Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 6. Von der Regierung
weder die Gerichte die Streitigkeiten der
Jnwohner nach denen Gesetzen und ver-
helffen ihnen zu ihrem Rechte durch die
Hülffe: oder sie untersuchen die Verbre-
chen der Ubelthäter und bringen sie zu ver-
dienter Straffe. Die erste Gerichte wer-
den Civil-Gerichte oder bürgerliche
Gerichte
genennet, denn die Sachen,
welche sie tractiren, nennet man Civil-
Sachen oder bürgerliche Sachen, das
ist, Sachen, die unter Bürgern vorkom-
men: die anderen hingegen heissen Cri-
minal
Gerichte, denn die Ubertretungen
der Gesetze, die man im gemeinen We-
sen zu bestraffen pfleget, heissen Criminal-
Sachen. Die Gewalt Gerichte zu hegen,
nennet man die Jurisdiction, und also in
Ansehung der Civil Gerichte die Civil-Ju-
risdiction
;
in Ansehung der Criminal-
sachen die Criminal Jurisdiction. Un-
terweilen ist beyde die Jurisdiction bey
einem Gerichte, unterweilen aber sind sie
getrennet. Die Ursache, warumb man
beyde Jurisdiction zu trennen pflegt, ist
nicht allein die Weitläufftigkeit, die sich
bey Untersuchung der Verbrechen ereignen;
sondern auch weil sie bey grossen Verbre-
chen, da der Ubelthäter muß in Verhafft
gebracht und in Gefängniße ernehret wer-
den, zu Fortsetzung der Inquisition Ko-
sten erfordert werden. Dadurch daß die

Un-

Cap. 6. Von der Regierung
weder die Gerichte die Streitigkeiten der
Jnwohner nach denen Geſetzen und ver-
helffen ihnen zu ihrem Rechte durch die
Huͤlffe: oder ſie unterſuchen die Verbre-
chen der Ubelthaͤter und bringen ſie zu ver-
dienter Straffe. Die erſte Gerichte wer-
den Civil-Gerichte oder buͤrgerliche
Gerichte
genennet, denn die Sachen,
welche ſie tractiren, nennet man Civil-
Sachen oder buͤrgerliche Sachen, das
iſt, Sachen, die unter Buͤrgern vorkom-
men: die anderen hingegen heiſſen Cri-
minal
Gerichte, denn die Ubertretungen
der Geſetze, die man im gemeinen We-
ſen zu beſtraffen pfleget, heiſſen Criminal-
Sachen. Die Gewalt Gerichte zu hegen,
nennet man die Jurisdiction, und alſo in
Anſehung der Civil Gerichte die Civil-Ju-
risdiction
;
in Anſehung der Criminal-
ſachen die Criminal Jurisdiction. Un-
terweilen iſt beyde die Jurisdiction bey
einem Gerichte, unterweilen aber ſind ſie
getrennet. Die Urſache, warumb man
beyde Jurisdiction zu trennen pflegt, iſt
nicht allein die Weitlaͤufftigkeit, die ſich
bey Unterſuchung der Verbrechen ereignen;
ſondern auch weil ſie bey groſſen Verbre-
chen, da der Ubelthaͤter muß in Verhafft
gebracht und in Gefaͤngniße ernehret wer-
den, zu Fortſetzung der Inquiſition Ko-
ſten erfordert werden. Dadurch daß die

