Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 4. Von den bürgerlichen ner angreiffen und durch Hülffe die Schuldvon ihm eintreiben kan (§. 341), als der Bürge, und dieser hingegen in Gefahr ge- setzet wird das Geld, was er für jenen zah- let, gar zuverlieren: so ist es der natürli- chen Billigkeit gemäß, als vermöge wel- cher man niemanden in Schaden bringen sol (§. 824. Mor.), daß der Glaubiger den Schuldner mit der Schärffe angreiffe, ob er gleich leichter die Zahlung von dem Bürgen haben kan, auch dieser sich erklä- ret, er wolle so fort, wenn der Schuldner nicht zu bestimmter Zeit Abtrag thut, als Selbst-Schuldner hafften. Allein da ein jeder sich bemühen würde dergleichen Vor- wand zu erdichten, wenn er seinem Ver- sprechen nach als Selbst-Schuldner sollte angesehen werden, und daher in vielen, ja den meisten Fällen, unnöthiger Streit ent- stünde; so können die bürgerlichen Gesetze schlechter Dinges vergönnen den jenigen durch Hülffe zu Bezahlung der Schuld so gleich zubringen, ohne sich an den Schuld- ner zuhalten, der versprochen als Selbst- Schuldner zuhafften, wenn der Schuld- ner nicht zur bestimmten Zeit inne hält (§. 401). Es thut den Leuten nichts we- her als wenn sie fremde Schulden bezah- len sollen, und werden unwillig, wenn ih- nen zur Last werden sol, daß sie andern einen Gefallen erwiesen. Derowegen kan man
Cap. 4. Von den buͤrgerlichen ner angreiffen und durch Huͤlffe die Schuldvon ihm eintreiben kan (§. 341), als der Buͤrge, und dieſer hingegen in Gefahr ge- ſetzet wird das Geld, was er fuͤr jenen zah- let, gar zuverlieren: ſo iſt es der natuͤrli- chen Billigkeit gemaͤß, als vermoͤge wel- cher man niemanden in Schaden bringen ſol (§. 824. Mor.), daß der Glaubiger den Schuldner mit der Schaͤrffe angreiffe, ob er gleich leichter die Zahlung von dem Buͤrgen haben kan, auch dieſer ſich erklaͤ- ret, er wolle ſo fort, wenn der Schuldner nicht zu beſtimmter Zeit Abtrag thut, als Selbſt-Schuldner hafften. Allein da ein jeder ſich bemuͤhen wuͤrde dergleichen Vor- wand zu erdichten, wenn er ſeinem Ver- ſprechen nach als Selbſt-Schuldner ſollte angeſehen werden, und daher in vielen, ja den meiſten Faͤllen, unnoͤthiger Streit ent- ſtuͤnde; ſo koͤnnen die buͤrgerlichen Geſetze ſchlechter Dinges vergoͤnnen den jenigen durch Huͤlffe zu Bezahlung der Schuld ſo gleich zubringen, ohne ſich an den Schuld- ner zuhalten, der verſprochen als Selbſt- Schuldner zuhafften, wenn der Schuld- ner nicht zur beſtimmten Zeit inne haͤlt (§. 401). Es thut den Leuten nichts we- her als wenn ſie fremde Schulden bezah- len ſollen, und werden unwillig, wenn ih- nen zur Laſt werden ſol, daß ſie andern einen Gefallen erwieſen. Derowegen kan man
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Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
ner angreiffen und durch Huͤlffe die Schuld
von ihm eintreiben kan (§. 341), als der
Buͤrge, und dieſer hingegen in Gefahr ge-
ſetzet wird das Geld, was er fuͤr jenen zah-
let, gar zuverlieren: ſo iſt es der natuͤrli-
chen Billigkeit gemaͤß, als vermoͤge wel-
cher man niemanden in Schaden bringen
ſol (§. 824. Mor.), daß der Glaubiger
den Schuldner mit der Schaͤrffe angreiffe,
ob er gleich leichter die Zahlung von dem
Buͤrgen haben kan, auch dieſer ſich erklaͤ-
ret, er wolle ſo fort, wenn der Schuldner
nicht zu beſtimmter Zeit Abtrag thut, als
Selbſt-Schuldner hafften. Allein da ein
jeder ſich bemuͤhen wuͤrde dergleichen Vor-
wand zu erdichten, wenn er ſeinem Ver-
ſprechen nach als Selbſt-Schuldner ſollte
angeſehen werden, und daher in vielen, ja
den meiſten Faͤllen, unnoͤthiger Streit ent-
ſtuͤnde; ſo koͤnnen die buͤrgerlichen Geſetze
ſchlechter Dinges vergoͤnnen den jenigen
durch Huͤlffe zu Bezahlung der Schuld ſo
gleich zubringen, ohne ſich an den Schuld-
ner zuhalten, der verſprochen als Selbſt-
Schuldner zuhafften, wenn der Schuld-
ner nicht zur beſtimmten Zeit inne haͤlt
(§. 401). Es thut den Leuten nichts we-
her als wenn ſie fremde Schulden bezah-
len ſollen, und werden unwillig, wenn ih-
nen zur Laſt werden ſol, daß ſie andern
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