Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 6. Von der Regierung ne Wohlfahrt und Sicherheit zu beför-dern. Derowegen ist es ihm auch keine Freude, daß der Ubelthäter und Verbre- cher dadurch unglückseelig wird. Und solchergestalt hat er keinen Haß gegen sei- ne Person (§. 454. Met.): vielmehr da erst erwiesen worden, daß er Mitleiden mit ihm hat, so liebet er ihn (§. 461. Met.) und blei- bet der Person ihr Freund (§. 778. Mor.). Hingegen da er Misvergnügen an dem Verbrechen und der Ubelthat hat, und zwar umb soviel grösseres, je mehr dadurch Schaden im gemeinen Wesen gestifftet wird und je mit grösserem Vorsatze sol- ches geschiehet, (denn bey jenem erblicket man die Unvollkommenheit des gemeinen Wesens, bey diesem des Ubelthäters (§. 152. Met.) und demnach bringet beydes (§. 417. Met.) Unlust oder Misvergnügen) folgends je härtere Straffe es nach sich zie- het (§. 347): so hat er einen Haß gegen das Verbrechen, und zwar einen umb so viel grösseren, je eine grössere Ubelthat es ist (§. 445. Met.), folgends ist er der Sa- che feind (§. 778. Mor.). Und auf eine gleiche Weise lässet sich begreiffen, wie je- dermann der Person Freund und der Sa- che Feind seyn sol, auch daß es möglich sey der Person Freund und der Sache Feind zu seyn. Weil vor genugsamer Untersuchung noch nicht erhellet, daß der In-
Cap. 6. Von der Regierung ne Wohlfahrt und Sicherheit zu befoͤr-dern. Derowegen iſt es ihm auch keine Freude, daß der Ubelthaͤter und Verbre- cher dadurch ungluͤckſeelig wird. Und ſolchergeſtalt hat er keinen Haß gegen ſei- ne Perſon (§. 454. Met.): vielmehr da erſt erwieſen worden, daß er Mitleiden mit ihm hat, ſo liebet er ihn (§. 461. Met.) und blei- bet der Perſon ihr Freund (§. 778. Mor.). Hingegen da er Misvergnuͤgen an dem Verbrechen und der Ubelthat hat, und zwar umb ſoviel groͤſſeres, je mehr dadurch Schaden im gemeinen Weſen geſtifftet wird und je mit groͤſſerem Vorſatze ſol- ches geſchiehet, (denn bey jenem erblicket man die Unvollkommenheit des gemeinen Weſens, bey dieſem des Ubelthaͤters (§. 152. Met.) und demnach bringet beydes (§. 417. Met.) Unluſt oder Misvergnuͤgen) folgends je haͤrtere Straffe es nach ſich zie- het (§. 347): ſo hat er einen Haß gegen das Verbrechen, und zwar einen umb ſo viel groͤſſeren, je eine groͤſſere Ubelthat es iſt (§. 445. Met.), folgends iſt er der Sa- che feind (§. 778. Mor.). Und auf eine gleiche Weiſe laͤſſet ſich begreiffen, wie je- dermann der Perſon Freund und der Sa- che Feind ſeyn ſol, auch daß es moͤglich ſey der Perſon Freund und der Sache Feind zu ſeyn. Weil vor genugſamer Unterſuchung noch nicht erhellet, daß der In-
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Cap. 6. Von der Regierung
ne Wohlfahrt und Sicherheit zu befoͤr-
dern. Derowegen iſt es ihm auch keine
Freude, daß der Ubelthaͤter und Verbre-
cher dadurch ungluͤckſeelig wird. Und
ſolchergeſtalt hat er keinen Haß gegen ſei-
ne Perſon (§. 454. Met.): vielmehr da erſt
erwieſen worden, daß er Mitleiden mit ihm
hat, ſo liebet er ihn (§. 461. Met.) und blei-
bet der Perſon ihr Freund (§. 778. Mor.).
Hingegen da er Misvergnuͤgen an dem
Verbrechen und der Ubelthat hat, und zwar
umb ſoviel groͤſſeres, je mehr dadurch
Schaden im gemeinen Weſen geſtifftet
wird und je mit groͤſſerem Vorſatze ſol-
ches geſchiehet, (denn bey jenem erblicket
man die Unvollkommenheit des gemeinen
Weſens, bey dieſem des Ubelthaͤters (§.
152. Met.) und demnach bringet beydes
(§. 417. Met.) Unluſt oder Misvergnuͤgen)
folgends je haͤrtere Straffe es nach ſich zie-
het (§. 347): ſo hat er einen Haß gegen
das Verbrechen, und zwar einen umb ſo
viel groͤſſeren, je eine groͤſſere Ubelthat es
iſt (§. 445. Met.), folgends iſt er der Sa-
che feind (§. 778. Mor.). Und auf eine
gleiche Weiſe laͤſſet ſich begreiffen, wie je-
dermann der Perſon Freund und der Sa-
che Feind ſeyn ſol, auch daß es moͤglich
ſey der Perſon Freund und der Sache
Feind zu ſeyn. Weil vor genugſamer
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