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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 6. Von der Regierung
fordert wird (§. 1023. 1024. Mor.): so
müssen Richter eine aufrichtige Liebe gegen
jedermann haben und weise seyn. Je
mehr nun daran gelegen ist, das Rechis-
verständige, aufrichtige, gütige, weise und
gerechte Personen zu Richtern genom-
men werden; je grössere Vorsicht hat
man anzuwenden, daß niemand zu ei-
nem solchen Ambte komme, als der
vorher genungsame Proben von diesen
Qualitäten abgeleget. Weil es nicht
möglich ist, daß junge Leute dergleichen
Proben können abgeleget haben; so sol
man auch keine junge Leute gleich zu
Richtern machen. Es ist wohl wahr,
daß das Alter einen nicht verständig,
weise und tugendhafft mache. Allein es
wird auch nicht behauptet, daß man oh-
ne Unterscheid alten Leuten oder solchen,
de in ihrem besten Alter sind, das rich-
taliche Ambt anvertrauen soll: denn
wir verlangen, man solle aus den Al-
ten diejenigen auslesen, welche die dazu
erforderte Qualitäten besitzen, und ver-
werffen deswegen die jungen, weil man
von ihnen noch keine Proben hat, ob
sie selbige besitzen oder nicht, hingegen es
gefährlich ist auf das ungewisse solches zu
wagen.

§. 471.

Cap. 6. Von der Regierung
fordert wird (§. 1023. 1024. Mor.): ſo
muͤſſen Richter eine aufrichtige Liebe gegen
jedermann haben und weiſe ſeyn. Je
mehr nun daran gelegen iſt, das Rechis-
verſtaͤndige, aufrichtige, guͤtige, weiſe und
gerechte Perſonen zu Richtern genom-
men werden; je groͤſſere Vorſicht hat
man anzuwenden, daß niemand zu ei-
nem ſolchen Ambte komme, als der
vorher genungſame Proben von dieſen
Qualitaͤten abgeleget. Weil es nicht
moͤglich iſt, daß junge Leute dergleichen
Proben koͤnnen abgeleget haben; ſo ſol
man auch keine junge Leute gleich zu
Richtern machen. Es iſt wohl wahr,
daß das Alter einen nicht verſtaͤndig,
weiſe und tugendhafft mache. Allein es
wird auch nicht behauptet, daß man oh-
ne Unterſcheid alten Leuten oder ſolchen,
de in ihrem beſten Alter ſind, das rich-
taliche Ambt anvertrauen ſoll: denn
wir verlangen, man ſolle aus den Al-
ten diejenigen ausleſen, welche die dazu
erforderte Qualitaͤten beſitzen, und ver-
werffen deswegen die jungen, weil man
von ihnen noch keine Proben hat, ob
ſie ſelbige beſitzen oder nicht, hingegen es
gefaͤhrlich iſt auf das ungewiſſe ſolches zu
wagen.

§. 471.
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[520/0538] Cap. 6. Von der Regierung fordert wird (§. 1023. 1024. Mor.): ſo muͤſſen Richter eine aufrichtige Liebe gegen jedermann haben und weiſe ſeyn. Je mehr nun daran gelegen iſt, das Rechis- verſtaͤndige, aufrichtige, guͤtige, weiſe und gerechte Perſonen zu Richtern genom- men werden; je groͤſſere Vorſicht hat man anzuwenden, daß niemand zu ei- nem ſolchen Ambte komme, als der vorher genungſame Proben von dieſen Qualitaͤten abgeleget. Weil es nicht moͤglich iſt, daß junge Leute dergleichen Proben koͤnnen abgeleget haben; ſo ſol man auch keine junge Leute gleich zu Richtern machen. Es iſt wohl wahr, daß das Alter einen nicht verſtaͤndig, weiſe und tugendhafft mache. Allein es wird auch nicht behauptet, daß man oh- ne Unterſcheid alten Leuten oder ſolchen, de in ihrem beſten Alter ſind, das rich- taliche Ambt anvertrauen ſoll: denn wir verlangen, man ſolle aus den Al- ten diejenigen ausleſen, welche die dazu erforderte Qualitaͤten beſitzen, und ver- werffen deswegen die jungen, weil man von ihnen noch keine Proben hat, ob ſie ſelbige beſitzen oder nicht, hingegen es gefaͤhrlich iſt auf das ungewiſſe ſolches zu wagen. §. 471.

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/538>, abgerufen am 27.06.2024.