Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.des gemeinen Wesens. werden), daß die öffentlichen Gebäudeprächtig erbauet werden, damit sie nem- lich dem Orte ein Ansehen geben: so sollen auch die Kirchen prächtig erbauet werden. Es kommet hierzu noch eine besondere Ur- sache, die aus demjenigen sich beurtheilen lässet, was anderswo (§. 177 Mor.) von den Ceremonien angemercket worden. Nemlich da doch allezeit der Anfang unse- rer Gedancken von einer Empfindung ge- schiehet (§. 846 Met.), wodurch wir her- nach vermöge der Einbildungs-Krafft und der Vernunfft-Schlüsse auf andere Ge- dancken gebracht werden (§. 847 Met.): so kan die Pracht der Kirchen uns dazu die- nen, daß wir zwischen ihnen und gemeinen Gebäuden einen Unterscheid machen, und uns dadurch darauf besinnen, daß wir dar- innen mit Ehrerbietigkeit gegen GOtt er- scheinen und solches mit allen Minen, Ge- berden, Worten und Wercken zu verste- hen geben sollen. Es ist wohl wahr, bey dem Gottesdienste kommet es nicht auf den äusseren Pracht der Kirchen, sondern vielmehr auf den innern Zustand des Ge- müthes an (§. 759 Mor.). Allein man su- chet auch darinnen keinen Gottesdienst, sondern verlanget nur, daß wir durch das äussere auf das innere sollen gebracht wer- den, und das äussere zu dem inneren för- derlich seyn soll. Und dieses ist um so viel mehr R 4
des gemeinen Weſens. werden), daß die oͤffentlichen Gebaͤudepraͤchtig erbauet werden, damit ſie nem- lich dem Orte ein Anſehen geben: ſo ſollen auch die Kirchen praͤchtig erbauet werden. Es kommet hierzu noch eine beſondere Ur- ſache, die aus demjenigen ſich beurtheilen laͤſſet, was anderswo (§. 177 Mor.) von den Ceremonien angemercket worden. Nemlich da doch allezeit der Anfang unſe- rer Gedancken von einer Empfindung ge- ſchiehet (§. 846 Met.), wodurch wir her- nach vermoͤge der Einbildungs-Krafft und der Vernunfft-Schluͤſſe auf andere Ge- dancken gebracht werden (§. 847 Met.): ſo kan die Pracht der Kirchen uns dazu die- nen, daß wir zwiſchen ihnen und gemeinen Gebaͤuden einen Unterſcheid machen, und uns dadurch darauf beſinnen, daß wir dar- innen mit Ehrerbietigkeit gegen GOtt er- ſcheinen und ſolches mit allen Minen, Ge- berden, Worten und Wercken zu verſte- hen geben ſollen. Es iſt wohl wahr, bey dem Gottesdienſte kommet es nicht auf den aͤuſſeren Pracht der Kirchen, ſondern vielmehr auf den innern Zuſtand des Ge- muͤthes an (§. 759 Mor.). Allein man ſu- chet auch darinnen keinen Gottesdienſt, ſondern verlanget nur, daß wir durch das aͤuſſere auf das innere ſollen gebracht wer- den, und das aͤuſſere zu dem inneren foͤr- derlich ſeyn ſoll. Und dieſes iſt um ſo viel mehr R 4
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des gemeinen Weſens.
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praͤchtig erbauet werden, damit ſie nem-
lich dem Orte ein Anſehen geben: ſo ſollen
auch die Kirchen praͤchtig erbauet werden.
Es kommet hierzu noch eine beſondere Ur-
ſache, die aus demjenigen ſich beurtheilen
laͤſſet, was anderswo (§. 177 Mor.) von
den Ceremonien angemercket worden.
Nemlich da doch allezeit der Anfang unſe-
rer Gedancken von einer Empfindung ge-
ſchiehet (§. 846 Met.), wodurch wir her-
nach vermoͤge der Einbildungs-Krafft und
der Vernunfft-Schluͤſſe auf andere Ge-
dancken gebracht werden (§. 847 Met.): ſo
kan die Pracht der Kirchen uns dazu die-
nen, daß wir zwiſchen ihnen und gemeinen
Gebaͤuden einen Unterſcheid machen, und
uns dadurch darauf beſinnen, daß wir dar-
innen mit Ehrerbietigkeit gegen GOtt er-
ſcheinen und ſolches mit allen Minen, Ge-
berden, Worten und Wercken zu verſte-
hen geben ſollen. Es iſt wohl wahr, bey
dem Gottesdienſte kommet es nicht auf
den aͤuſſeren Pracht der Kirchen, ſondern
vielmehr auf den innern Zuſtand des Ge-
muͤthes an (§. 759 Mor.). Allein man ſu-
chet auch darinnen keinen Gottesdienſt,
ſondern verlanget nur, daß wir durch das
aͤuſſere auf das innere ſollen gebracht wer-
den, und das aͤuſſere zu dem inneren foͤr-
derlich ſeyn ſoll. Und dieſes iſt um ſo viel
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