Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 6. Von der Regierung lich treiben und den Unvorsichtigen, Neu-gierigen und Gewinnsüchtigen das Geld ablocken. Unterdessen lässet sich doch der- gleichen Verboth nicht ohne Unterscheid auf alle appliciren. Nemlich es kan kommen, daß einige von diesen Leuten kaum so viel erwerben, als sie wieder verzehren, und wohl dennoch dazu etwas Gutes stifften. Jn solchem Falle neh- men sie wenig oder gar kein Geld aus dem Lande, und das wenige, was sie mit nehmen, wird durch den Nutzen ersetzet, den sie gestifsiet. Z. E. Es kan unter- weilen ein Marcktschreyer einige Künste verstehen gewissen preßhafften Personen zu helffen, denen sonst niemand von de- nen Aertzten und Wund-Aertzten in dem- selben Orte, wenigstens nicht so geschickt, zu rathen weiß. Wenn nun ein solcher den elenden Personen hilfft, die anders keine Hülffe haben können; so kan man wohl erlauben, daß sie einigen diesem Nutzen proportionirten Genuß aus dem Orte ziehen, wo sie sich eine Weile auf- halten. Hingegen mancher erwirbet kaum so viel, als er verzehret, und thut daher dem Lande gleichfalls keinen Scha- den. Gleichwie aber in keinem Falle es möglich ist alles so genau zu beobachten, daß man nicht eines und das andere wie- der seine Absicht zu lassen muß; also ist es auch
Cap. 6. Von der Regierung lich treiben und den Unvorſichtigen, Neu-gierigen und Gewinnſuͤchtigen das Geld ablocken. Unterdeſſen laͤſſet ſich doch der- gleichen Verboth nicht ohne Unterſcheid auf alle appliciren. Nemlich es kan kommen, daß einige von dieſen Leuten kaum ſo viel erwerben, als ſie wieder verzehren, und wohl dennoch dazu etwas Gutes ſtifften. Jn ſolchem Falle neh- men ſie wenig oder gar kein Geld aus dem Lande, und das wenige, was ſie mit nehmen, wird durch den Nutzen erſetzet, den ſie geſtifſiet. Z. E. Es kan unter- weilen ein Marcktſchreyer einige Kuͤnſte verſtehen gewiſſen preßhafften Perſonen zu helffen, denen ſonſt niemand von de- nen Aertzten und Wund-Aertzten in dem- ſelben Orte, wenigſtens nicht ſo geſchickt, zu rathen weiß. Wenn nun ein ſolcher den elenden Perſonen hilfft, die anders keine Huͤlffe haben koͤnnen; ſo kan man wohl erlauben, daß ſie einigen dieſem Nutzen proportionirten Genuß aus dem Orte ziehen, wo ſie ſich eine Weile auf- halten. Hingegen mancher erwirbet kaum ſo viel, als er verzehret, und thut daher dem Lande gleichfalls keinen Scha- den. Gleichwie aber in keinem Falle es moͤglich iſt alles ſo genau zu beobachten, daß man nicht eines und das andere wie- der ſeine Abſicht zu laſſen muß; alſo iſt es auch
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Cap. 6. Von der Regierung
lich treiben und den Unvorſichtigen, Neu-
gierigen und Gewinnſuͤchtigen das Geld
ablocken. Unterdeſſen laͤſſet ſich doch der-
gleichen Verboth nicht ohne Unterſcheid
auf alle appliciren. Nemlich es kan
kommen, daß einige von dieſen Leuten
kaum ſo viel erwerben, als ſie wieder
verzehren, und wohl dennoch dazu etwas
Gutes ſtifften. Jn ſolchem Falle neh-
men ſie wenig oder gar kein Geld aus dem
Lande, und das wenige, was ſie mit
nehmen, wird durch den Nutzen erſetzet,
den ſie geſtifſiet. Z. E. Es kan unter-
weilen ein Marcktſchreyer einige Kuͤnſte
verſtehen gewiſſen preßhafften Perſonen
zu helffen, denen ſonſt niemand von de-
nen Aertzten und Wund-Aertzten in dem-
ſelben Orte, wenigſtens nicht ſo geſchickt,
zu rathen weiß. Wenn nun ein ſolcher
den elenden Perſonen hilfft, die anders
keine Huͤlffe haben koͤnnen; ſo kan man
wohl erlauben, daß ſie einigen dieſem
Nutzen proportionirten Genuß aus dem
Orte ziehen, wo ſie ſich eine Weile auf-
halten. Hingegen mancher erwirbet
kaum ſo viel, als er verzehret, und thut
daher dem Lande gleichfalls keinen Scha-
den. Gleichwie aber in keinem Falle es
moͤglich iſt alles ſo genau zu beobachten,
daß man nicht eines und das andere wie-
der ſeine Abſicht zu laſſen muß; alſo iſt es
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