Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. 3. Von der Einrichtung
aber die Lehrenden, die aus Hochmuth und
Hoffart einander verachten, wohl zu be-
dencken, daß sie dadurch ihrer wahren Ehre
selbst schaden. Denn da Ehrgeitz, Hoch-
muth und Hoffart Laster sind (§. 597. 630.
797. Mor.); von dem Laster aber sich loß
reissen und einen untadelhaften Wandel füh-
ren in der That etwas grössers ist als die
Erkäntniß vieler Dinge besitzen, die ein
jeder nicht verstehet (§. 239. Mor.); so scha-
det man dadurch gar seinem wahren Ruh-
me bey Verständigen. Uberdieses giebet
man dem andern Anlaß, daß er uns gleiches
mit gleichem vergilt und, da ein jeder unter
den Lernenden einen Anhang hat, werden
auch dieselbe rege gemacht darauf zu sehen,
wie sie alles hervorsuchen, was ihrem Ge-
gentheile auf einige Art und Weise nachthei-
lig seyn kan.

Warum
ein Leh-
render
Liebe
bey den
Lernen-
den ha-
ben soll.
§. 291.

Es ist auch viel daran gelegen,
daß Lehrende Liebe bey den Lernenden ha-
ben. Denn wenn sie die Lernenden auf-
richtig lieben, so werden sie auch nichts vor-
nehmen, was ihre Lehrer mißvergnüget, und
hingegen alles thun, was sie vergnügen kan
(§. 693. Mor.). Derowegen weil sie gar
wohl begreiffen, daß es denen Lehrenden ge-
fället, wenn sie die Lehren, so von ihnen vor-
getragen werden, hochachten, und sie sich im
Lernen fleißig erzeigen; so wird auch die
Liebe sie antreiben ihre Lehren mit Hochach-

tung

Cap. 3. Von der Einrichtung
aber die Lehrenden, die aus Hochmuth und
Hoffart einander verachten, wohl zu be-
dencken, daß ſie dadurch ihrer wahren Ehre
ſelbſt ſchaden. Denn da Ehrgeitz, Hoch-
muth und Hoffart Laſter ſind (§. 597. 630.
797. Mor.); von dem Laſter aber ſich loß
reiſſen und einen untadelhaften Wandel fuͤh-
ren in der That etwas groͤſſers iſt als die
Erkaͤntniß vieler Dinge beſitzen, die ein
jeder nicht verſtehet (§. 239. Mor.); ſo ſcha-
det man dadurch gar ſeinem wahren Ruh-
me bey Verſtaͤndigen. Uberdieſes giebet
man dem andern Anlaß, daß er uns gleiches
mit gleichem vergilt und, da ein jeder unter
den Lernenden einen Anhang hat, werden
auch dieſelbe rege gemacht darauf zu ſehen,
wie ſie alles hervorſuchen, was ihrem Ge-
gentheile auf einige Art und Weiſe nachthei-
lig ſeyn kan.

Warum
ein Leh-
render
Liebe
bey den
Lernen-
den ha-
ben ſoll.
§. 291.

Es iſt auch viel daran gelegen,
daß Lehrende Liebe bey den Lernenden ha-
ben. Denn wenn ſie die Lernenden auf-
richtig lieben, ſo werden ſie auch nichts vor-
nehmen, was ihre Lehrer mißvergnuͤget, und
hingegen alles thun, was ſie vergnuͤgen kan
(§. 693. Mor.). Derowegen weil ſie gar
wohl begreiffen, daß es denen Lehrenden ge-
faͤllet, wenn ſie die Lehren, ſo von ihnen vor-
getragen werden, hochachten, und ſie ſich im
Lernen fleißig erzeigen; ſo wird auch die
Liebe ſie antreiben ihre Lehren mit Hochach-

