Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

des gemeines Wesens.
der verschiedenen Umstände, so sich hierbey
ereignen können (§. 937 & seq. Mor.), vie-
ler Streit entstehen kan; im gemeinen
Wesen aber, so viel nur immer möglich,
aller Streit und Uneinigkeit verhütet wer-
den sol (§. 214): so hat man auf Mittel
zu dencken, wie man wegen des Leihens
und Vorschubes alles dergestalt verordne,
daß alle daher zu besorgende Streite ab-
gewendet werden. Cs muß aber bey diesen
Anstalten derjenige, welcher eine Sache
verleihet oder Vorschub thut, in solchen
Fällen, wo man der natürlichen Billig-
keit, die anderswo (§. 927 & seq. 937 &
seq. Mor.
) ausführlich gezeiget worden,
aus nach diesem an seinem Orte anzufüh-
renden Ursachen im gemeinen Wesen nicht
ein völliges Gnügen thun kan, mehr Gunst
haben als der andere, dem die Sache ge-
liehen oder der Vorschub gethan worden,
das ist, wo man von der natürlichen Bil-
ligkeit abzuweichen sich genöthiget findet,
muß die Abweichung jenem, nicht diesem
zum besten geschehen. Die Ursache wird
ein jeder leicht errathen. Wer etwas bor-
get und Vorschub bekommet, dem geschie-
het dadurch ein Dienst (§. 926. 932 Mor.);
der andere, der es leihet oder den Vor-
schub thut, hat nichts davor zu gewarten
als wenn im letzteren Falle ein Glücks-
Fall, auf den er sich keine Rechnung ma-

chen
S 3

des gemeines Weſens.
der verſchiedenen Umſtaͤnde, ſo ſich hierbey
ereignen koͤnnen (§. 937 & ſeq. Mor.), vie-
ler Streit entſtehen kan; im gemeinen
Weſen aber, ſo viel nur immer moͤglich,
aller Streit und Uneinigkeit verhuͤtet wer-
den ſol (§. 214): ſo hat man auf Mittel
zu dencken, wie man wegen des Leihens
und Vorſchubes alles dergeſtalt verordne,
daß alle daher zu beſorgende Streite ab-
gewendet werden. Cs muß aber bey dieſen
Anſtalten derjenige, welcher eine Sache
verleihet oder Vorſchub thut, in ſolchen
Faͤllen, wo man der natuͤrlichen Billig-
keit, die anderswo (§. 927 & ſeq. 937 &
ſeq. Mor.
) ausfuͤhrlich gezeiget worden,
aus nach dieſem an ſeinem Orte anzufuͤh-
renden Urſachen im gemeinen Weſen nicht
ein voͤlliges Gnuͤgen thun kan, mehr Gunſt
haben als der andere, dem die Sache ge-
liehen oder der Vorſchub gethan worden,
das iſt, wo man von der natuͤrlichen Bil-
ligkeit abzuweichen ſich genoͤthiget findet,
muß die Abweichung jenem, nicht dieſem
zum beſten geſchehen. Die Urſache wird
ein jeder leicht errathen. Wer etwas bor-
get und Vorſchub bekommet, dem geſchie-
het dadurch ein Dienſt (§. 926. 932 Mor.);
der andere, der es leihet oder den Vor-
ſchub thut, hat nichts davor zu gewarten
als wenn im letzteren Falle ein Gluͤcks-
Fall, auf den er ſich keine Rechnung ma-

