Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 3. Von der Einrichtung demnach wird er abermahl auch imverborgenen das böse unterlassen und das gute vollbringen. Da nun die bürgerli- che Verbindlichkeit dergleichen nicht zuwe- ge bringen kan (§. 356.), und doch dieses das gröste Hindernis ist, warum sie frucht- lose bleibet, weil man sich einbildet, es wer- de das Verbrechen, so heimlich begangen worden, nicht kund werden, oder man werde mit leugnen können durchkommen; so erhellet hieraus die Nothwendigkeit der Religion im gemeinen Wesen, woferne man daselbst Zucht und Gerechtigkeit will befördert wissen. Wir haben ferner gefunden, und wird sich auch nach diesem noch mit mehrerem zeigen, daß der Eyd ein Mittel ist hinter die Wahrheit in Gerichten zu kommen (§. 365). Ein Eyd aber nöthiget den Menschen zu sagen, was er sonst verschweigen würde, weil er sich für GOttes Straffe fürchtet (§. 997. Mor.). Gleichergestalt haben wir gefun- den, daß der Eyd ein Mittel ist Sicherheit in einigen Fällen zu schaffen (§. 364). Er kan aber dergleichen Mittel nicht seyn, als wenn man sich mit Ernst für der gött- lichen Straffe fürchtet (§. 997. Mor.). Ge- wiß um des Eydes willen hält man es auch einem Zeugen nicht vor übel, wenn er die Wahrheit aussaget, indem ihn jedermann dadurch gezwungen zu seyn erachtet und da-
Cap. 3. Von der Einrichtung demnach wird er abermahl auch imverborgenen das boͤſe unterlaſſen und das gute vollbringen. Da nun die buͤrgerli- che Verbindlichkeit dergleichen nicht zuwe- ge bringen kan (§. 356.), und doch dieſes das groͤſte Hindernis iſt, warum ſie frucht- loſe bleibet, weil man ſich einbildet, es wer- de das Verbrechen, ſo heimlich begangen worden, nicht kund werden, oder man werde mit leugnen koͤnnen durchkommen; ſo erhellet hieraus die Nothwendigkeit der Religion im gemeinen Weſen, woferne man daſelbſt Zucht und Gerechtigkeit will befoͤrdert wiſſen. Wir haben ferner gefunden, und wird ſich auch nach dieſem noch mit mehrerem zeigen, daß der Eyd ein Mittel iſt hinter die Wahrheit in Gerichten zu kommen (§. 365). Ein Eyd aber noͤthiget den Menſchen zu ſagen, was er ſonſt verſchweigen wuͤrde, weil er ſich fuͤr GOttes Straffe fuͤrchtet (§. 997. Mor.). Gleichergeſtalt haben wir gefun- den, daß der Eyd ein Mittel iſt Sicherheit in einigen Faͤllen zu ſchaffen (§. 364). Er kan aber dergleichen Mittel nicht ſeyn, als wenn man ſich mit Ernſt fuͤr der goͤtt- lichen Straffe fuͤrchtet (§. 997. Mor.). Ge- wiß um des Eydes willen haͤlt man es auch einem Zeugen nicht vor uͤbel, wenn er die Wahrheit ausſaget, indem ihn jedermann dadurch gezwungen zu ſeyn erachtet und da-
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Cap. 3. Von der Einrichtung
demnach wird er abermahl auch im
verborgenen das boͤſe unterlaſſen und das
gute vollbringen. Da nun die buͤrgerli-
che Verbindlichkeit dergleichen nicht zuwe-
ge bringen kan (§. 356.), und doch dieſes
das groͤſte Hindernis iſt, warum ſie frucht-
loſe bleibet, weil man ſich einbildet, es wer-
de das Verbrechen, ſo heimlich begangen
worden, nicht kund werden, oder man
werde mit leugnen koͤnnen durchkommen;
ſo erhellet hieraus die Nothwendigkeit der
Religion im gemeinen Weſen, woferne
man daſelbſt Zucht und Gerechtigkeit
will befoͤrdert wiſſen. Wir haben
ferner gefunden, und wird ſich auch
nach dieſem noch mit mehrerem zeigen, daß
der Eyd ein Mittel iſt hinter die Wahrheit
in Gerichten zu kommen (§. 365). Ein
Eyd aber noͤthiget den Menſchen zu ſagen,
was er ſonſt verſchweigen wuͤrde, weil er
ſich fuͤr GOttes Straffe fuͤrchtet (§. 997.
Mor.). Gleichergeſtalt haben wir gefun-
den, daß der Eyd ein Mittel iſt Sicherheit
in einigen Faͤllen zu ſchaffen (§. 364). Er
kan aber dergleichen Mittel nicht ſeyn,
als wenn man ſich mit Ernſt fuͤr der goͤtt-
lichen Straffe fuͤrchtet (§. 997. Mor.). Ge-
wiß um des Eydes willen haͤlt man es auch
einem Zeugen nicht vor uͤbel, wenn er die
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