Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 3. Von der Einrichtung
die nicht viel Schmertz erdulden können,
werden durch die Art der Straffe gerüh-
ret, indem es ihnen selbst an dem Orte we-
he thut, wo sie den Ubelthäter leiden se-
hen. Z. E. Wenn einem mit dem Rade
Armen und Beine zerschlagen werden, thut
es ihnen selbst an Armen und Beinen we-
he. Jch wil jetzt dieses alles nur aus der
Erfahrung annehmen, ob es sich auch
gleich erweisen liesse. Alle diese Regungen
und Bewegungen, welche die Furcht für der
Straffe kräfftig machen, bleiben nach, wo
die Straffen im verborgenen vollzogen
werden.

Warum
das Ver-
brechen
umständ-
lich bey
der Exe-
cution
vorzule-
sen/ auch
dem Ubel
thäter
vorzu-
halten.
§. 350.

Wenn die Straffe anderen zum
Exempel dienen sol, damit nemlich sie ab-
gehalten werden von dergleichen Schand-
und Ubel-thaten, als der Uhelthäter voll-
bracht, der nun zu gebührender Straffe
gezogen wird (§. 346); so muß auch das
Verbrechen des Ubelthäters kund werden,
und zwar, da die Straffe nach den be-
sonderen Umständen vergrössert und ver-
kleinert wird (§. 344), nach allen seinen
Umständen. Derowegen ist nöthig, daß
solches der Menge, welche der Execution
beywohnet, öffentlich vorgelesen wird.
Und solchergestalt kan auch demjenigen ein
Gnügen geschehen, was oben von Min-
derung der Straffe aus besonderen Um-
ständen erinnert worden (§. 345). Ja da-

mit

Cap. 3. Von der Einrichtung
die nicht viel Schmertz erdulden koͤnnen,
werden durch die Art der Straffe geruͤh-
ret, indem es ihnen ſelbſt an dem Orte we-
he thut, wo ſie den Ubelthaͤter leiden ſe-
hen. Z. E. Wenn einem mit dem Rade
Armen und Beine zerſchlagen werden, thut
es ihnen ſelbſt an Armen und Beinen we-
he. Jch wil jetzt dieſes alles nur aus der
Erfahrung annehmen, ob es ſich auch
gleich erweiſen lieſſe. Alle dieſe Regungen
und Bewegungen, welche die Furcht fuͤr der
Straffe kraͤfftig machen, bleiben nach, wo
die Straffen im verborgenen vollzogen
werden.

Warum
das Ver-
brechen
umſtaͤnd-
lich bey
der Exe-
cution
vorzule-
ſen/ auch
dem Ubel
thaͤter
vorzu-
halten.
§. 350.

Wenn die Straffe anderen zum
Exempel dienen ſol, damit nemlich ſie ab-
gehalten werden von dergleichen Schand-
und Ubel-thaten, als der Uhelthaͤter voll-
bracht, der nun zu gebuͤhrender Straffe
gezogen wird (§. 346); ſo muß auch das
Verbrechen des Ubelthaͤters kund werden,
und zwar, da die Straffe nach den be-
ſonderen Umſtaͤnden vergroͤſſert und ver-
kleinert wird (§. 344), nach allen ſeinen
Umſtaͤnden. Derowegen iſt noͤthig, daß
ſolches der Menge, welche der Execution
beywohnet, oͤffentlich vorgeleſen wird.
Und ſolchergeſtalt kan auch demjenigen ein
Gnuͤgen geſchehen, was oben von Min-
derung der Straffe aus beſonderen Um-
ſtaͤnden erinnert worden (§. 345). Ja da-

