Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

des gemeines Wesens.
die Lehrenden durch eine ungeschickte Auf-
führung in ihrem Wandel, Minen und Ge-
berden bald lächerlich und verleiten die Ler-
nenden dazu, daß sie ihrer spotten: in welchem
Zustande die Lernenden entweder auf die
Gedancken gerathen, als wenn sie das ih-
rige nicht recht verstünden, weil sie meinen
ein Verständiger könne sich nicht so auffüh-
ren, oder sich wohl einbilden, als wenn das-
jenige, was sie lehren, Sachen wären, die
nicht viel nutzten und man daher gar wohl
entrathen könte, ja unterweilen wohl gar
sich und andere überreden, die Sachen, so
sie lehreten, hinderten eine gute Aufführung
und die Klngheit im Wandel: Woraus
denn ferner eine Verachtung der Wissen-
schafft entstehet, und man unterlässet zu ler-
nen, was man sonst lernen würde und sol-
te.

§. 290.

Da nun bey einem Lehrenden esWie ein
Lehren-
der des
andern
Ansehen
erhalten
soll.

so nöthig ist, daß er bey den Lernenden ein
gutes Ansehen hat (§. 288. 289.); so ist auch
höchst nöthig, daß, wenn viele Lehrende die
Unterweisung der Jugend in verschiedenen
Künsten und Wissenschafften zugleich be-
sorgen, keiner unter ihnen etwas vorneh-
me, was dem andern vorkleinerlich ist, und
demnach keiner den andern vor den Lernen-
den verachte, sondern vielmehr alles, was
nachtheiliges von ihnen gesaget wird, zum
besten kehre. Wir sind dazu schon durch

die
O 5

des gemeines Weſens.
die Lehrenden durch eine ungeſchickte Auf-
fuͤhrung in ihrem Wandel, Minen und Ge-
berden bald laͤcherlich und verleiten die Ler-
nenden dazu, daß ſie ihrer ſpotten: in welchem
Zuſtande die Lernenden entweder auf die
Gedancken gerathen, als wenn ſie das ih-
rige nicht recht verſtuͤnden, weil ſie meinen
ein Verſtaͤndiger koͤnne ſich nicht ſo auffuͤh-
ren, oder ſich wohl einbilden, als wenn das-
jenige, was ſie lehren, Sachen waͤren, die
nicht viel nutzten und man daher gar wohl
entrathen koͤnte, ja unterweilen wohl gar
ſich und andere uͤberreden, die Sachen, ſo
ſie lehreten, hinderten eine gute Auffuͤhrung
und die Klngheit im Wandel: Woraus
denn ferner eine Verachtung der Wiſſen-
ſchafft entſtehet, und man unterlaͤſſet zu ler-
nen, was man ſonſt lernen wuͤrde und ſol-
te.

§. 290.

Da nun bey einem Lehrenden esWie ein
Lehren-
der des
andern
Anſehen
erhalten
ſoll.

ſo noͤthig iſt, daß er bey den Lernenden ein
gutes Anſehen hat (§. 288. 289.); ſo iſt auch
hoͤchſt noͤthig, daß, wenn viele Lehrende die
Unterweiſung der Jugend in verſchiedenen
Kuͤnſten und Wiſſenſchafften zugleich be-
ſorgen, keiner unter ihnen etwas vorneh-
me, was dem andern vorkleinerlich iſt, und
demnach keiner den andern vor den Lernen-
den verachte, ſondern vielmehr alles, was
nachtheiliges von ihnen geſaget wird, zum
beſten kehre. Wir ſind dazu ſchon durch

