Billigkeit nicht allzu nahe getreten wird (§. 401). Weil nun der Verstand mit den Jahren wächset; so pfleget man gewisse Jahre zu bestimmen, nach deren Verlauff einer für mündig geachtet wird. Nun kan es wohl freylich geschehen, daß einige eher, andere später in den Stand kommen, dar- innen sie sich selber versorgen und regieren können; allein ich habe schon erinnert, daß es genung sey, wenn man sich nach den meisten richtet. Sind einige, die ihnen selbst gar zu übel vorstehen, auch wenn sie das Alter erreichet, da ihre Minderjährig- keit aufhören sol; so kan man für sie gar leicht eine Ausnahme machen. Derglei- chen ist das Gesetze, daß man Verschwen- dern einen Vewalter ihrer Güter setzet und sie zugleich als Minderjährige unter seine Gewalt giebet, damit sie vor sich keinen Vertrag und Vergleich machen können, der nach den Rechten für gültig geachtet wür- de.
Von Ver- äuserung der Un- mündi- gen Güt- ter.
§. 430.
Ein Vormund kan von des Un- mündigen Vermögen nichts veräussern oh- ne Vorwissen anderer, die vor der Kinder Bestes geneiget sind (§. 149). Da nun zum Besten der Unmündigen ein besonders Vor- mundschaffts-Ambt zu bestellen ist (§. 396); so können die bürgerlichen Gesetze verord- nen, daß kein Vormund weder von beweg- lichen, noch unbeweglichen Gütern des un-
mündi-
Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
Billigkeit nicht allzu nahe getreten wird (§. 401). Weil nun der Verſtand mit den Jahren waͤchſet; ſo pfleget man gewiſſe Jahre zu beſtimmen, nach deren Verlauff einer fuͤr muͤndig geachtet wird. Nun kan es wohl freylich geſchehen, daß einige eher, andere ſpaͤter in den Stand kommen, dar- innen ſie ſich ſelber verſorgen und regieren koͤnnen; allein ich habe ſchon erinnert, daß es genung ſey, wenn man ſich nach den meiſten richtet. Sind einige, die ihnen ſelbſt gar zu uͤbel vorſtehen, auch wenn ſie das Alter erreichet, da ihre Minderjaͤhrig- keit aufhoͤren ſol; ſo kan man fuͤr ſie gar leicht eine Ausnahme machen. Derglei- chen iſt das Geſetze, daß man Verſchwen- dern einen Vewalter ihrer Guͤter ſetzet und ſie zugleich als Minderjaͤhrige unter ſeine Gewalt giebet, damit ſie vor ſich keinen Vertrag und Vergleich machen koͤnnen, der nach den Rechten fuͤr guͤltig geachtet wuͤr- de.
Von Ver- aͤuſerung der Un- muͤndi- gen Guͤt- ter.
§. 430.
