Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 3. Von der Einrichtung wohl als die Ordnungen wegen Speiseund Tranck nicht allein nach dem Ver- mögen, sondern auch nach dem Stande einzurichten (§. 458. 459 Mor.). Es hat aber verschiedene Ursachen, warum man über diese Ordnungen fest zu halten hat. U- bermuth im Tractiren und Kleidung brin- get nicht allein Verschwendung zu wege, wodurch viele so wohl für sich in den Bet- telstab gerathen, als auch andere, die sie um das ihrige betrügen, darein bringen; sondern es erwecket auch Mißgunst bey an- dern, woraus ferner Haß (§. 454. 460 Met.) und Feindschafft (§. 778 Mor.) er- folget. Hierzu kommet, daß einer den andern durch sein Exempel zu Ubermuthe im Tractiren und Kleidung verleitet: denn die Menschen sind so geartet, daß sie nicht gerne, sonderlich ihres gleichen, etwas nachgeben, sondern vielmehr sich höhern, als sie sind, zu gleichen trachten. Weil aber niemand sich seinem Stande gemäß in Nahrung und Kleidung aufführen kan, er habe denn die nöthigen Mittel dazu; so hat man auch um deswillen die Bedie- nungen mit hinreichenden Besoldungen zu versehen, und so wohl der Arbeit, als den Wahren einen solchen Preiß zu setzen, da- bey einer zu einer standmäßigen Auffüh- rung Mittel findet. Jch weiß wohl, daß einige in den Gedancken stehen, als wenn man
Cap. 3. Von der Einrichtung wohl als die Ordnungen wegen Speiſeund Tranck nicht allein nach dem Ver- moͤgen, ſondern auch nach dem Stande einzurichten (§. 458. 459 Mor.). Es hat aber verſchiedene Urſachen, warum man uͤber dieſe Ordnungen feſt zu halten hat. U- bermuth im Tractiren und Kleidung brin- get nicht allein Verſchwendung zu wege, wodurch viele ſo wohl fuͤr ſich in den Bet- telſtab gerathen, als auch andere, die ſie um das ihrige betruͤgen, darein bringen; ſondern es erwecket auch Mißgunſt bey an- dern, woraus ferner Haß (§. 454. 460 Met.) und Feindſchafft (§. 778 Mor.) er- folget. Hierzu kommet, daß einer den andern durch ſein Exempel zu Ubermuthe im Tractiren und Kleidung verleitet: denn die Menſchen ſind ſo geartet, daß ſie nicht gerne, ſonderlich ihres gleichen, etwas nachgeben, ſondern vielmehr ſich hoͤhern, als ſie ſind, zu gleichen trachten. Weil aber niemand ſich ſeinem Stande gemaͤß in Nahrung und Kleidung auffuͤhren kan, er habe denn die noͤthigen Mittel dazu; ſo hat man auch um deswillen die Bedie- nungen mit hinreichenden Beſoldungen zu verſehen, und ſo wohl der Arbeit, als den Wahren einen ſolchen Preiß zu ſetzen, da- bey einer zu einer ſtandmaͤßigen Auffuͤh- rung Mittel findet. Jch weiß wohl, daß einige in den Gedancken ſtehen, als wenn man
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0378" n="360"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 3. Von der Einrichtung</hi></fw><lb/> wohl als die Ordnungen wegen Speiſe<lb/> und Tranck nicht allein nach dem Ver-<lb/> moͤgen, ſondern auch nach dem Stande<lb/> einzurichten (§. 458. 459 <hi rendition="#aq">Mor.</hi>). Es hat<lb/> aber verſchiedene Urſachen, warum man<lb/> uͤber dieſe Ordnungen feſt zu halten hat. U-<lb/> bermuth im Tractiren und Kleidung brin-<lb/> get nicht allein Verſchwendung zu wege,<lb/> wodurch viele ſo wohl fuͤr ſich in den Bet-<lb/> telſtab gerathen, als auch andere, die ſie<lb/> um das ihrige betruͤgen, darein bringen;<lb/> ſondern es erwecket auch Mißgunſt bey an-<lb/> dern, woraus ferner Haß (§. 454. 460<lb/><hi rendition="#aq">Met.</hi>) und Feindſchafft (§. 778 <hi rendition="#aq">Mor.</hi>) er-<lb/> folget. Hierzu kommet, daß einer den<lb/> andern durch ſein Exempel zu Ubermuthe<lb/> im Tractiren und Kleidung verleitet: denn<lb/> die Menſchen ſind ſo geartet, daß ſie nicht<lb/> gerne, ſonderlich ihres gleichen, etwas<lb/> nachgeben, ſondern vielmehr ſich hoͤhern,<lb/> als ſie ſind, zu gleichen trachten. Weil<lb/> aber niemand ſich ſeinem Stande gemaͤß<lb/> in Nahrung und Kleidung auffuͤhren kan,<lb/> er habe denn die noͤthigen Mittel dazu; ſo<lb/> hat man auch um deswillen die Bedie-<lb/> nungen mit hinreichenden Beſoldungen zu<lb/> verſehen, und ſo wohl der Arbeit, als den<lb/> Wahren einen ſolchen Preiß zu ſetzen, da-<lb/> bey einer zu einer ſtandmaͤßigen Auffuͤh-<lb/> rung Mittel findet. Jch weiß wohl, daß<lb/> einige in den Gedancken ſtehen, als wenn<lb/> <fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [360/0378]
Cap. 3. Von der Einrichtung
wohl als die Ordnungen wegen Speiſe
und Tranck nicht allein nach dem Ver-
moͤgen, ſondern auch nach dem Stande
einzurichten (§. 458. 459 Mor.). Es hat
aber verſchiedene Urſachen, warum man
uͤber dieſe Ordnungen feſt zu halten hat. U-
bermuth im Tractiren und Kleidung brin-
get nicht allein Verſchwendung zu wege,
wodurch viele ſo wohl fuͤr ſich in den Bet-
telſtab gerathen, als auch andere, die ſie
um das ihrige betruͤgen, darein bringen;
ſondern es erwecket auch Mißgunſt bey an-
dern, woraus ferner Haß (§. 454. 460
Met.) und Feindſchafft (§. 778 Mor.) er-
folget. Hierzu kommet, daß einer den
andern durch ſein Exempel zu Ubermuthe
im Tractiren und Kleidung verleitet: denn
die Menſchen ſind ſo geartet, daß ſie nicht
gerne, ſonderlich ihres gleichen, etwas
nachgeben, ſondern vielmehr ſich hoͤhern,
als ſie ſind, zu gleichen trachten. Weil
aber niemand ſich ſeinem Stande gemaͤß
in Nahrung und Kleidung auffuͤhren kan,
er habe denn die noͤthigen Mittel dazu; ſo
hat man auch um deswillen die Bedie-
nungen mit hinreichenden Beſoldungen zu
verſehen, und ſo wohl der Arbeit, als den
Wahren einen ſolchen Preiß zu ſetzen, da-
bey einer zu einer ſtandmaͤßigen Auffuͤh-
rung Mittel findet. Jch weiß wohl, daß
einige in den Gedancken ſtehen, als wenn
man
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |