Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.des gemeinen Wesens. es viel Schaden für die gemeine Wohl-fahrt und Sicherheit nach sich ziehen wür- de, woferne es ungestraffet bleiben sollte (§. 357). Wir können aber niemanden anders zu etwas verbinden, als indem wir waswiedriges mit dessen Unterlassung verknüpffen, welches dem andern unleidlich fället (§. 8. Mor.). Weil man nun in solchen Fällen, wo auf das Verbrechen ei- ne Lebens-Straffe gesetzet ist, nichts fin- den kan, wodurch man ihm wehe thäte (in- dem der Mensch alles für sein Leben giebet und waget) als sehr empfindliche Schmer- tzen an seinem Leibe; so kan man ihn mit Marter bedrohen, ihm auch würcklich der- gleichen anthun, wodurch ein unleidlicher Schmertz erreget wird, wenn er hartnä- ckig zu leugnen fortfähret, warinnen doch ein sehr grosser Verdacht wieder ihn ist. Man pfleget diese Mittel die peinliche Frage, oder auch die Tortur zu nennen. Und dem- nach ist klar, daß man sich der peinlichen Frage gebrauchen kan, wenn es die gemei- ne Wohlfahrt und Sicherheit unumgäng- lich erfordert ein Verbrechen zu straffen und den Thäter herauszubringen kein an- deres Mittel vorhanden ist, jedoch bereits sehr grosser Verdacht wieder ihn vorhan- den. Jch will es durch Exempel erläutern. Wenn auf der Strasse viel Raub bisher wäre verübet worden und daher grosse Un- si-
des gemeinen Weſens. es viel Schaden fuͤr die gemeine Wohl-fahrt und Sicherheit nach ſich ziehen wuͤr- de, woferne es ungeſtraffet bleiben ſollte (§. 357). Wir koͤnnen aber niemanden anders zu etwas verbinden, als indem wir waswiedriges mit deſſen Unterlaſſung verknuͤpffen, welches dem andern unleidlich faͤllet (§. 8. Mor.). Weil man nun in ſolchen Faͤllen, wo auf das Verbrechen ei- ne Lebens-Straffe geſetzet iſt, nichts fin- den kan, wodurch man ihm wehe thaͤte (in- dem der Menſch alles fuͤr ſein Leben giebet und waget) als ſehr empfindliche Schmer- tzen an ſeinem Leibe; ſo kan man ihn mit Marter bedrohen, ihm auch wuͤrcklich der- gleichen anthun, wodurch ein unleidlicher Schmertz erreget wird, wenn er hartnaͤ- ckig zu leugnen fortfaͤhret, warinnen doch ein ſehr groſſer Verdacht wieder ihn iſt. Man pfleget dieſe Mittel die peinliche Frage, oder auch die Tortur zu nennen. Und dem- nach iſt klar, daß man ſich der peinlichen Frage gebrauchen kan, wenn es die gemei- ne Wohlfahrt und Sicherheit unumgaͤng- lich erfordert ein Verbrechen zu ſtraffen und den Thaͤter herauszubringen kein an- deres Mittel vorhanden iſt, jedoch bereits ſehr groſſer Verdacht wieder ihn vorhan- den. Jch will es durch Exempel erlaͤutern. Wenn auf der Straſſe viel Raub bisher waͤre veruͤbet worden und daher groſſe Un- ſi-
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des gemeinen Weſens.
es viel Schaden fuͤr die gemeine Wohl-
fahrt und Sicherheit nach ſich ziehen wuͤr-
de, woferne es ungeſtraffet bleiben ſollte
(§. 357). Wir koͤnnen aber niemanden
anders zu etwas verbinden, als indem
wir waswiedriges mit deſſen Unterlaſſung
verknuͤpffen, welches dem andern unleidlich
faͤllet (§. 8. Mor.). Weil man nun in
ſolchen Faͤllen, wo auf das Verbrechen ei-
ne Lebens-Straffe geſetzet iſt, nichts fin-
den kan, wodurch man ihm wehe thaͤte (in-
dem der Menſch alles fuͤr ſein Leben giebet
und waget) als ſehr empfindliche Schmer-
tzen an ſeinem Leibe; ſo kan man ihn mit
Marter bedrohen, ihm auch wuͤrcklich der-
gleichen anthun, wodurch ein unleidlicher
Schmertz erreget wird, wenn er hartnaͤ-
ckig zu leugnen fortfaͤhret, warinnen doch ein
ſehr groſſer Verdacht wieder ihn iſt. Man
pfleget dieſe Mittel die peinliche Frage,
oder auch die Tortur zu nennen. Und dem-
nach iſt klar, daß man ſich der peinlichen
Frage gebrauchen kan, wenn es die gemei-
ne Wohlfahrt und Sicherheit unumgaͤng-
lich erfordert ein Verbrechen zu ſtraffen
und den Thaͤter herauszubringen kein an-
deres Mittel vorhanden iſt, jedoch bereits
ſehr groſſer Verdacht wieder ihn vorhan-
den. Jch will es durch Exempel erlaͤutern.
Wenn auf der Straſſe viel Raub bisher
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