chen
S 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0295" n="277"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des gemeines We&#x017F;ens.</hi></fw><lb/>
der ver&#x017F;chiedenen Um&#x017F;ta&#x0364;nde, &#x017F;o &#x017F;ich hierbey<lb/>
ereignen ko&#x0364;nnen (§. 937 <hi rendition="#aq">&amp; &#x017F;eq. Mor.</hi>), vie-<lb/>
ler Streit ent&#x017F;tehen kan; im gemeinen<lb/>
We&#x017F;en aber, &#x017F;o viel nur immer mo&#x0364;glich,<lb/>
aller Streit und Uneinigkeit verhu&#x0364;tet wer-<lb/>
den &#x017F;ol (§. 214): &#x017F;o hat man auf Mittel<lb/>
zu dencken, wie man wegen des Leihens<lb/>
und Vor&#x017F;chubes alles derge&#x017F;talt verordne,<lb/>
daß alle daher zu be&#x017F;orgende Streite ab-<lb/>
gewendet werden. Cs muß aber bey die&#x017F;en<lb/>
An&#x017F;talten derjenige, welcher eine Sache<lb/>
verleihet oder Vor&#x017F;chub thut, in &#x017F;olchen<lb/>
Fa&#x0364;llen, wo man der natu&#x0364;rlichen Billig-<lb/>
keit, die anderswo (§. 927 <hi rendition="#aq">&amp; &#x017F;eq. 937 &amp;<lb/>
&#x017F;eq. Mor.</hi>) ausfu&#x0364;hrlich gezeiget worden,<lb/>
aus nach die&#x017F;em an &#x017F;einem Orte anzufu&#x0364;h-<lb/>
renden Ur&#x017F;achen im gemeinen We&#x017F;en nicht<lb/>
ein vo&#x0364;lliges Gnu&#x0364;gen thun kan, mehr Gun&#x017F;t<lb/>
haben als der andere, dem die Sache ge-<lb/>
liehen oder der Vor&#x017F;chub gethan worden,<lb/>
das i&#x017F;t, wo man von der natu&#x0364;rlichen Bil-<lb/>
ligkeit abzuweichen &#x017F;ich geno&#x0364;thiget findet,<lb/>
muß die Abweichung jenem, nicht die&#x017F;em<lb/>
zum be&#x017F;ten ge&#x017F;chehen. Die Ur&#x017F;ache wird<lb/>
ein jeder leicht errathen. Wer etwas bor-<lb/>
get und Vor&#x017F;chub bekommet, dem ge&#x017F;chie-<lb/>
het dadurch ein Dien&#x017F;t (§. 926. 932 <hi rendition="#aq">Mor.</hi>);<lb/>
der andere, der es leihet oder den Vor-<lb/>
&#x017F;chub thut, hat nichts davor zu gewarten<lb/>
als wenn im letzteren Falle ein Glu&#x0364;cks-<lb/>
Fall, auf den er &#x017F;ich keine Rechnung ma-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S 3</fw><fw place="bottom" type="catch">chen</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[277/0295] des gemeines Weſens. der verſchiedenen Umſtaͤnde, ſo ſich hierbey ereignen koͤnnen (§. 937 & ſeq. Mor.), vie- ler Streit entſtehen kan; im gemeinen Weſen aber, ſo viel nur immer moͤglich, aller Streit und Uneinigkeit verhuͤtet wer- den ſol (§. 214): ſo hat man auf Mittel zu dencken, wie man wegen des Leihens und Vorſchubes alles dergeſtalt verordne, daß alle daher zu beſorgende Streite ab- gewendet werden. Cs muß aber bey dieſen Anſtalten derjenige, welcher eine Sache verleihet oder Vorſchub thut, in ſolchen Faͤllen, wo man der natuͤrlichen Billig- keit, die anderswo (§. 927 & ſeq. 937 & ſeq. Mor.) ausfuͤhrlich gezeiget worden, aus nach dieſem an ſeinem Orte anzufuͤh- renden Urſachen im gemeinen Weſen nicht ein voͤlliges Gnuͤgen thun kan, mehr Gunſt haben als der andere, dem die Sache ge- liehen oder der Vorſchub gethan worden, das iſt, wo man von der natuͤrlichen Bil- ligkeit abzuweichen ſich genoͤthiget findet, muß die Abweichung jenem, nicht dieſem zum beſten geſchehen. Die Urſache wird ein jeder leicht errathen. Wer etwas bor- get und Vorſchub bekommet, dem geſchie- het dadurch ein Dienſt (§. 926. 932 Mor.); der andere, der es leihet oder den Vor- ſchub thut, hat nichts davor zu gewarten als wenn im letzteren Falle ein Gluͤcks- Fall, auf den er ſich keine Rechnung ma- chen S 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/295
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/295>, abgerufen am 07.05.2024.