Nemlich da die Wohlfahrt derHaupt- Gesetze einer Ge- sellschaft. Gesellschaft die einige Absicht ist, warumb man sich darein begiebet (§. 4); alle beson- dere Absichten aber dergestalt einzurichten sind, daß sie endlich ein Mittel zur Haupt- Absicht werden (§. 140. Mor.); so ist dieses die Regel, darnach diejenigen ihre Hand- lungen einzurichten haben, die in einer Ge- sellschaft mit einander leben, in so weit sie nemlich in derselben leben: Thue, was die Wohlfahrt der Gesellschaft befördert; un- terlaß, was ihr hinderlich, oder sonst nachtheilig ist. Da wir nun nach dieser Regel unsere Handlungen einzurichten ver- bunden sind; so ist sie das letzte Gesetze in einer Gesellschaft, und saget man nicht oh- ne Grund, die gemeine Wohlfahrt ist das höchste oder letzte Gesetze in einer Gesell- schaft. (§. 16. Mor.)
§. 12.
Derowegen wenn es geschehenWenn die ge- meine Wohl- fahrt der besonde- ren vor- zuziehen sollte, daß die besondere Wohlfahrt eines einigen, der in der Gesellschaft lebet, mit der gemeinen Wohlfahrt nicht bestehen könnte, und dannenhero nöthig wäre, ei- ne Ausnahme zu machen (§. 165 Met.); so müste die gemeine Wohlfahrt der beson- deren vorgezogen, die besondere aber der gemeinen nachgesetzet werden. Man muß aber wohl darauf acht haben, daß man die gemeine Wohlfahrt nicht weiter erstre-
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der Menſchen uͤberhaupt.
§. 11.
Nemlich da die Wohlfahrt derHaupt- Geſetze einer Ge- ſellſchaft. Geſellſchaft die einige Abſicht iſt, warumb man ſich darein begiebet (§. 4); alle beſon- dere Abſichten aber dergeſtalt einzurichten ſind, daß ſie endlich ein Mittel zur Haupt- Abſicht werden (§. 140. Mor.); ſo iſt dieſes die Regel, darnach diejenigen ihre Hand- lungen einzurichten haben, die in einer Ge- ſellſchaft mit einander leben, in ſo weit ſie nemlich in derſelben leben: Thue, was die Wohlfahrt der Geſellſchaft befoͤrdert; un- terlaß, was ihr hinderlich, oder ſonſt nachtheilig iſt. Da wir nun nach dieſer Regel unſere Handlungen einzurichten ver- bunden ſind; ſo iſt ſie das letzte Geſetze in einer Geſellſchaft, und ſaget man nicht oh- ne Grund, die gemeine Wohlfahrt iſt das hoͤchſte oder letzte Geſetze in einer Geſell- ſchaft. (§. 16. Mor.)
§. 12.
Derowegen wenn es geſchehenWenn die ge- meine Wohl- fahrt der beſonde- ren vor- zuziehen ſollte, daß die beſondere Wohlfahrt eines einigen, der in der Geſellſchaft lebet, mit der gemeinen Wohlfahrt nicht beſtehen koͤnnte, und dannenhero noͤthig waͤre, ei- ne Ausnahme zu machen (§. 165 Met.); ſo muͤſte die gemeine Wohlfahrt der beſon- deren vorgezogen, die beſondere aber der gemeinen nachgeſetzet werden. Man muß aber wohl darauf acht haben, daß man die gemeine Wohlfahrt nicht weiter erſtre-
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der Menſchen uͤberhaupt.
§. 11.Nemlich da die Wohlfahrt der
Geſellſchaft die einige Abſicht iſt, warumb
man ſich darein begiebet (§. 4); alle beſon-
dere Abſichten aber dergeſtalt einzurichten
ſind, daß ſie endlich ein Mittel zur Haupt-
Abſicht werden (§. 140. Mor.); ſo iſt dieſes
die Regel, darnach diejenigen ihre Hand-
lungen einzurichten haben, die in einer Ge-
ſellſchaft mit einander leben, in ſo weit ſie
nemlich in derſelben leben: Thue, was die
Wohlfahrt der Geſellſchaft befoͤrdert; un-
terlaß, was ihr hinderlich, oder ſonſt
nachtheilig iſt. Da wir nun nach dieſer
Regel unſere Handlungen einzurichten ver-
bunden ſind; ſo iſt ſie das letzte Geſetze in
einer Geſellſchaft, und ſaget man nicht oh-
ne Grund, die gemeine Wohlfahrt iſt das
hoͤchſte oder letzte Geſetze in einer Geſell-
ſchaft. (§. 16. Mor.)
Haupt-
Geſetze
einer Ge-
ſellſchaft.
§. 12.Derowegen wenn es geſchehen
ſollte, daß die beſondere Wohlfahrt eines
einigen, der in der Geſellſchaft lebet, mit
der gemeinen Wohlfahrt nicht beſtehen
koͤnnte, und dannenhero noͤthig waͤre, ei-
ne Ausnahme zu machen (§. 165 Met.); ſo
muͤſte die gemeine Wohlfahrt der beſon-
deren vorgezogen, die beſondere aber der
gemeinen nachgeſetzet werden. Man muß
aber wohl darauf acht haben, daß man
die gemeine Wohlfahrt nicht weiter erſtre-
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Wenn
die ge-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/25>, abgerufen am 21.11.2024.
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