die
O 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0235" n="217"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des gemeines We&#x017F;ens.</hi></fw><lb/>
die Lehrenden durch eine unge&#x017F;chickte Auf-<lb/>
fu&#x0364;hrung in ihrem Wandel, Minen und Ge-<lb/>
berden bald la&#x0364;cherlich und verleiten die Ler-<lb/>
nenden dazu, daß &#x017F;ie ihrer &#x017F;potten: in welchem<lb/>
Zu&#x017F;tande die Lernenden entweder auf die<lb/>
Gedancken gerathen, als wenn &#x017F;ie das ih-<lb/>
rige nicht recht ver&#x017F;tu&#x0364;nden, weil &#x017F;ie meinen<lb/>
ein Ver&#x017F;ta&#x0364;ndiger ko&#x0364;nne &#x017F;ich nicht &#x017F;o auffu&#x0364;h-<lb/>
ren, oder &#x017F;ich wohl einbilden, als wenn das-<lb/>
jenige, was &#x017F;ie lehren, Sachen wa&#x0364;ren, die<lb/>
nicht viel nutzten und man daher gar wohl<lb/>
entrathen ko&#x0364;nte, ja unterweilen wohl gar<lb/>
&#x017F;ich und andere u&#x0364;berreden, die Sachen, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;ie lehreten, hinderten eine gute Auffu&#x0364;hrung<lb/>
und die Klngheit im Wandel: Woraus<lb/>
denn ferner eine Verachtung der Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chafft ent&#x017F;tehet, und man unterla&#x0364;&#x017F;&#x017F;et zu ler-<lb/>
nen, was man &#x017F;on&#x017F;t lernen wu&#x0364;rde und &#x017F;ol-<lb/>
te.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 290.</head>
              <p>Da nun bey einem Lehrenden es<note place="right">Wie ein<lb/>
Lehren-<lb/>
der des<lb/>
andern<lb/>
An&#x017F;ehen<lb/>
erhalten<lb/>
&#x017F;oll.</note><lb/>
&#x017F;o no&#x0364;thig i&#x017F;t, daß er bey den Lernenden ein<lb/>
gutes An&#x017F;ehen hat (§. 288. 289.); &#x017F;o i&#x017F;t auch<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;t no&#x0364;thig, daß, wenn viele Lehrende die<lb/>
Unterwei&#x017F;ung der Jugend in ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;ten und Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften zugleich be-<lb/>
&#x017F;orgen, keiner unter ihnen etwas vorneh-<lb/>
me, was dem andern vorkleinerlich i&#x017F;t, und<lb/>
demnach keiner den andern vor den Lernen-<lb/>
den verachte, &#x017F;ondern vielmehr alles, was<lb/>
nachtheiliges von ihnen ge&#x017F;aget wird, zum<lb/>
be&#x017F;ten kehre. Wir &#x017F;ind dazu &#x017F;chon durch<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 5</fw><fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[217/0235] des gemeines Weſens. die Lehrenden durch eine ungeſchickte Auf- fuͤhrung in ihrem Wandel, Minen und Ge- berden bald laͤcherlich und verleiten die Ler- nenden dazu, daß ſie ihrer ſpotten: in welchem Zuſtande die Lernenden entweder auf die Gedancken gerathen, als wenn ſie das ih- rige nicht recht verſtuͤnden, weil ſie meinen ein Verſtaͤndiger koͤnne ſich nicht ſo auffuͤh- ren, oder ſich wohl einbilden, als wenn das- jenige, was ſie lehren, Sachen waͤren, die nicht viel nutzten und man daher gar wohl entrathen koͤnte, ja unterweilen wohl gar ſich und andere uͤberreden, die Sachen, ſo ſie lehreten, hinderten eine gute Auffuͤhrung und die Klngheit im Wandel: Woraus denn ferner eine Verachtung der Wiſſen- ſchafft entſtehet, und man unterlaͤſſet zu ler- nen, was man ſonſt lernen wuͤrde und ſol- te. §. 290.Da nun bey einem Lehrenden es ſo noͤthig iſt, daß er bey den Lernenden ein gutes Anſehen hat (§. 288. 289.); ſo iſt auch hoͤchſt noͤthig, daß, wenn viele Lehrende die Unterweiſung der Jugend in verſchiedenen Kuͤnſten und Wiſſenſchafften zugleich be- ſorgen, keiner unter ihnen etwas vorneh- me, was dem andern vorkleinerlich iſt, und demnach keiner den andern vor den Lernen- den verachte, ſondern vielmehr alles, was nachtheiliges von ihnen geſaget wird, zum beſten kehre. Wir ſind dazu ſchon durch die Wie ein Lehren- der des andern Anſehen erhalten ſoll. O 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/235
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/235>, abgerufen am 26.04.2024.