Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Gesetzen.
was in diesem Falle der Billigkeit gemäß
sey, solte man dieses an den Landes-Her-
ren berichten, damit die Entscheidung von
ihm confirmiret würde. Wäre nun die-
ses geschehen, so würde sie nachmahls mit
den Umbständen des dazu gehörigen Fal-
les in das Gesetz-Buch eingetragen, damit
man künfftig, wenn er wieder vorkom-
met, sich darnach richten sol. Auf sol-
che Weise würden die Gesetze nach und
nach immer besser erläutert werden, und
niemand zu klagen Ursache finden, daß ihm
durch Rechte zuviel geschähe.

§. 413.

Weil alle Gesetze dahin gehen,Mit was
für Von-
sichtig-
keit rem
de Gesetze
anzuneh-
men.

daß die gemeine Wohlfahrt und Sicher-
heit erhalten wird (§. 215); so müssen sie
nach dem Zustande des gemeinen Wesens
eingerichtet werden. Derowegen wenn
der Zustand desselben sich ändert; so kön-
nen auch nicht mehr die alten Gesetze gut
bleiben, und dannenhero muß man gleich-
fals mit ihnen eine Aenderung vornehmen.
Und aus eben dieser Ursache lassen sich nicht
fremde Gesetze ohne Unterscheid annehmen,
wenn sie gleich an ihrem Orte sehr nützlich
befunden werden. Derowegen wenn man
fremde Gesetze annehmen wil, so hat man
für allen Dingen den Zustand des gemei-
nen Wesens an demjenigen Orte zu unter-
suchen, wo sie üblich sind, und daraus
den Grund derselben zu erforschen. Jst

die-
D d 4

Geſetzen.
was in dieſem Falle der Billigkeit gemaͤß
ſey, ſolte man dieſes an den Landes-Her-
ren berichten, damit die Entſcheidung von
ihm confirmiret wuͤrde. Waͤre nun die-
ſes geſchehen, ſo wuͤrde ſie nachmahls mit
den Umbſtaͤnden des dazu gehoͤrigen Fal-
les in das Geſetz-Buch eingetragen, damit
man kuͤnfftig, wenn er wieder vorkom-
met, ſich darnach richten ſol. Auf ſol-
che Weiſe wuͤrden die Geſetze nach und
nach immer beſſer erlaͤutert werden, und
niemand zu klagen Urſache finden, daß ihm
durch Rechte zuviel geſchaͤhe.

§. 413.

Weil alle Geſetze dahin gehen,Mit was
fuͤr Von-
ſichtig-
keit rem
de Geſetze
anzuneh-
men.

daß die gemeine Wohlfahrt und Sicher-
heit erhalten wird (§. 215); ſo muͤſſen ſie
nach dem Zuſtande des gemeinen Weſens
eingerichtet werden. Derowegen wenn
der Zuſtand deſſelben ſich aͤndert; ſo koͤn-
nen auch nicht mehr die alten Geſetze gut
bleiben, und dannenhero muß man gleich-
fals mit ihnen eine Aenderung vornehmen.
Und aus eben dieſer Urſache laſſen ſich nicht
fremde Geſetze ohne Unterſcheid annehmen,
wenn ſie gleich an ihrem Orte ſehr nuͤtzlich
befunden werden. Derowegen wenn man
fremde Geſetze annehmen wil, ſo hat man
fuͤr allen Dingen den Zuſtand des gemei-
nen Weſens an demjenigen Orte zu unter-
ſuchen, wo ſie uͤblich ſind, und daraus
den Grund derſelben zu erforſchen. Jſt

