Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 3. Von der Einrichtung es gleich höchst bedürfftig ist. Da manaber in keinem Falle weiß, was ein Dürff- tiger schon bey andern erbettelt; so kan man auch nicht urtheilen, ob er schon ge- nung erbettelt, oder noch ein mehreres zu seiner Nothdurfft gebrauchet. Gewiß! die Erfahrung lehret in grossen Städten, daß dem Augenscheine nach die dürfftig- sten Bettler, weil sie elende und gebrech- lich sind, nicht zur Nothdurfft, sondern zur Wollust betteln und mit dem Allmosen Ubermuth treiben. Hierzu kommet noch dieses, daß wir auch nicht wissen, ob es an dem sey, daß ein gesunder Bettler kei- ne Arbeit kriegen könne, oder ob er nicht vielmehr lieber aus Faulheit das Bettel- Brodt essen wil; ingleichen ob sein Ver- dienst zu seiner Nothdurfft nicht hinreichet. Damit nun aber die aus diesen Ursachen nöthigen Anstalten auf gehörige Art einge- richtet werden; so hat man einen Unter- scheid zu machen unter den Personen, die Allmosen begehren. Entweder sie sind ver- mögend zu arbeiten, oder nicht. Sind sie vermögend zu arbeiten, so haben sie ent- weder Lust zu arbeiten, oder sie wollen nicht arbeiten. Für Leute, die nicht arbeiten wollen, und sich aus Faulheit auf das Bet- teln legen, und im Falle, da ihnen das Betteln nicht gestattet wird, oder sie da- bey nicht ihr Auskommen finden, sich auf Be-
Cap. 3. Von der Einrichtung es gleich hoͤchſt beduͤrfftig iſt. Da manaber in keinem Falle weiß, was ein Duͤrff- tiger ſchon bey andern erbettelt; ſo kan man auch nicht urtheilen, ob er ſchon ge- nung erbettelt, oder noch ein mehreres zu ſeiner Nothdurfft gebrauchet. Gewiß! die Erfahrung lehret in groſſen Staͤdten, daß dem Augenſcheine nach die duͤrfftig- ſten Bettler, weil ſie elende und gebrech- lich ſind, nicht zur Nothdurfft, ſondern zur Wolluſt betteln und mit dem Allmoſen Ubermuth treiben. Hierzu kommet noch dieſes, daß wir auch nicht wiſſen, ob es an dem ſey, daß ein geſunder Bettler kei- ne Arbeit kriegen koͤnne, oder ob er nicht vielmehr lieber aus Faulheit das Bettel- Brodt eſſen wil; ingleichen ob ſein Ver- dienſt zu ſeiner Nothdurfft nicht hinreichet. Damit nun aber die aus dieſen Urſachen noͤthigen Anſtalten auf gehoͤrige Art einge- richtet werden; ſo hat man einen Unter- ſcheid zu machen unter den Perſonen, die Allmoſen begehren. Entweder ſie ſind ver- moͤgend zu arbeiten, oder nicht. Sind ſie vermoͤgend zu arbeiten, ſo haben ſie ent- weder Luſt zu arbeiten, oder ſie wollen nicht arbeiten. Fuͤr Leute, die nicht arbeiten wollen, und ſich aus Faulheit auf das Bet- teln legen, und im Falle, da ihnen das Betteln nicht geſtattet wird, oder ſie da- bey nicht ihr Auskommen finden, ſich auf Be-
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Cap. 3. Von der Einrichtung
es gleich hoͤchſt beduͤrfftig iſt. Da man
aber in keinem Falle weiß, was ein Duͤrff-
tiger ſchon bey andern erbettelt; ſo kan
man auch nicht urtheilen, ob er ſchon ge-
nung erbettelt, oder noch ein mehreres zu
ſeiner Nothdurfft gebrauchet. Gewiß!
die Erfahrung lehret in groſſen Staͤdten,
daß dem Augenſcheine nach die duͤrfftig-
ſten Bettler, weil ſie elende und gebrech-
lich ſind, nicht zur Nothdurfft, ſondern
zur Wolluſt betteln und mit dem Allmoſen
Ubermuth treiben. Hierzu kommet noch
dieſes, daß wir auch nicht wiſſen, ob es
an dem ſey, daß ein geſunder Bettler kei-
ne Arbeit kriegen koͤnne, oder ob er nicht
vielmehr lieber aus Faulheit das Bettel-
Brodt eſſen wil; ingleichen ob ſein Ver-
dienſt zu ſeiner Nothdurfft nicht hinreichet.
Damit nun aber die aus dieſen Urſachen
noͤthigen Anſtalten auf gehoͤrige Art einge-
richtet werden; ſo hat man einen Unter-
ſcheid zu machen unter den Perſonen, die
Allmoſen begehren. Entweder ſie ſind ver-
moͤgend zu arbeiten, oder nicht. Sind ſie
vermoͤgend zu arbeiten, ſo haben ſie ent-
weder Luſt zu arbeiten, oder ſie wollen nicht
arbeiten. Fuͤr Leute, die nicht arbeiten
wollen, und ſich aus Faulheit auf das Bet-
teln legen, und im Falle, da ihnen das
Betteln nicht geſtattet wird, oder ſie da-
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