Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 4. Von den bürgerlichen daher desto williger seyn ihnen ohne äus-serlichen Zwang und nicht aus blosser Furch. Gehorsam zu leisten. Unterdessen weil doch zum Gebrauch der Statutorum beqvemer ist, wenn die Gesetze kurtz hin- ter einander ohne andere weitläuftige Di- scurse darinnen niedergeschrieben sind; so könte man allzeit die Statute doppelt ver- fertigen, einmahl zum täglichen Gebrau- che ohne einige Erläuterung, darnach auch zu besserem Verstande derselben mit beyge- fügten Gründen und sonst nöthiger Aus- führung. Jch weiß wohl, es werde eini- gen dieses seltsam vorkommen, weil es un- gewöhnlich ist; allein man muß mir zei- gen, woferne man es verwerffen wil, daß es nicht vernünfftig sey. Und dieses mag man auch in anderen Fällen mercken. Ein blinder Gehorsam ist nöthig, wo ein Ge- setzgeber sich nicht recht weiß und unbilli- ge Gesetze giebet: allein wo dieses nicht ge- schiehet, sondern die Gesetze vielmehr mit Verstande gegeben werden, da ist es dem Gesetzgeber angenehm, wenn die Untertha- nen seine Wahrheit und Gütte erkennen ler- nen. über Ge- setze fest zu halten. §. 409. Damit sich jedermann nach daß
Cap. 4. Von den buͤrgerlichen daher deſto williger ſeyn ihnen ohne aͤuſ-ſerlichen Zwang und nicht aus bloſſer Furch. Gehorſam zu leiſten. Unterdeſſen weil doch zum Gebrauch der Statutorum beqvemer iſt, wenn die Geſetze kurtz hin- ter einander ohne andere weitlaͤuftige Di- ſcurſe darinnen niedergeſchrieben ſind; ſo koͤnte man allzeit die Statute doppelt ver- fertigen, einmahl zum taͤglichen Gebrau- che ohne einige Erlaͤuterung, darnach auch zu beſſerem Verſtande derſelben mit beyge- fuͤgten Gruͤnden und ſonſt noͤthiger Aus- fuͤhrung. Jch weiß wohl, es werde eini- gen dieſes ſeltſam vorkommen, weil es un- gewoͤhnlich iſt; allein man muß mir zei- gen, woferne man es verwerffen wil, daß es nicht vernuͤnfftig ſey. Und dieſes mag man auch in anderen Faͤllen mercken. Ein blinder Gehorſam iſt noͤthig, wo ein Ge- ſetzgeber ſich nicht recht weiß und unbilli- ge Geſetze giebet: allein wo dieſes nicht ge- ſchiehet, ſondern die Geſetze vielmehr mit Verſtande gegeben werden, da iſt es dem Geſetzgeber angenehm, wenn die Untertha- nen ſeine Wahrheit und Guͤtte erkennen ler- nen. uͤber Ge- ſetze feſt zu halten. §. 409. Damit ſich jedermann nach daß
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Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
daher deſto williger ſeyn ihnen ohne aͤuſ-
ſerlichen Zwang und nicht aus bloſſer
Furch. Gehorſam zu leiſten. Unterdeſſen
weil doch zum Gebrauch der Statutorum
beqvemer iſt, wenn die Geſetze kurtz hin-
ter einander ohne andere weitlaͤuftige Di-
ſcurſe darinnen niedergeſchrieben ſind; ſo
koͤnte man allzeit die Statute doppelt ver-
fertigen, einmahl zum taͤglichen Gebrau-
che ohne einige Erlaͤuterung, darnach auch
zu beſſerem Verſtande derſelben mit beyge-
fuͤgten Gruͤnden und ſonſt noͤthiger Aus-
fuͤhrung. Jch weiß wohl, es werde eini-
gen dieſes ſeltſam vorkommen, weil es un-
gewoͤhnlich iſt; allein man muß mir zei-
gen, woferne man es verwerffen wil, daß
es nicht vernuͤnfftig ſey. Und dieſes mag
man auch in anderen Faͤllen mercken. Ein
blinder Gehorſam iſt noͤthig, wo ein Ge-
ſetzgeber ſich nicht recht weiß und unbilli-
ge Geſetze giebet: allein wo dieſes nicht ge-
ſchiehet, ſondern die Geſetze vielmehr mit
Verſtande gegeben werden, da iſt es dem
Geſetzgeber angenehm, wenn die Untertha-
nen ſeine Wahrheit und Guͤtte erkennen ler-
nen.
§. 409.Damit ſich jedermann nach
den Geſetzen richte, ſo muß man mit allem
Fleiße daruͤber halten, und niemanden zu
Gefallen davon abweichen: oder wenn es
ja einige beſondere Umſtaͤnde erfordern,
daß
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