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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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des gemeinen Wesens.
tert. Gleichergestalt träget vieles darzu
bey, wenn vornehme und verständige Leu-
te zeigen, daß es ihnen mit der Religion
ein rechter Ernst sey, weil der gemeine
glaubet, daß sie es am besten verstehen
müssen. Derowegen da ein jedes Mit-
glied im gemeinen Wesen dazu verbunden
ist, was das gemeine Beste befördert (§.
216); so erhellet auch hieraus die Ver-
bindlichkeit vornehmer und gelehrter Leu-
te alles zu thun, was die Hochachtung der
Religion bey dem gemeinen Manne be-
fördern, und hingegen zu unterlassen, was
derselben nachtheilig seyn kan.

§. 368.

Weil ein Atheist läugnet, daßWarum
Atheisten
nicht zu
dulden/
auch man
nicht oh-
ne Ursa-
che je-
manden
der Athe-
isteaey
verdäch-
tig ma-
chen sol.

ein Gott sey; so hält er auch die Reli-
gion für nichts (§. 366). Da man nun
aber über der Religion mit allem Ernste
halten sol (§. 367); so kan man auch die
Atheisten, die sich bloß geben, im gemei-
nen Wesen nicht dulden. Auch wenn
durch grossen Verdacht wieder einen wegen
der Atheisterey viele zu Verachtung der
Religion Anlaß nehmen; hat man dar-
auf zu sehen, wie dieser Verdacht geho-
ben wird. Und deßwegen darf man nicht
dulden, daß öffentliche Lehrer, welche die
Religion in ihrem Werthe erhalten sollen,
auf Leute, welche wegen ihres Verstandes
in Ansehen sind, den Verdacht der Athe-
isterey bringen, weil sie dadurch eben so

viel
(Politick) X

des gemeinen Weſens.
tert. Gleichergeſtalt traͤget vieles darzu
bey, wenn vornehme und verſtaͤndige Leu-
te zeigen, daß es ihnen mit der Religion
ein rechter Ernſt ſey, weil der gemeine
glaubet, daß ſie es am beſten verſtehen
muͤſſen. Derowegen da ein jedes Mit-
glied im gemeinen Weſen dazu verbunden
iſt, was das gemeine Beſte befoͤrdert (§.
216); ſo erhellet auch hieraus die Ver-
bindlichkeit vornehmer und gelehrter Leu-
te alles zu thun, was die Hochachtung der
Religion bey dem gemeinen Manne be-
foͤrdern, und hingegen zu unterlaſſen, was
derſelben nachtheilig ſeyn kan.

§. 368.

Weil ein Atheiſt laͤugnet, daßWarum
Atheiſten
nicht zu
dulden/
auch man
nicht oh-
ne Urſa-
che je-
manden
der Athe-
iſteaey
verdaͤch-
tig ma-
chen ſol.

ein Gott ſey; ſo haͤlt er auch die Reli-
gion fuͤr nichts (§. 366). Da man nun
aber uͤber der Religion mit allem Ernſte
halten ſol (§. 367); ſo kan man auch die
Atheiſten, die ſich bloß geben, im gemei-
nen Weſen nicht dulden. Auch wenn
durch groſſen Verdacht wieder einen wegen
der Atheiſterey viele zu Verachtung der
Religion Anlaß nehmen; hat man dar-
auf zu ſehen, wie dieſer Verdacht geho-
ben wird. Und deßwegen darf man nicht
dulden, daß oͤffentliche Lehrer, welche die
Religion in ihrem Werthe erhalten ſollen,
auf Leute, welche wegen ihres Verſtandes
in Anſehen ſind, den Verdacht der Athe-
iſterey bringen, weil ſie dadurch eben ſo

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(Politick) X
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[321/0339] des gemeinen Weſens. tert. Gleichergeſtalt traͤget vieles darzu bey, wenn vornehme und verſtaͤndige Leu- te zeigen, daß es ihnen mit der Religion ein rechter Ernſt ſey, weil der gemeine glaubet, daß ſie es am beſten verſtehen muͤſſen. Derowegen da ein jedes Mit- glied im gemeinen Weſen dazu verbunden iſt, was das gemeine Beſte befoͤrdert (§. 216); ſo erhellet auch hieraus die Ver- bindlichkeit vornehmer und gelehrter Leu- te alles zu thun, was die Hochachtung der Religion bey dem gemeinen Manne be- foͤrdern, und hingegen zu unterlaſſen, was derſelben nachtheilig ſeyn kan. §. 368.Weil ein Atheiſt laͤugnet, daß ein Gott ſey; ſo haͤlt er auch die Reli- gion fuͤr nichts (§. 366). Da man nun aber uͤber der Religion mit allem Ernſte halten ſol (§. 367); ſo kan man auch die Atheiſten, die ſich bloß geben, im gemei- nen Weſen nicht dulden. Auch wenn durch groſſen Verdacht wieder einen wegen der Atheiſterey viele zu Verachtung der Religion Anlaß nehmen; hat man dar- auf zu ſehen, wie dieſer Verdacht geho- ben wird. Und deßwegen darf man nicht dulden, daß oͤffentliche Lehrer, welche die Religion in ihrem Werthe erhalten ſollen, auf Leute, welche wegen ihres Verſtandes in Anſehen ſind, den Verdacht der Athe- iſterey bringen, weil ſie dadurch eben ſo viel Warum Atheiſten nicht zu dulden/ auch man nicht oh- ne Urſa- che je- manden der Athe- iſteaey verdaͤch- tig ma- chen ſol. (Politick) X

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/339>, abgerufen am 25.11.2024.