Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 5. Von der Macht
wo es an Gelde und Unterthanen fehlet:
so ist auch die Macht in einem reichen und
bevölckerten Staate grösser als in einem
geringern. Da nun die Macht in einem
Königreiche entweder allein, oder doch grö-
sten Theils bey einem Könige stehet (§.
453.), auch in Ansehung auswärtiger es
einerley ist, ob sie der König gantz alleine
hat, oder noch andere in dem Staate et-
was davon theilhafftig werden; so hat ein
König in einem reichen und bevölckerten
Staate mehr Macht als einer in einem
dürfftigen und wo wenige Unterthanen sind.
Und solchergestalt sind sowohl die Könige
als auch die Staate der Macht nach von
einander unterschieden, und, wo ein Staat
und in demselben ein König mächtig seyn
sol, da müssen viele und reiche Untertha-
nen seyn. Man siehet aber auch leicht,
welcher Theil der Macht der andern vor-
zuziehen sey. Nemlich Reichthum über-
trifft die Anzahl der Unterthanen: denn wo
Geld genung ist eine Armee zu erhalten, da
kan man im Falle der Noth leicht auswer-
tige zu Soldaten bekommen; hingegen
wenn gleich Mannschafft genung im Lande
ist, die das Gewehr ergreiffen kan, es feh-
let aber an Gelde die Armee zu unterhal-
ten, so kan einen die Menge der Untertha-
nen wenig holffen. Wann also eines seh-
len soll, so ist es besser, wenn das letztere

fehlet.

Cap. 5. Von der Macht
wo es an Gelde und Unterthanen fehlet:
ſo iſt auch die Macht in einem reichen und
bevoͤlckerten Staate groͤſſer als in einem
geringern. Da nun die Macht in einem
Koͤnigreiche entweder allein, oder doch groͤ-
ſten Theils bey einem Koͤnige ſtehet (§.
453.), auch in Anſehung auswaͤrtiger es
einerley iſt, ob ſie der Koͤnig gantz alleine
hat, oder noch andere in dem Staate et-
was davon theilhafftig werden; ſo hat ein
Koͤnig in einem reichen und bevoͤlckerten
Staate mehr Macht als einer in einem
duͤrfftigen und wo wenige Unterthanen ſind.
Und ſolchergeſtalt ſind ſowohl die Koͤnige
als auch die Staate der Macht nach von
einander unterſchieden, und, wo ein Staat
und in demſelben ein Koͤnig maͤchtig ſeyn
ſol, da muͤſſen viele und reiche Untertha-
nen ſeyn. Man ſiehet aber auch leicht,
welcher Theil der Macht der andern vor-
zuziehen ſey. Nemlich Reichthum uͤber-
trifft die Anzahl der Unterthanen: denn wo
Geld genung iſt eine Armee zu erhalten, da
kan man im Falle der Noth leicht auswer-
tige zu Soldaten bekommen; hingegen
wenn gleich Mannſchafft genung im Lande
iſt, die das Gewehr ergreiffen kan, es feh-
let aber an Gelde die Armee zu unterhal-
ten, ſo kan einen die Menge der Untertha-
nen wenig holffen. Wann alſo eines ſeh-
len ſoll, ſo iſt es beſſer, wenn das letztere

fehlet.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0504" n="486"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 5. Von der Macht</hi></fw><lb/>
wo es an Gelde und Unterthanen fehlet:<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t auch die Macht in einem reichen und<lb/>
bevo&#x0364;lckerten Staate gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er als in einem<lb/>
geringern. Da nun die Macht in einem<lb/>
Ko&#x0364;nigreiche entweder allein, oder doch gro&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten Theils bey einem Ko&#x0364;nige &#x017F;tehet (§.<lb/>
453.), auch in An&#x017F;ehung auswa&#x0364;rtiger es<lb/>
einerley i&#x017F;t, ob &#x017F;ie der Ko&#x0364;nig gantz alleine<lb/>
hat, oder noch andere in dem Staate et-<lb/>
was davon theilhafftig werden; &#x017F;o hat ein<lb/>
Ko&#x0364;nig in einem reichen und bevo&#x0364;lckerten<lb/>
Staate mehr Macht als einer in einem<lb/>
du&#x0364;rfftigen und wo wenige Unterthanen &#x017F;ind.<lb/>
Und &#x017F;olcherge&#x017F;talt &#x017F;ind &#x017F;owohl die Ko&#x0364;nige<lb/>
als auch die Staate der Macht nach von<lb/>
einander unter&#x017F;chieden, und, wo ein Staat<lb/>
und in dem&#x017F;elben ein Ko&#x0364;nig ma&#x0364;chtig &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;ol, da mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en viele und reiche Untertha-<lb/>
nen &#x017F;eyn. Man &#x017F;iehet aber auch leicht,<lb/>
welcher Theil der Macht der andern vor-<lb/>
zuziehen &#x017F;ey. Nemlich Reichthum u&#x0364;ber-<lb/>
trifft die Anzahl der Unterthanen: denn wo<lb/>
Geld genung i&#x017F;t eine Armee zu erhalten, da<lb/>
kan man im Falle der Noth leicht auswer-<lb/>
tige zu Soldaten bekommen; hingegen<lb/>
wenn gleich Mann&#x017F;chafft genung im Lande<lb/>
i&#x017F;t, die das Gewehr ergreiffen kan, es feh-<lb/>
let aber an Gelde die Armee zu unterhal-<lb/>
ten, &#x017F;o kan einen die Menge der Untertha-<lb/>
nen wenig holffen. Wann al&#x017F;o eines &#x017F;eh-<lb/>
len &#x017F;oll, &#x017F;o i&#x017F;t es be&#x017F;&#x017F;er, wenn das letztere<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">fehlet.</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[486/0504] Cap. 5. Von der Macht wo es an Gelde und Unterthanen fehlet: ſo iſt auch die Macht in einem reichen und bevoͤlckerten Staate groͤſſer als in einem geringern. Da nun die Macht in einem Koͤnigreiche entweder allein, oder doch groͤ- ſten Theils bey einem Koͤnige ſtehet (§. 453.), auch in Anſehung auswaͤrtiger es einerley iſt, ob ſie der Koͤnig gantz alleine hat, oder noch andere in dem Staate et- was davon theilhafftig werden; ſo hat ein Koͤnig in einem reichen und bevoͤlckerten Staate mehr Macht als einer in einem duͤrfftigen und wo wenige Unterthanen ſind. Und ſolchergeſtalt ſind ſowohl die Koͤnige als auch die Staate der Macht nach von einander unterſchieden, und, wo ein Staat und in demſelben ein Koͤnig maͤchtig ſeyn ſol, da muͤſſen viele und reiche Untertha- nen ſeyn. Man ſiehet aber auch leicht, welcher Theil der Macht der andern vor- zuziehen ſey. Nemlich Reichthum uͤber- trifft die Anzahl der Unterthanen: denn wo Geld genung iſt eine Armee zu erhalten, da kan man im Falle der Noth leicht auswer- tige zu Soldaten bekommen; hingegen wenn gleich Mannſchafft genung im Lande iſt, die das Gewehr ergreiffen kan, es feh- let aber an Gelde die Armee zu unterhal- ten, ſo kan einen die Menge der Untertha- nen wenig holffen. Wann alſo eines ſeh- len ſoll, ſo iſt es beſſer, wenn das letztere fehlet.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/504
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/504>, abgerufen am 27.07.2024.