Un-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0528" n="510"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 6. Von der Regierung</hi></fw><lb/>
weder die Gerichte die Streitigkeiten der<lb/>
Jnwohner nach denen Ge&#x017F;etzen und ver-<lb/>
helffen ihnen zu ihrem Rechte durch die<lb/>
Hu&#x0364;lffe: oder &#x017F;ie unter&#x017F;uchen die Verbre-<lb/>
chen der Ubeltha&#x0364;ter und bringen &#x017F;ie zu ver-<lb/>
dienter Straffe. Die er&#x017F;te Gerichte wer-<lb/>
den <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Civil</hi></hi>-<hi rendition="#fr">Gerichte oder bu&#x0364;rgerliche<lb/>
Gerichte</hi> genennet, denn die Sachen,<lb/>
welche &#x017F;ie tractiren, nennet man <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Civil</hi></hi>-<lb/><hi rendition="#fr">Sachen</hi> oder <hi rendition="#fr">bu&#x0364;rgerliche Sachen,</hi> das<lb/>
i&#x017F;t, Sachen, die unter Bu&#x0364;rgern vorkom-<lb/>
men: die anderen hingegen hei&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Cri-<lb/>
minal</hi></hi> <hi rendition="#fr">Gerichte,</hi> denn die Ubertretungen<lb/>
der Ge&#x017F;etze, die man im gemeinen We-<lb/>
&#x017F;en zu be&#x017F;traffen pfleget, hei&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Criminal-</hi><lb/>
Sachen. Die Gewalt Gerichte zu hegen,<lb/>
nennet man die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Jurisdiction</hi>,</hi> und al&#x017F;o in<lb/>
An&#x017F;ehung der <hi rendition="#aq">Civil</hi> Gerichte die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Civil-Ju-<lb/>
risdiction</hi>;</hi> in An&#x017F;ehung der <hi rendition="#aq">Criminal-</hi><lb/>
&#x017F;achen die <hi rendition="#aq">Criminal Jurisdiction.</hi> Un-<lb/>
terweilen i&#x017F;t beyde die <hi rendition="#aq">Jurisdiction</hi> bey<lb/>
einem Gerichte, unterweilen aber &#x017F;ind &#x017F;ie<lb/>
getrennet. Die Ur&#x017F;ache, warumb man<lb/>
beyde <hi rendition="#aq">Jurisdiction</hi> zu trennen pflegt, i&#x017F;t<lb/>
nicht allein die Weitla&#x0364;ufftigkeit, die &#x017F;ich<lb/>
bey Unter&#x017F;uchung der Verbrechen ereignen;<lb/>
&#x017F;ondern auch weil &#x017F;ie bey gro&#x017F;&#x017F;en Verbre-<lb/>
chen, da der Ubeltha&#x0364;ter muß in Verhafft<lb/>
gebracht und in Gefa&#x0364;ngniße ernehret wer-<lb/>
den, zu Fort&#x017F;etzung der <hi rendition="#aq">Inqui&#x017F;ition</hi> Ko-<lb/>
&#x017F;ten erfordert werden. Dadurch daß die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Un-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[510/0528] Cap. 6. Von der Regierung weder die Gerichte die Streitigkeiten der Jnwohner nach denen Geſetzen und ver- helffen ihnen zu ihrem Rechte durch die Huͤlffe: oder ſie unterſuchen die Verbre- chen der Ubelthaͤter und bringen ſie zu ver- dienter Straffe. Die erſte Gerichte wer- den Civil-Gerichte oder buͤrgerliche Gerichte genennet, denn die Sachen, welche ſie tractiren, nennet man Civil- Sachen oder buͤrgerliche Sachen, das iſt, Sachen, die unter Buͤrgern vorkom- men: die anderen hingegen heiſſen Cri- minal Gerichte, denn die Ubertretungen der Geſetze, die man im gemeinen We- ſen zu beſtraffen pfleget, heiſſen Criminal- Sachen. Die Gewalt Gerichte zu hegen, nennet man die Jurisdiction, und alſo in Anſehung der Civil Gerichte die Civil-Ju- risdiction; in Anſehung der Criminal- ſachen die Criminal Jurisdiction. Un- terweilen iſt beyde die Jurisdiction bey einem Gerichte, unterweilen aber ſind ſie getrennet. Die Urſache, warumb man beyde Jurisdiction zu trennen pflegt, iſt nicht allein die Weitlaͤufftigkeit, die ſich bey Unterſuchung der Verbrechen ereignen; ſondern auch weil ſie bey groſſen Verbre- chen, da der Ubelthaͤter muß in Verhafft gebracht und in Gefaͤngniße ernehret wer- den, zu Fortſetzung der Inquiſition Ko- ſten erfordert werden. Dadurch daß die Un-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/528
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/528>, abgerufen am 26.11.2024.