man auch nirgends mehrerer Ausflüchte sich versehen, als wenn man einen Bürgen angreiffet. Und umb dieser Ursache wil- len muß man so wenig als nur immer mö- glich ist durch die Gesetze dazu Anlaß ge- ben. Je allgemeiner die Gesetze sind, je weniger finden Ausflüchte stat. Denn die Ausflüchte werden gemacht, wo viel besondere Umbstände zu determiniren sind, wenn man ein Gesetze anbringen wil. Und demnach ist es nicht übel gethan, wenn die Gesetze von Bürgschafften so allge- mein gemacht werden, als nur immer mö- glich ist. Ein jeder siehet ohne mein Erin- nern, daß, was ich hier von Bürgschaffts- Gesetzen gesaget habe, in allen übrigen Fällen gielt, wo das Gesetze einem zur Last werden wil und man daher Ausflüch- te suchet.
§. 428.
Wann ein Weib so viel Ver-Von Erb- schafften/ son der- lich der Eheleu- te. mögen vor sich hat, daß sie nach des Man- nes Tode bloß von dem Jhrigen ihrem Stande gemäß und so vergnügt, als vor- hin, leben kan; so ist der Mann nach na- türlichen Rechten nicht verbunden ihr et- was zuvermachen, als in soweit er sich in ihren Unverstand schicket, und ihr den Argwohn benehmen wil, als wenn er sie nicht aufrichtig geliebet hätte (§. 79). Wo sie von dem Jhrigen allein nach des Man- nes Tode nicht mehr ihrem Stande ge-
mäß,
Geſetzen.
man auch nirgends mehrerer Ausfluͤchte ſich verſehen, als wenn man einen Buͤrgen angreiffet. Und umb dieſer Urſache wil- len muß man ſo wenig als nur immer moͤ- glich iſt durch die Geſetze dazu Anlaß ge- ben. Je allgemeiner die Geſetze ſind, je weniger finden Ausfluͤchte ſtat. Denn die Ausfluͤchte werden gemacht, wo viel beſondere Umbſtaͤnde zu determiniren ſind, wenn man ein Geſetze anbringen wil. Und demnach iſt es nicht uͤbel gethan, wenn die Geſetze von Buͤrgſchafften ſo allge- mein gemacht werden, als nur immer moͤ- glich iſt. Ein jeder ſiehet ohne mein Erin- nern, daß, was ich hier von Buͤrgſchaffts- Geſetzen geſaget habe, in allen uͤbrigen Faͤllen gielt, wo das Geſetze einem zur Laſt werden wil und man daher Ausfluͤch- te ſuchet.
§. 428.
Wann ein Weib ſo viel Ver-Von Erb- ſchafften/ ſon der- lich der Eheleu- te. moͤgen vor ſich hat, daß ſie nach des Man- nes Tode bloß von dem Jhrigen ihrem Stande gemaͤß und ſo vergnuͤgt, als vor- hin, leben kan; ſo iſt der Mann nach na- tuͤrlichen Rechten nicht verbunden ihr et- was zuvermachen, als in ſoweit er ſich in ihren Unverſtand ſchicket, und ihr den Argwohn benehmen wil, als wenn er ſie nicht aufrichtig geliebet haͤtte (§. 79). Wo ſie von dem Jhrigen allein nach des Man- nes Tode nicht mehr ihrem Stande ge-
maͤß,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0463"n="445"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Geſetzen.</hi></fw><lb/>
man auch nirgends mehrerer Ausfluͤchte<lb/>ſich verſehen, als wenn man einen Buͤrgen<lb/>
angreiffet. Und umb dieſer Urſache wil-<lb/>
len muß man ſo wenig als nur immer moͤ-<lb/>
glich iſt durch die Geſetze dazu Anlaß ge-<lb/>
ben. Je allgemeiner die Geſetze ſind, je<lb/>
weniger finden Ausfluͤchte ſtat. Denn<lb/>
die Ausfluͤchte werden gemacht, wo viel<lb/>
beſondere Umbſtaͤnde zu <hirendition="#aq">determinir</hi>en<lb/>ſind, wenn man ein Geſetze anbringen wil.<lb/>
Und demnach iſt es nicht uͤbel gethan, wenn<lb/>
die Geſetze von Buͤrgſchafften ſo allge-<lb/>
mein gemacht werden, als nur immer moͤ-<lb/>
glich iſt. Ein jeder ſiehet ohne mein Erin-<lb/>
nern, daß, was ich hier von Buͤrgſchaffts-<lb/>
Geſetzen geſaget habe, in allen uͤbrigen<lb/>
Faͤllen gielt, wo das Geſetze einem zur<lb/>
Laſt werden wil und man daher Ausfluͤch-<lb/>
te ſuchet.</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 428.</head><p>Wann ein Weib ſo viel Ver-<noteplace="right">Von Erb-<lb/>ſchafften/<lb/>ſon der-<lb/>
lich der<lb/>
Eheleu-<lb/>
te.</note><lb/>
moͤgen vor ſich hat, daß ſie nach des Man-<lb/>
nes Tode bloß von dem Jhrigen ihrem<lb/>
Stande gemaͤß und ſo vergnuͤgt, als vor-<lb/>
hin, leben kan; ſo iſt der Mann nach na-<lb/>
tuͤrlichen Rechten nicht verbunden ihr et-<lb/>
was zuvermachen, als in ſoweit er ſich in<lb/>
ihren Unverſtand ſchicket, und ihr den<lb/>
Argwohn benehmen wil, als wenn er ſie<lb/>
nicht aufrichtig geliebet haͤtte (§. 79). Wo<lb/>ſie von dem Jhrigen allein nach des Man-<lb/>
nes Tode nicht mehr ihrem Stande ge-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">maͤß,</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[445/0463]
Geſetzen.
man auch nirgends mehrerer Ausfluͤchte
ſich verſehen, als wenn man einen Buͤrgen
angreiffet. Und umb dieſer Urſache wil-
len muß man ſo wenig als nur immer moͤ-
glich iſt durch die Geſetze dazu Anlaß ge-
ben. Je allgemeiner die Geſetze ſind, je
weniger finden Ausfluͤchte ſtat. Denn
die Ausfluͤchte werden gemacht, wo viel
beſondere Umbſtaͤnde zu determiniren
ſind, wenn man ein Geſetze anbringen wil.
Und demnach iſt es nicht uͤbel gethan, wenn
die Geſetze von Buͤrgſchafften ſo allge-
mein gemacht werden, als nur immer moͤ-
glich iſt. Ein jeder ſiehet ohne mein Erin-
nern, daß, was ich hier von Buͤrgſchaffts-
Geſetzen geſaget habe, in allen uͤbrigen
Faͤllen gielt, wo das Geſetze einem zur
Laſt werden wil und man daher Ausfluͤch-
te ſuchet.
§. 428.Wann ein Weib ſo viel Ver-
moͤgen vor ſich hat, daß ſie nach des Man-
nes Tode bloß von dem Jhrigen ihrem
Stande gemaͤß und ſo vergnuͤgt, als vor-
hin, leben kan; ſo iſt der Mann nach na-
tuͤrlichen Rechten nicht verbunden ihr et-
was zuvermachen, als in ſoweit er ſich in
ihren Unverſtand ſchicket, und ihr den
Argwohn benehmen wil, als wenn er ſie
nicht aufrichtig geliebet haͤtte (§. 79). Wo
ſie von dem Jhrigen allein nach des Man-
nes Tode nicht mehr ihrem Stande ge-
maͤß,
Von Erb-
ſchafften/
ſon der-
lich der
Eheleu-
te.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/463>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.