Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Gesetzen. stattet. Jch sehe auch nicht, wie es un-recht wäre, wenn man sie bey ihrem Le- ben nicht dulden wollte, und, woferne sie in Bedienungen lebeten, sie absetzte, oder auch ihnen ihre Handthierungen und Han- del legete. Denn ob man gleich einwenden möchte, es würden hierdurch nur Heuchler gemachet, die sich äußerlich anstelleten, als wann sie aus der Religion was machten, im Hertzen doch aber derselben gantz ent- gegen wären: so weiß doch ein jeder, daß im bürgerlichen Leben die Heucheley besser ist, als öffentlich gottlose seyn, weil da- durch das Aergernis gehoben und der Werth der Religion erhalten wird. Die bürgerliche Gesetze gehen nicht weiter als auf die äußerliche Zucht (§. 356): Das Jnnere des Gemüths vermag die bürger- liche Verbindlichkeit nicht zu ändern (§. 355). Wiederum bey dem öffentlichen Gottes-Dienste sind Ceremonien nöthig (§. 762. Mor.). Da nun diese abermahls auf vielerley Art sich einrichten lassen; so lieget der Obrigkeit ob dieselben zu deter- miniren (§. 401), wiewohl dabey des Gottesdienstes verständige Leute mit zu Rathe zu ziehen (§. 325. 406). Da die Unterthanen bereit und willig seyn sollen das jenige zuthun, was die Obrigkeit für die gemeine Wohlfahrt gut befindet (§. 232); so ist auch jeder unter ihnen ver- bun- (Politick) E e
Geſetzen. ſtattet. Jch ſehe auch nicht, wie es un-recht waͤre, wenn man ſie bey ihrem Le- ben nicht dulden wollte, und, woferne ſie in Bedienungen lebeten, ſie abſetzte, oder auch ihnen ihre Handthierungen und Han- del legete. Denn ob man gleich einwenden moͤchte, es wuͤrden hierdurch nur Heuchler gemachet, die ſich aͤußerlich anſtelleten, als wann ſie aus der Religion was machten, im Hertzen doch aber derſelben gantz ent- gegen waͤren: ſo weiß doch ein jeder, daß im buͤrgerlichen Leben die Heucheley beſſer iſt, als oͤffentlich gottloſe ſeyn, weil da- durch das Aergernis gehoben und der Werth der Religion erhalten wird. Die buͤrgerliche Geſetze gehen nicht weiter als auf die aͤußerliche Zucht (§. 356): Das Jnnere des Gemuͤths vermag die buͤrger- liche Verbindlichkeit nicht zu aͤndern (§. 355). Wiederum bey dem oͤffentlichen Gottes-Dienſte ſind Ceremonien noͤthig (§. 762. Mor.). Da nun dieſe abermahls auf vielerley Art ſich einrichten laſſen; ſo lieget der Obrigkeit ob dieſelben zu deter- miniren (§. 401), wiewohl dabey des Gottesdienſtes verſtaͤndige Leute mit zu Rathe zu ziehen (§. 325. 406). Da die Unterthanen bereit und willig ſeyn ſollen das jenige zuthun, was die Obrigkeit fuͤr die gemeine Wohlfahrt gut befindet (§. 232); ſo iſt auch jeder unter ihnen ver- bun- (Politick) E e
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Geſetzen.
ſtattet. Jch ſehe auch nicht, wie es un-
recht waͤre, wenn man ſie bey ihrem Le-
ben nicht dulden wollte, und, woferne ſie
in Bedienungen lebeten, ſie abſetzte, oder
auch ihnen ihre Handthierungen und Han-
del legete. Denn ob man gleich einwenden
moͤchte, es wuͤrden hierdurch nur Heuchler
gemachet, die ſich aͤußerlich anſtelleten, als
wann ſie aus der Religion was machten,
im Hertzen doch aber derſelben gantz ent-
gegen waͤren: ſo weiß doch ein jeder, daß
im buͤrgerlichen Leben die Heucheley beſſer
iſt, als oͤffentlich gottloſe ſeyn, weil da-
durch das Aergernis gehoben und der
Werth der Religion erhalten wird. Die
buͤrgerliche Geſetze gehen nicht weiter als
auf die aͤußerliche Zucht (§. 356): Das
Jnnere des Gemuͤths vermag die buͤrger-
liche Verbindlichkeit nicht zu aͤndern (§.
355). Wiederum bey dem oͤffentlichen
Gottes-Dienſte ſind Ceremonien noͤthig
(§. 762. Mor.). Da nun dieſe abermahls
auf vielerley Art ſich einrichten laſſen; ſo
lieget der Obrigkeit ob dieſelben zu deter-
miniren (§. 401), wiewohl dabey des
Gottesdienſtes verſtaͤndige Leute mit zu
Rathe zu ziehen (§. 325. 406). Da die
Unterthanen bereit und willig ſeyn ſollen
das jenige zuthun, was die Obrigkeit fuͤr
die gemeine Wohlfahrt gut befindet (§.
232); ſo iſt auch jeder unter ihnen ver-
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