, damit ihn der
Mann übersiehet und zu nichts wiedrigem
gegen sie angetrieben wird. Es ist nicht
mein Vorhaben vor dieses mahl alle beson-
dere Umstände zu untersuchen: ich halte es
für genung, daß ich durch ein und das an-
dere Exempel gewiesen, wie man mit gu-
tem Nutzen darauf zu sehen hat, und kan
dabey versichern, daß ein vernünfftiger
Mann gegen ein Weib um so viel empfind-
licher seyn muß, je mehr dergleichen beson-
dere Umstände aus den Augen gesetzet wer-
den; hingegen aber auch in der Liebe gegen
sie um so viel brünstiger wird, je mehr sie
darauf acht hat und durch ihre Handlun-
gen zeiget, daß sie darauf acht hat. Ja
dieses findet sich nicht allein bey Eheleuten,
sondern es gielt auch bey allen andern Men-
schen, die mit einander zu thun haben.
Und demnach sol ein jeder hieraus lernen,
wie er sich gegen Freund und Feinde, am al-

ler-

Cap. 2. Von dem Eheſtande.
ſerlicher Zuſtand dependiret, allerdinges
ſich in acht zu nehmen, daß ſie dem Man-
ne ſoviel eher nachgiebet, abſonderlich wenn
es Kleinigkeiten ſind, davon entweder gar
kein, oder doch kein groſſer Schade herruͤh-
ret, obgleich etwas verſehen wird. Kom-
met dieſer Umſtand dazu, daß das Weib
dem Manne auf einige Art und Weiſe Ver-
druß gemacht; ſo hat ſie um ſo vielmehr
Urſache dieſen Verdruß durch ihre kluge
Auffuͤhrung zu vermindern, damit ihn der
Mann uͤberſiehet und zu nichts wiedrigem
gegen ſie angetrieben wird. Es iſt nicht
mein Vorhaben vor dieſes mahl alle beſon-
dere Umſtaͤnde zu unterſuchen: ich halte es
fuͤr genung, daß ich durch ein und das an-
dere Exempel gewieſen, wie man mit gu-
tem Nutzen darauf zu ſehen hat, und kan
dabey verſichern, daß ein vernuͤnfftiger
Mann gegen ein Weib um ſo viel empfind-
licher ſeyn muß, je mehr dergleichen beſon-
dere Umſtaͤnde aus den Augen geſetzet wer-
den; hingegen aber auch in der Liebe gegen
ſie um ſo viel bruͤnſtiger wird, je mehr ſie
darauf acht hat und durch ihre Handlun-
gen zeiget, daß ſie darauf acht hat. Ja
dieſes findet ſich nicht allein bey Eheleuten,
ſondern es gielt auch bey allen andern Men-
ſchen, die mit einander zu thun haben.
Und demnach ſol ein jeder hieraus lernen,
wie er ſich gegen Freund und Feinde, am al-

ler-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0061" n="43"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 2. Von dem Ehe&#x017F;tande.</hi></fw><lb/>
&#x017F;erlicher Zu&#x017F;tand <hi rendition="#aq">dependi</hi>ret, allerdinges<lb/>
&#x017F;ich in acht zu nehmen, daß &#x017F;ie dem Man-<lb/>
ne &#x017F;oviel eher nachgiebet, ab&#x017F;onderlich wenn<lb/>
es Kleinigkeiten &#x017F;ind, davon entweder gar<lb/>
kein, oder doch kein gro&#x017F;&#x017F;er Schade herru&#x0364;h-<lb/>
ret, obgleich etwas ver&#x017F;ehen wird. Kom-<lb/>
met die&#x017F;er Um&#x017F;tand dazu, daß das Weib<lb/>
dem Manne auf einige Art und Wei&#x017F;e Ver-<lb/>
druß gemacht; &#x017F;o hat &#x017F;ie um &#x017F;o vielmehr<lb/>
Ur&#x017F;ache die&#x017F;en Verdruß durch ihre kluge<lb/>
Auffu&#x0364;hrung zu vermindern, damit ihn der<lb/>
Mann u&#x0364;ber&#x017F;iehet und zu nichts wiedrigem<lb/>
gegen &#x017F;ie angetrieben wird. Es i&#x017F;t nicht<lb/>
mein Vorhaben vor die&#x017F;es mahl alle be&#x017F;on-<lb/>
dere Um&#x017F;ta&#x0364;nde zu unter&#x017F;uchen: ich halte es<lb/>
fu&#x0364;r genung, daß ich durch ein und das an-<lb/>
dere Exempel gewie&#x017F;en, wie man mit gu-<lb/>
tem Nutzen darauf zu &#x017F;ehen hat, und kan<lb/>
dabey ver&#x017F;ichern, daß ein vernu&#x0364;nfftiger<lb/>
Mann gegen ein Weib um &#x017F;o viel empfind-<lb/>
licher &#x017F;eyn muß, je mehr dergleichen be&#x017F;on-<lb/>
dere Um&#x017F;ta&#x0364;nde aus den Augen ge&#x017F;etzet wer-<lb/>
den; hingegen aber auch in der Liebe gegen<lb/>
&#x017F;ie um &#x017F;o viel bru&#x0364;n&#x017F;tiger wird, je mehr &#x017F;ie<lb/>
darauf acht hat und durch ihre Handlun-<lb/>
gen zeiget, daß &#x017F;ie darauf acht hat. Ja<lb/>
die&#x017F;es findet &#x017F;ich nicht allein bey Eheleuten,<lb/>
&#x017F;ondern es gielt auch bey allen andern Men-<lb/>
&#x017F;chen, die mit einander zu thun haben.<lb/>
Und demnach &#x017F;ol ein jeder hieraus lernen,<lb/>
wie er &#x017F;ich gegen Freund und Feinde, am al-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ler-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0061] Cap. 2. Von dem Eheſtande. ſerlicher Zuſtand dependiret, allerdinges ſich in acht zu nehmen, daß ſie dem Man- ne ſoviel eher nachgiebet, abſonderlich wenn es Kleinigkeiten ſind, davon entweder gar kein, oder doch kein groſſer Schade herruͤh- ret, obgleich etwas verſehen wird. Kom- met dieſer Umſtand dazu, daß das Weib dem Manne auf einige Art und Weiſe Ver- druß gemacht; ſo hat ſie um ſo vielmehr Urſache dieſen Verdruß durch ihre kluge Auffuͤhrung zu vermindern, damit ihn der Mann uͤberſiehet und zu nichts wiedrigem gegen ſie angetrieben wird. Es iſt nicht mein Vorhaben vor dieſes mahl alle beſon- dere Umſtaͤnde zu unterſuchen: ich halte es fuͤr genung, daß ich durch ein und das an- dere Exempel gewieſen, wie man mit gu- tem Nutzen darauf zu ſehen hat, und kan dabey verſichern, daß ein vernuͤnfftiger Mann gegen ein Weib um ſo viel empfind- licher ſeyn muß, je mehr dergleichen beſon- dere Umſtaͤnde aus den Augen geſetzet wer- den; hingegen aber auch in der Liebe gegen ſie um ſo viel bruͤnſtiger wird, je mehr ſie darauf acht hat und durch ihre Handlun- gen zeiget, daß ſie darauf acht hat. Ja dieſes findet ſich nicht allein bey Eheleuten, ſondern es gielt auch bey allen andern Men- ſchen, die mit einander zu thun haben. Und demnach ſol ein jeder hieraus lernen, wie er ſich gegen Freund und Feinde, am al- ler-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/61
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/61>, abgerufen am 05.05.2024.