Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.des gemeinen Wesens. lich wird niemand in Abrede seyn, daß,wenn man mit einerley Kosten ein Ge- bäude schön und schlecht bauen kan, es besser sey und vernünfftiger es schön, als schlecht zu bauen, indem ein schönes voll- kommener ist als ein schlechtes (§. 9. Ar- chit. civ.), wir sollen aber in allem, so viel möglich ist, das vollkommenere dem unvollkommeneren vorziehen. Darnach ist auch gewis, daß schöne Gebäude ein Gefallen erwecken (§. cit. Archit. civil.) und also Vergnügen machen. Da nun dieses Vergnügen kein Unvergnügen nach sich ziehet, woferne man nicht aus Unvor- sichtigkeit oder andern Ursachen mehr Geld verbauet, als man nach seinem Ver- mögen thun können; so ist es ein unschul- diges Vergnügen (§. 424. Met.) und ver- mehret die Glückseeligkeit des Menschen. Uber dieses geben. schöne und prächtige Gebäude denen, die sie besitzen und be- wohnen, ein Ansehen bey andern, sonder- lich bey gemeinen Leuten und andern, die nach dem äusserlichen Scheine zu urthei- len gewohnet sind. Jm gemeinen We- sen aber ist viel daran gelegen, daß man ein Ansehen bey andern hat, theils wegen des Credits, wenn man mit andern handeln und wandeln soll, theils auch wegen seiner Amts-Verrichtungen, wenn man sonder- lich andern zu befehlen hat. Und aus die- ser A a 2
des gemeinen Weſens. lich wird niemand in Abrede ſeyn, daß,wenn man mit einerley Koſten ein Ge- baͤude ſchoͤn und ſchlecht bauen kan, es beſſer ſey und vernuͤnfftiger es ſchoͤn, als ſchlecht zu bauen, indem ein ſchoͤnes voll- kommener iſt als ein ſchlechtes (§. 9. Ar- chit. civ.), wir ſollen aber in allem, ſo viel moͤglich iſt, das vollkommenere dem unvollkommeneren vorziehen. Darnach iſt auch gewis, daß ſchoͤne Gebaͤude ein Gefallen erwecken (§. cit. Archit. civil.) und alſo Vergnuͤgen machen. Da nun dieſes Vergnuͤgen kein Unvergnuͤgen nach ſich ziehet, woferne man nicht aus Unvor- ſichtigkeit oder andern Urſachen mehr Geld verbauet, als man nach ſeinem Ver- moͤgen thun koͤnnen; ſo iſt es ein unſchul- diges Vergnuͤgen (§. 424. Met.) und ver- mehret die Gluͤckſeeligkeit des Menſchen. Uber dieſes geben. ſchoͤne und praͤchtige Gebaͤude denen, die ſie beſitzen und be- wohnen, ein Anſehen bey andern, ſonder- lich bey gemeinen Leuten und andern, die nach dem aͤuſſerlichen Scheine zu urthei- len gewohnet ſind. Jm gemeinen We- ſen aber iſt viel daran gelegen, daß man ein Anſehen bey andern hat, theils wegen des Credits, wenn man mit andern handeln und wandeln ſoll, theils auch wegen ſeiner Amts-Verrichtungen, wenn man ſonder- lich andern zu befehlen hat. Und aus die- ſer A a 2
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des gemeinen Weſens.
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wenn man mit einerley Koſten ein Ge-
baͤude ſchoͤn und ſchlecht bauen kan, es
beſſer ſey und vernuͤnfftiger es ſchoͤn, als
ſchlecht zu bauen, indem ein ſchoͤnes voll-
kommener iſt als ein ſchlechtes (§. 9. Ar-
chit. civ.), wir ſollen aber in allem, ſo
viel moͤglich iſt, das vollkommenere dem
unvollkommeneren vorziehen. Darnach
iſt auch gewis, daß ſchoͤne Gebaͤude ein
Gefallen erwecken (§. cit. Archit. civil.)
und alſo Vergnuͤgen machen. Da nun
dieſes Vergnuͤgen kein Unvergnuͤgen nach
ſich ziehet, woferne man nicht aus Unvor-
ſichtigkeit oder andern Urſachen mehr
Geld verbauet, als man nach ſeinem Ver-
moͤgen thun koͤnnen; ſo iſt es ein unſchul-
diges Vergnuͤgen (§. 424. Met.) und ver-
mehret die Gluͤckſeeligkeit des Menſchen.
Uber dieſes geben. ſchoͤne und praͤchtige
Gebaͤude denen, die ſie beſitzen und be-
wohnen, ein Anſehen bey andern, ſonder-
lich bey gemeinen Leuten und andern, die
nach dem aͤuſſerlichen Scheine zu urthei-
len gewohnet ſind. Jm gemeinen We-
ſen aber iſt viel daran gelegen, daß man
ein Anſehen bey andern hat, theils wegen des
Credits, wenn man mit andern handeln
und wandeln ſoll, theils auch wegen ſeiner
Amts-Verrichtungen, wenn man ſonder-
lich andern zu befehlen hat. Und aus die-
ſer
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