Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 3. Von der Eintichtung
senschafften und guten Künsten immer wei-
ter herunter.

Wie es
mit Sti-
pendien
zu halten
§. 294.

Weil es nun aber sich nicht all-
zeit füget, daß diejenigen, welche von Na-
tur geschickte Köpffe zum studiren bekom-
men, und Lust dazu haben, auch mit genug-
samen Mitteln versehen sind, die was gründ-
liches zu erlernen erfordert werden, so hat
man davor zusorgen, wie ihnen durch zu-
reichende Hülffe, die dazu benöthigten
Mittel verschaffet werden (§. 769. Mor.):
dergleichen Gelder man Stipendien zu
nennen pfleget. Man siehet demnach hier-
aus, daß es unrecht ist, wenn man Stipen-
dien denen zngenießen giebet, die vor sich
Mittel haben zum studiren (welches auch
schon aus den allgemeinen Pflichten der
Menschen gegen einander (§. 769. Mor.)
erhellet); oder auch denen, die ungeschickt
sind etwas tüchtiges zulernen: denn da
man sie gar nicht soll studiren lassen (§.
293), so kan man ihnen um so viel weni-
ger behülfflich seyn. Ferner ist es auch un-
recht dergleichen Wohlthat denen zu er-
zeigen, die zum studiren keine rechte Lust ha-
ben, und sie nur übel anwenden, und zwar
aus eben der Ursache, die erst jetzt berühret
worden. Weil man aber darauf zusehen
hat, daß alle diejenigen, welche etwas ler-
nen wollen, dasselbe gründlich lernen (§.
293); so ist nöthig, daß man zum studi-

ren

Cap. 3. Von der Eintichtung
ſenſchafften und guten Kuͤnſten immer wei-
ter herunter.

Wie es
mit Sti-
pendien
zu halten
§. 294.

Weil es nun aber ſich nicht all-
zeit fuͤget, daß diejenigen, welche von Na-
tur geſchickte Koͤpffe zum ſtudiren bekom-
men, und Luſt dazu haben, auch mit genug-
ſamen Mitteln verſehen ſind, die was gruͤnd-
liches zu erlernen erfordert werden, ſo hat
man davor zuſorgen, wie ihnen durch zu-
reichende Huͤlffe, die dazu benoͤthigten
Mittel verſchaffet werden (§. 769. Mor.):
dergleichen Gelder man Stipendien zu
nennen pfleget. Man ſiehet demnach hier-
aus, daß es unrecht iſt, wenn man Stipen-
dien denen zngenießen giebet, die vor ſich
Mittel haben zum ſtudiren (welches auch
ſchon aus den allgemeinen Pflichten der
Menſchen gegen einander (§. 769. Mor.)
erhellet); oder auch denen, die ungeſchickt
ſind etwas tuͤchtiges zulernen: denn da
man ſie gar nicht ſoll ſtudiren laſſen (§.
293), ſo kan man ihnen um ſo viel weni-
ger behuͤlfflich ſeyn. Ferner iſt es auch un-
recht dergleichen Wohlthat denen zu er-
zeigen, die zum ſtudiren keine rechte Luſt ha-
ben, und ſie nur uͤbel anwenden, und zwar
aus eben der Urſache, die erſt jetzt beruͤhret
worden. Weil man aber darauf zuſehen
hat, daß alle diejenigen, welche etwas ler-
nen wollen, daſſelbe gruͤndlich lernen (§.
293); ſo iſt noͤthig, daß man zum ſtudi-