Ein Vormund kan von des Un- muͤndigen Vermoͤgen nichts veraͤuſſern oh- ne Vorwiſſen anderer, die vor der Kinder Beſtes geneiget ſind (§. 149). Da nun zum Beſten der Unmuͤndigen ein beſonders Vor- mundſchaffts-Ambt zu beſtellen iſt (§. 396); ſo koͤnnen die buͤrgerlichen Geſetze verord- nen, daß kein Vormund weder von beweg- lichen, noch unbeweglichen Guͤtern des un-
muͤndi-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0468"n="450"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Cap. 4. Von den buͤrgerlichen</hi></fw><lb/>
Billigkeit nicht allzu nahe getreten wird (§.<lb/>
401). Weil nun der Verſtand mit den<lb/>
Jahren waͤchſet; ſo pfleget man gewiſſe<lb/>
Jahre zu beſtimmen, nach deren Verlauff<lb/>
einer fuͤr muͤndig geachtet wird. Nun kan<lb/>
es wohl freylich geſchehen, daß einige eher,<lb/>
andere ſpaͤter in den Stand kommen, dar-<lb/>
innen ſie ſich ſelber verſorgen und regieren<lb/>
koͤnnen; allein ich habe ſchon erinnert, daß<lb/>
es genung ſey, wenn man ſich nach den<lb/>
meiſten richtet. Sind einige, die ihnen<lb/>ſelbſt gar zu uͤbel vorſtehen, auch wenn ſie<lb/>
das Alter erreichet, da ihre Minderjaͤhrig-<lb/>
keit aufhoͤren ſol; ſo kan man fuͤr ſie gar<lb/>
leicht eine Ausnahme machen. Derglei-<lb/>
chen iſt das Geſetze, daß man Verſchwen-<lb/>
dern einen Vewalter ihrer Guͤter ſetzet und<lb/>ſie zugleich als Minderjaͤhrige unter ſeine<lb/>
Gewalt giebet, damit ſie vor ſich keinen<lb/>
Vertrag und Vergleich machen koͤnnen, der<lb/>
nach den Rechten fuͤr guͤltig geachtet wuͤr-<lb/>
de.</p><lb/><noteplace="left">Von Ver-<lb/>
aͤuſerung<lb/>
der Un-<lb/>
muͤndi-<lb/>
gen Guͤt-<lb/>
ter.</note></div><lb/><divn="4"><head>§. 430.</head><p>Ein Vormund kan von des Un-<lb/>
muͤndigen Vermoͤgen nichts veraͤuſſern oh-<lb/>
ne Vorwiſſen anderer, die vor der Kinder<lb/>
Beſtes geneiget ſind (§. 149). Da nun zum<lb/>
Beſten der Unmuͤndigen ein beſonders Vor-<lb/>
mundſchaffts-Ambt zu beſtellen iſt (§. 396);<lb/>ſo koͤnnen die buͤrgerlichen Geſetze verord-<lb/>
nen, daß kein Vormund weder von beweg-<lb/>
lichen, noch unbeweglichen Guͤtern des un-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">muͤndi-</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[450/0468]
Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
Billigkeit nicht allzu nahe getreten wird (§.
401). Weil nun der Verſtand mit den
Jahren waͤchſet; ſo pfleget man gewiſſe
Jahre zu beſtimmen, nach deren Verlauff
einer fuͤr muͤndig geachtet wird. Nun kan
es wohl freylich geſchehen, daß einige eher,
andere ſpaͤter in den Stand kommen, dar-
innen ſie ſich ſelber verſorgen und regieren
koͤnnen; allein ich habe ſchon erinnert, daß
es genung ſey, wenn man ſich nach den
meiſten richtet. Sind einige, die ihnen
ſelbſt gar zu uͤbel vorſtehen, auch wenn ſie
das Alter erreichet, da ihre Minderjaͤhrig-
keit aufhoͤren ſol; ſo kan man fuͤr ſie gar
leicht eine Ausnahme machen. Derglei-
chen iſt das Geſetze, daß man Verſchwen-
dern einen Vewalter ihrer Guͤter ſetzet und
ſie zugleich als Minderjaͤhrige unter ſeine
Gewalt giebet, damit ſie vor ſich keinen
Vertrag und Vergleich machen koͤnnen, der
nach den Rechten fuͤr guͤltig geachtet wuͤr-
de.
§. 430.Ein Vormund kan von des Un-
muͤndigen Vermoͤgen nichts veraͤuſſern oh-
ne Vorwiſſen anderer, die vor der Kinder
Beſtes geneiget ſind (§. 149). Da nun zum
Beſten der Unmuͤndigen ein beſonders Vor-
mundſchaffts-Ambt zu beſtellen iſt (§. 396);
ſo koͤnnen die buͤrgerlichen Geſetze verord-
nen, daß kein Vormund weder von beweg-
lichen, noch unbeweglichen Guͤtern des un-
muͤndi-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/468>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.