tung
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0238" n="220"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Cap. 3. Von der Einrichtung</hi></fw><lb/>
aber die Lehrenden, die aus Hochmuth und<lb/>
Hoffart einander verachten, wohl zu be-<lb/>
dencken, daß &#x017F;ie dadurch ihrer wahren Ehre<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chaden. Denn da Ehrgeitz, Hoch-<lb/>
muth und Hoffart La&#x017F;ter &#x017F;ind (§. 597. 630.<lb/>
797. <hi rendition="#aq">Mor.</hi>); von dem La&#x017F;ter aber &#x017F;ich loß<lb/>
rei&#x017F;&#x017F;en und einen untadelhaften Wandel fu&#x0364;h-<lb/>
ren in der That etwas gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ers i&#x017F;t als die<lb/>
Erka&#x0364;ntniß vieler Dinge be&#x017F;itzen, die ein<lb/>
jeder nicht ver&#x017F;tehet (§. 239. <hi rendition="#aq">Mor.</hi>); &#x017F;o &#x017F;cha-<lb/>
det man dadurch gar &#x017F;einem wahren Ruh-<lb/>
me bey Ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen. Uberdie&#x017F;es giebet<lb/>
man dem andern Anlaß, daß er uns gleiches<lb/>
mit gleichem vergilt und, da ein jeder unter<lb/>
den Lernenden einen Anhang hat, werden<lb/>
auch die&#x017F;elbe rege gemacht darauf zu &#x017F;ehen,<lb/>
wie &#x017F;ie alles hervor&#x017F;uchen, was ihrem Ge-<lb/>
gentheile auf einige Art und Wei&#x017F;e nachthei-<lb/>
lig &#x017F;eyn kan.</p><lb/>
              <note place="left">Warum<lb/>
ein Leh-<lb/>
render<lb/>
Liebe<lb/>
bey den<lb/>
Lernen-<lb/>
den ha-<lb/>
ben &#x017F;oll.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 291.</head>
              <p>Es i&#x017F;t auch viel daran gelegen,<lb/>
daß Lehrende Liebe bey den Lernenden ha-<lb/>
ben. Denn wenn &#x017F;ie die Lernenden auf-<lb/>
richtig lieben, &#x017F;o werden &#x017F;ie auch nichts vor-<lb/>
nehmen, was ihre Lehrer mißvergnu&#x0364;get, und<lb/>
hingegen alles thun, was &#x017F;ie vergnu&#x0364;gen kan<lb/>
(§. 693. <hi rendition="#aq">Mor.</hi>). Derowegen weil &#x017F;ie gar<lb/>
wohl begreiffen, daß es denen Lehrenden ge-<lb/>
fa&#x0364;llet, wenn &#x017F;ie die Lehren, &#x017F;o von ihnen vor-<lb/>
getragen werden, hochachten, und &#x017F;ie &#x017F;ich im<lb/>
Lernen fleißig erzeigen; &#x017F;o wird auch die<lb/>
Liebe &#x017F;ie antreiben ihre Lehren mit Hochach-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tung</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0238] Cap. 3. Von der Einrichtung aber die Lehrenden, die aus Hochmuth und Hoffart einander verachten, wohl zu be- dencken, daß ſie dadurch ihrer wahren Ehre ſelbſt ſchaden. Denn da Ehrgeitz, Hoch- muth und Hoffart Laſter ſind (§. 597. 630. 797. Mor.); von dem Laſter aber ſich loß reiſſen und einen untadelhaften Wandel fuͤh- ren in der That etwas groͤſſers iſt als die Erkaͤntniß vieler Dinge beſitzen, die ein jeder nicht verſtehet (§. 239. Mor.); ſo ſcha- det man dadurch gar ſeinem wahren Ruh- me bey Verſtaͤndigen. Uberdieſes giebet man dem andern Anlaß, daß er uns gleiches mit gleichem vergilt und, da ein jeder unter den Lernenden einen Anhang hat, werden auch dieſelbe rege gemacht darauf zu ſehen, wie ſie alles hervorſuchen, was ihrem Ge- gentheile auf einige Art und Weiſe nachthei- lig ſeyn kan. §. 291.Es iſt auch viel daran gelegen, daß Lehrende Liebe bey den Lernenden ha- ben. Denn wenn ſie die Lernenden auf- richtig lieben, ſo werden ſie auch nichts vor- nehmen, was ihre Lehrer mißvergnuͤget, und hingegen alles thun, was ſie vergnuͤgen kan (§. 693. Mor.). Derowegen weil ſie gar wohl begreiffen, daß es denen Lehrenden ge- faͤllet, wenn ſie die Lehren, ſo von ihnen vor- getragen werden, hochachten, und ſie ſich im Lernen fleißig erzeigen; ſo wird auch die Liebe ſie antreiben ihre Lehren mit Hochach- tung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/238
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/238>, abgerufen am 19.04.2024.