ren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0244" n="226"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 3. Von der Eintichtung</hi></fw><lb/>
&#x017F;en&#x017F;chafften und guten Ku&#x0364;n&#x017F;ten immer wei-<lb/>
ter herunter.</p><lb/>
              <note place="left">Wie es<lb/>
mit Sti-<lb/>
pendien<lb/>
zu halten</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 294.</head>
              <p>Weil es nun aber &#x017F;ich nicht all-<lb/>
zeit fu&#x0364;get, daß diejenigen, welche von Na-<lb/>
tur ge&#x017F;chickte Ko&#x0364;pffe zum &#x017F;tudiren bekom-<lb/>
men, und Lu&#x017F;t dazu haben, auch mit genug-<lb/>
&#x017F;amen Mitteln ver&#x017F;ehen &#x017F;ind, die was gru&#x0364;nd-<lb/>
liches zu erlernen erfordert werden, &#x017F;o hat<lb/>
man davor zu&#x017F;orgen, wie ihnen durch zu-<lb/>
reichende Hu&#x0364;lffe, die dazu beno&#x0364;thigten<lb/>
Mittel ver&#x017F;chaffet werden (§. 769. <hi rendition="#aq">Mor.</hi>):<lb/>
dergleichen Gelder man <hi rendition="#fr">Stipendien</hi> zu<lb/>
nennen pfleget. Man &#x017F;iehet demnach hier-<lb/>
aus, daß es unrecht i&#x017F;t, wenn man Stipen-<lb/>
dien denen zngenießen giebet, die vor &#x017F;ich<lb/>
Mittel haben zum &#x017F;tudiren (welches auch<lb/>
&#x017F;chon aus den allgemeinen Pflichten der<lb/>
Men&#x017F;chen gegen einander (§. 769. <hi rendition="#aq">Mor.</hi>)<lb/>
erhellet); oder auch denen, die unge&#x017F;chickt<lb/>
&#x017F;ind etwas tu&#x0364;chtiges zulernen: denn da<lb/>
man &#x017F;ie gar nicht &#x017F;oll &#x017F;tudiren la&#x017F;&#x017F;en (§.<lb/>
293), &#x017F;o kan man ihnen um &#x017F;o viel weni-<lb/>
ger behu&#x0364;lfflich &#x017F;eyn. Ferner i&#x017F;t es auch un-<lb/>
recht dergleichen Wohlthat denen zu er-<lb/>
zeigen, die zum &#x017F;tudiren keine rechte Lu&#x017F;t ha-<lb/>
ben, und &#x017F;ie nur u&#x0364;bel anwenden, und zwar<lb/>
aus eben der Ur&#x017F;ache, die er&#x017F;t jetzt beru&#x0364;hret<lb/>
worden. Weil man aber darauf zu&#x017F;ehen<lb/>
hat, daß alle diejenigen, welche etwas ler-<lb/>
nen wollen, da&#x017F;&#x017F;elbe gru&#x0364;ndlich lernen (§.<lb/>
293); &#x017F;o i&#x017F;t no&#x0364;thig, daß man zum &#x017F;tudi-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ren</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0244] Cap. 3. Von der Eintichtung ſenſchafften und guten Kuͤnſten immer wei- ter herunter. §. 294.Weil es nun aber ſich nicht all- zeit fuͤget, daß diejenigen, welche von Na- tur geſchickte Koͤpffe zum ſtudiren bekom- men, und Luſt dazu haben, auch mit genug- ſamen Mitteln verſehen ſind, die was gruͤnd- liches zu erlernen erfordert werden, ſo hat man davor zuſorgen, wie ihnen durch zu- reichende Huͤlffe, die dazu benoͤthigten Mittel verſchaffet werden (§. 769. Mor.): dergleichen Gelder man Stipendien zu nennen pfleget. Man ſiehet demnach hier- aus, daß es unrecht iſt, wenn man Stipen- dien denen zngenießen giebet, die vor ſich Mittel haben zum ſtudiren (welches auch ſchon aus den allgemeinen Pflichten der Menſchen gegen einander (§. 769. Mor.) erhellet); oder auch denen, die ungeſchickt ſind etwas tuͤchtiges zulernen: denn da man ſie gar nicht ſoll ſtudiren laſſen (§. 293), ſo kan man ihnen um ſo viel weni- ger behuͤlfflich ſeyn. Ferner iſt es auch un- recht dergleichen Wohlthat denen zu er- zeigen, die zum ſtudiren keine rechte Luſt ha- ben, und ſie nur uͤbel anwenden, und zwar aus eben der Urſache, die erſt jetzt beruͤhret worden. Weil man aber darauf zuſehen hat, daß alle diejenigen, welche etwas ler- nen wollen, daſſelbe gruͤndlich lernen (§. 293); ſo iſt noͤthig, daß man zum ſtudi- ren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/244
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/244>, abgerufen am 26.04.2024.