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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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des gemeinen Wesens.
dulden sol. Allein wenn diese Leute lieder-
lich leben, in den Ländern herumstreiffen,
das Geld hinaustragen, zu verderblichem
Zeit-Verlust vielen Anlaß geben u. sie von
ihren Verrichtungen abhalten (welches die
Ursachen sind, so sie verhaßt machen): so
geschiehet solches nicht wegen ihrer Kunst,
sondern vielmehr aus anderen Ursachen,
die von ihr gar wohl sich absondern lassen,
als z. E. daß sie bey ihrer Kunst ordentli-
cher Weise nicht ihr Brodt finden. Wenn
man demnach durch gute Verfassungen den
Mißbrauch verhüttet; so können die Kün-
ste an sich gar wohl zu einer unschuldigen
Ergötzung dienen. Es fället aber so wohl
in diesen als anderen dergleichen Fällen
nicht schweer jedesmahl den Gebrauch von
dem Mißbrauche abzusondern, wenn man
nur fleißig erweget, was schon vorhin er-
wehnet worden (§. 389), nehmlich daß al-
le Lust unschuldig ist und ohne Bedencken
kan genossen werden, woferne man verhü-
ten kan, daß sie nichts mißvergnügliches
nach sich ziehet. Und demnach übergehe
ich mit Stillschweigen, was noch sonst von
andern Ergötzlichkeiten der Augen, oder
vielmehr des Gemüthes, so durch die Au-
gen kommet, sich sagen liesse. Damit ich
aber niemanden zu wiedrigen Gedancken
Anlaß gebe, so finde ich noch nöthig zu er-
innern, daß an seinem Orte angezeiget
werden sol, was etwan verderbliches bey ei-

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des gemeinen Weſens.
dulden ſol. Allein wenn dieſe Leute lieder-
lich leben, in den Laͤndern herumſtreiffen,
das Geld hinaustragen, zu verderblichem
Zeit-Verluſt vielen Anlaß geben u. ſie von
ihren Verrichtungen abhalten (welches die
Urſachen ſind, ſo ſie verhaßt machen): ſo
geſchiehet ſolches nicht wegen ihrer Kunſt,
ſondern vielmehr aus anderen Urſachen,
die von ihr gar wohl ſich abſondern laſſen,
als z. E. daß ſie bey ihrer Kunſt ordentli-
cher Weiſe nicht ihr Brodt finden. Wenn
man demnach durch gute Verfaſſungen den
Mißbrauch verhuͤttet; ſo koͤnnen die Kuͤn-
ſte an ſich gar wohl zu einer unſchuldigen
Ergoͤtzung dienen. Es faͤllet aber ſo wohl
in dieſen als anderen dergleichen Faͤllen
nicht ſchweer jedesmahl den Gebrauch von
dem Mißbrauche abzuſondern, wenn man
nur fleißig erweget, was ſchon vorhin er-
wehnet worden (§. 389), nehmlich daß al-
le Luſt unſchuldig iſt und ohne Bedencken
kan genoſſen werden, woferne man verhuͤ-
ten kan, daß ſie nichts mißvergnuͤgliches
nach ſich ziehet. Und demnach uͤbergehe
ich mit Stillſchweigen, was noch ſonſt von
andern Ergoͤtzlichkeiten der Augen, oder
vielmehr des Gemuͤthes, ſo durch die Au-
gen kommet, ſich ſagen lieſſe. Damit ich
aber niemanden zu wiedrigen Gedancken
Anlaß gebe, ſo finde ich noch noͤthig zu er-
innern, daß an ſeinem Orte angezeiget
werden ſol, was etwan verderbliches bey ei-

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[377/0395] des gemeinen Weſens. dulden ſol. Allein wenn dieſe Leute lieder- lich leben, in den Laͤndern herumſtreiffen, das Geld hinaustragen, zu verderblichem Zeit-Verluſt vielen Anlaß geben u. ſie von ihren Verrichtungen abhalten (welches die Urſachen ſind, ſo ſie verhaßt machen): ſo geſchiehet ſolches nicht wegen ihrer Kunſt, ſondern vielmehr aus anderen Urſachen, die von ihr gar wohl ſich abſondern laſſen, als z. E. daß ſie bey ihrer Kunſt ordentli- cher Weiſe nicht ihr Brodt finden. Wenn man demnach durch gute Verfaſſungen den Mißbrauch verhuͤttet; ſo koͤnnen die Kuͤn- ſte an ſich gar wohl zu einer unſchuldigen Ergoͤtzung dienen. Es faͤllet aber ſo wohl in dieſen als anderen dergleichen Faͤllen nicht ſchweer jedesmahl den Gebrauch von dem Mißbrauche abzuſondern, wenn man nur fleißig erweget, was ſchon vorhin er- wehnet worden (§. 389), nehmlich daß al- le Luſt unſchuldig iſt und ohne Bedencken kan genoſſen werden, woferne man verhuͤ- ten kan, daß ſie nichts mißvergnuͤgliches nach ſich ziehet. Und demnach uͤbergehe ich mit Stillſchweigen, was noch ſonſt von andern Ergoͤtzlichkeiten der Augen, oder vielmehr des Gemuͤthes, ſo durch die Au- gen kommet, ſich ſagen lieſſe. Damit ich aber niemanden zu wiedrigen Gedancken Anlaß gebe, ſo finde ich noch noͤthig zu er- innern, daß an ſeinem Orte angezeiget werden ſol, was etwan verderbliches bey ei- ner A a 5

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/395>, abgerufen am 05.05.2024.