mit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0310" n="292"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 3. Von der Einrichtung</hi></fw><lb/>
die nicht viel Schmertz erdulden ko&#x0364;nnen,<lb/>
werden durch die Art der Straffe geru&#x0364;h-<lb/>
ret, indem es ihnen &#x017F;elb&#x017F;t an dem Orte we-<lb/>
he thut, wo &#x017F;ie den Ubeltha&#x0364;ter leiden &#x017F;e-<lb/>
hen. Z. E. Wenn einem mit dem Rade<lb/>
Armen und Beine zer&#x017F;chlagen werden, thut<lb/>
es ihnen &#x017F;elb&#x017F;t an Armen und Beinen we-<lb/>
he. Jch wil jetzt die&#x017F;es alles nur aus der<lb/>
Erfahrung annehmen, ob es &#x017F;ich auch<lb/>
gleich erwei&#x017F;en lie&#x017F;&#x017F;e. Alle die&#x017F;e Regungen<lb/>
und Bewegungen, welche die Furcht fu&#x0364;r der<lb/>
Straffe kra&#x0364;fftig machen, bleiben nach, wo<lb/>
die Straffen im verborgenen vollzogen<lb/>
werden.</p><lb/>
              <note place="left">Warum<lb/>
das Ver-<lb/>
brechen<lb/>
um&#x017F;ta&#x0364;nd-<lb/>
lich bey<lb/>
der Exe-<lb/>
cution<lb/>
vorzule-<lb/>
&#x017F;en/ auch<lb/>
dem Ubel<lb/>
tha&#x0364;ter<lb/>
vorzu-<lb/>
halten.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 350.</head>
              <p>Wenn die Straffe anderen zum<lb/>
Exempel dienen &#x017F;ol, damit nemlich &#x017F;ie ab-<lb/>
gehalten werden von dergleichen Schand-<lb/>
und Ubel-thaten, als der Uheltha&#x0364;ter voll-<lb/>
bracht, der nun zu gebu&#x0364;hrender Straffe<lb/>
gezogen wird (§. 346); &#x017F;o muß auch das<lb/>
Verbrechen des Ubeltha&#x0364;ters kund werden,<lb/>
und zwar, da die Straffe nach den be-<lb/>
&#x017F;onderen Um&#x017F;ta&#x0364;nden vergro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ert und ver-<lb/>
kleinert wird (§. 344), nach allen &#x017F;einen<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nden. Derowegen i&#x017F;t no&#x0364;thig, daß<lb/>
&#x017F;olches der Menge, welche der <hi rendition="#aq">Execution</hi><lb/>
beywohnet, o&#x0364;ffentlich vorgele&#x017F;en wird.<lb/>
Und &#x017F;olcherge&#x017F;talt kan auch demjenigen ein<lb/>
Gnu&#x0364;gen ge&#x017F;chehen, was oben von Min-<lb/>
derung der Straffe aus be&#x017F;onderen Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden erinnert worden (§. 345). Ja da-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mit</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0310] Cap. 3. Von der Einrichtung die nicht viel Schmertz erdulden koͤnnen, werden durch die Art der Straffe geruͤh- ret, indem es ihnen ſelbſt an dem Orte we- he thut, wo ſie den Ubelthaͤter leiden ſe- hen. Z. E. Wenn einem mit dem Rade Armen und Beine zerſchlagen werden, thut es ihnen ſelbſt an Armen und Beinen we- he. Jch wil jetzt dieſes alles nur aus der Erfahrung annehmen, ob es ſich auch gleich erweiſen lieſſe. Alle dieſe Regungen und Bewegungen, welche die Furcht fuͤr der Straffe kraͤfftig machen, bleiben nach, wo die Straffen im verborgenen vollzogen werden. §. 350.Wenn die Straffe anderen zum Exempel dienen ſol, damit nemlich ſie ab- gehalten werden von dergleichen Schand- und Ubel-thaten, als der Uhelthaͤter voll- bracht, der nun zu gebuͤhrender Straffe gezogen wird (§. 346); ſo muß auch das Verbrechen des Ubelthaͤters kund werden, und zwar, da die Straffe nach den be- ſonderen Umſtaͤnden vergroͤſſert und ver- kleinert wird (§. 344), nach allen ſeinen Umſtaͤnden. Derowegen iſt noͤthig, daß ſolches der Menge, welche der Execution beywohnet, oͤffentlich vorgeleſen wird. Und ſolchergeſtalt kan auch demjenigen ein Gnuͤgen geſchehen, was oben von Min- derung der Straffe aus beſonderen Um- ſtaͤnden erinnert worden (§. 345). Ja da- mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/310
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/310>, abgerufen am 08.05.2024.