die-
D d 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0441" n="423"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Ge&#x017F;etzen.</hi></fw><lb/>
was in die&#x017F;em Falle der Billigkeit gema&#x0364;ß<lb/>
&#x017F;ey, &#x017F;olte man die&#x017F;es an den Landes-Her-<lb/>
ren berichten, damit die Ent&#x017F;cheidung von<lb/>
ihm <hi rendition="#aq">confirmir</hi>et wu&#x0364;rde. Wa&#x0364;re nun die-<lb/>
&#x017F;es ge&#x017F;chehen, &#x017F;o wu&#x0364;rde &#x017F;ie nachmahls mit<lb/>
den Umb&#x017F;ta&#x0364;nden des dazu geho&#x0364;rigen Fal-<lb/>
les in das Ge&#x017F;etz-Buch eingetragen, damit<lb/>
man ku&#x0364;nfftig, wenn er wieder vorkom-<lb/>
met, &#x017F;ich darnach richten &#x017F;ol. Auf &#x017F;ol-<lb/>
che Wei&#x017F;e wu&#x0364;rden die Ge&#x017F;etze nach und<lb/>
nach immer be&#x017F;&#x017F;er erla&#x0364;utert werden, und<lb/>
niemand zu klagen Ur&#x017F;ache finden, daß ihm<lb/>
durch Rechte zuviel ge&#x017F;cha&#x0364;he.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 413.</head>
              <p>Weil alle Ge&#x017F;etze dahin gehen,<note place="right">Mit was<lb/>
fu&#x0364;r Von-<lb/>
&#x017F;ichtig-<lb/>
keit rem<lb/>
de Ge&#x017F;etze<lb/>
anzuneh-<lb/>
men.</note><lb/>
daß die gemeine Wohlfahrt und Sicher-<lb/>
heit erhalten wird (§. 215); &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie<lb/>
nach dem Zu&#x017F;tande des gemeinen We&#x017F;ens<lb/>
eingerichtet werden. Derowegen wenn<lb/>
der Zu&#x017F;tand de&#x017F;&#x017F;elben &#x017F;ich a&#x0364;ndert; &#x017F;o ko&#x0364;n-<lb/>
nen auch nicht mehr die alten Ge&#x017F;etze gut<lb/>
bleiben, und dannenhero muß man gleich-<lb/>
fals mit ihnen eine Aenderung vornehmen.<lb/>
Und aus eben die&#x017F;er Ur&#x017F;ache la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nicht<lb/>
fremde Ge&#x017F;etze ohne Unter&#x017F;cheid annehmen,<lb/>
wenn &#x017F;ie gleich an ihrem Orte &#x017F;ehr nu&#x0364;tzlich<lb/>
befunden werden. Derowegen wenn man<lb/>
fremde Ge&#x017F;etze annehmen wil, &#x017F;o hat man<lb/>
fu&#x0364;r allen Dingen den Zu&#x017F;tand des gemei-<lb/>
nen We&#x017F;ens an demjenigen Orte zu unter-<lb/>
&#x017F;uchen, wo &#x017F;ie u&#x0364;blich &#x017F;ind, und daraus<lb/>
den Grund der&#x017F;elben zu erfor&#x017F;chen. J&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D d 4</fw><fw place="bottom" type="catch">die-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[423/0441] Geſetzen. was in dieſem Falle der Billigkeit gemaͤß ſey, ſolte man dieſes an den Landes-Her- ren berichten, damit die Entſcheidung von ihm confirmiret wuͤrde. Waͤre nun die- ſes geſchehen, ſo wuͤrde ſie nachmahls mit den Umbſtaͤnden des dazu gehoͤrigen Fal- les in das Geſetz-Buch eingetragen, damit man kuͤnfftig, wenn er wieder vorkom- met, ſich darnach richten ſol. Auf ſol- che Weiſe wuͤrden die Geſetze nach und nach immer beſſer erlaͤutert werden, und niemand zu klagen Urſache finden, daß ihm durch Rechte zuviel geſchaͤhe. §. 413.Weil alle Geſetze dahin gehen, daß die gemeine Wohlfahrt und Sicher- heit erhalten wird (§. 215); ſo muͤſſen ſie nach dem Zuſtande des gemeinen Weſens eingerichtet werden. Derowegen wenn der Zuſtand deſſelben ſich aͤndert; ſo koͤn- nen auch nicht mehr die alten Geſetze gut bleiben, und dannenhero muß man gleich- fals mit ihnen eine Aenderung vornehmen. Und aus eben dieſer Urſache laſſen ſich nicht fremde Geſetze ohne Unterſcheid annehmen, wenn ſie gleich an ihrem Orte ſehr nuͤtzlich befunden werden. Derowegen wenn man fremde Geſetze annehmen wil, ſo hat man fuͤr allen Dingen den Zuſtand des gemei- nen Weſens an demjenigen Orte zu unter- ſuchen, wo ſie uͤblich ſind, und daraus den Grund derſelben zu erforſchen. Jſt die- Mit was fuͤr Von- ſichtig- keit rem de Geſetze anzuneh- men. D d 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/441
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/441>, abgerufen am 07.05.2024.