was er andere lehren will, selbst nicht recht verstünde; von dem wird man nicht an- nehmen, was er saget, sondern ihn mit dem, was er vorbringet, nur verlachen. Sol- chergestalt unterlässet man entweder gar, was man von ihm lernen solte, oder man wendet keinen rechten Fleiß an. Und die- ses ist eben die Ursache, warum man be- rühmte Leute zu Lehrenden nimmet, die nem- lich bey andern sich schon in den Credit ge- setzet, daß sie dasjenige, was sie lehren sol- len, für andern wohl verstehen. Ja eben deswegen haben sich Lehrende zu bemühen, daß sie dergleichen Proben ablegen, wo- durch sie einen solchen Ruhm erhalten kön- nen. Es hat über dieses auch den Nutzen, daß mehrere angelocket werden sich ihrer Unterweisung zu bedienen: wodurch sie zu- gleich ihr Vortheil in Vermehrung ihres Verdienstes befördern.
Wie sie sich da- rinnen erhalten.
§. 289.
Damit sie aber bey den Lernen- den sich in dem Ansehen erhalten, darein sie sich durch tüchtige Proben gesetzet; so ha- ben sie sonderlich in ihrer Aufführung, ja in allen Minen und Geberden, sorgfältig zu vermeiden, was ihnen unanständig ist. Denn da Kinder und junge Leute für andern ge- neiget sind, an andern zu tadeln, was sie un- ständiges an ihnen sehen, auch wo viele bey einander sind, ein aufgeweckter Kopff die anderen mit auf bringet; so machen sich
die
Cap. 3. Von der Einrichtung
was er andere lehren will, ſelbſt nicht recht verſtuͤnde; von dem wird man nicht an- nehmen, was er ſaget, ſondern ihn mit dem, was er vorbringet, nur verlachen. Sol- chergeſtalt unterlaͤſſet man entweder gar, was man von ihm lernen ſolte, oder man wendet keinen rechten Fleiß an. Und die- ſes iſt eben die Urſache, warum man be- ruͤhmte Leute zu Lehrenden nimmet, die nem- lich bey andern ſich ſchon in den Credit ge- ſetzet, daß ſie dasjenige, was ſie lehren ſol- len, fuͤr andern wohl verſtehen. Ja eben deswegen haben ſich Lehrende zu bemuͤhen, daß ſie dergleichen Proben ablegen, wo- durch ſie einen ſolchen Ruhm erhalten koͤn- nen. Es hat uͤber dieſes auch den Nutzen, daß mehrere angelocket werden ſich ihrer Unterweiſung zu bedienen: wodurch ſie zu- gleich ihr Vortheil in Vermehrung ihres Verdienſtes befoͤrdern.
Wie ⃒ſie ſich da- rinnen erhalten.
§. 289.
Damit ſie aber bey den Lernen- den ſich in dem Anſehen erhalten, darein ſie ſich durch tuͤchtige Proben geſetzet; ſo ha- ben ſie ſonderlich in ihrer Auffuͤhrung, ja in allen Minen und Geberden, ſorgfaͤltig zu vermeiden, was ihnen unanſtaͤndig iſt. Denn da Kinder und junge Leute fuͤr andern ge- neiget ſind, an andern zu tadeln, was ſie un- ſtaͤndiges an ihnen ſehen, auch wo viele bey einander ſind, ein aufgeweckter Kopff die anderen mit auf bringet; ſo machen ſich
die
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Cap. 3. Von der Einrichtung
was er andere lehren will, ſelbſt nicht recht
verſtuͤnde; von dem wird man nicht an-
nehmen, was er ſaget, ſondern ihn mit dem,
was er vorbringet, nur verlachen. Sol-
chergeſtalt unterlaͤſſet man entweder gar,
was man von ihm lernen ſolte, oder man
wendet keinen rechten Fleiß an. Und die-
ſes iſt eben die Urſache, warum man be-
ruͤhmte Leute zu Lehrenden nimmet, die nem-
lich bey andern ſich ſchon in den Credit ge-
ſetzet, daß ſie dasjenige, was ſie lehren ſol-
len, fuͤr andern wohl verſtehen. Ja eben
deswegen haben ſich Lehrende zu bemuͤhen,
daß ſie dergleichen Proben ablegen, wo-
durch ſie einen ſolchen Ruhm erhalten koͤn-
nen. Es hat uͤber dieſes auch den Nutzen,
daß mehrere angelocket werden ſich ihrer
Unterweiſung zu bedienen: wodurch ſie zu-
gleich ihr Vortheil in Vermehrung ihres
Verdienſtes befoͤrdern.
§. 289.Damit ſie aber bey den Lernen-
den ſich in dem Anſehen erhalten, darein ſie
ſich durch tuͤchtige Proben geſetzet; ſo ha-
ben ſie ſonderlich in ihrer Auffuͤhrung, ja
in allen Minen und Geberden, ſorgfaͤltig zu
vermeiden, was ihnen unanſtaͤndig iſt. Denn
da Kinder und junge Leute fuͤr andern ge-
neiget ſind, an andern zu tadeln, was ſie un-
ſtaͤndiges an ihnen ſehen, auch wo viele
bey einander ſind, ein aufgeweckter Kopff
die anderen mit auf bringet; ſo machen ſich
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/234>, abgerufen am 21.11.2024.
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