net, was er verstehet, und was er nicht ver- stehet. Denn sonst wenn er dieses zu un- terscheiden nicht geschickt ist, so wird er, wenn er sich einbildet, er verstehe was hier oder da zu thun ist, auf seinem Kopffe be- stehen, und keinen klugen Rath anhören, der ihm ertheilet wird. Es gehet auch an, daß in einer Monarchie die gemeine Wohl- fahrt und Sicherheit befördert wird, wenn der Monarche nur Liebe zu seinen Untertha- nen und dabey solche Räthe hat, wie er seyn sollte: denn ob es ihm gleich fehlet, daß er weder vor sich die Mittel zur Beför- derung der gemeinen Wohlfahrt und Si- cherheit erfinden, noch die von andern ihm ertheilete beurtheilen kan; so wird doch die- ses durch seine Räthe, denen er Gehör gie- bet, ersetzet, und gilt nachdem eben soviel, als wenn er die von ihnen vorgeschlagene und von ihm angenommene Mittel selbst er- funden oder auch beurtheilet hätte, indem dadurch in ihnen nichts geändert wird, son- dern sie mögen erfunden worden seyn, von wem sie wollen, er mag sie beurtheilet ha- ben oder nicht, so bleiben sie einmal wie das andere. Unterdessen da er nicht in dem Stande ist selbst zu urtheilen, ob diejeni- gen, welche er zu seinen Räthen erwehlet, so viel Verstand und Tugend haben, als erfordert wird, wenn durch ihren Rath die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit beför-
dert
Cap. Von den unterſchiedenen
net, was er verſtehet, und was er nicht ver- ſtehet. Denn ſonſt wenn er dieſes zu un- terſcheiden nicht geſchickt iſt, ſo wird er, wenn er ſich einbildet, er verſtehe was hier oder da zu thun iſt, auf ſeinem Kopffe be- ſtehen, und keinen klugen Rath anhoͤren, der ihm ertheilet wird. Es gehet auch an, daß in einer Monarchie die gemeine Wohl- fahrt und Sicherheit befoͤrdert wird, wenn der Monarche nur Liebe zu ſeinen Untertha- nen und dabey ſolche Raͤthe hat, wie er ſeyn ſollte: denn ob es ihm gleich fehlet, daß er weder vor ſich die Mittel zur Befoͤr- derung der gemeinen Wohlfahrt und Si- cherheit erfinden, noch die von andern ihm ertheilete beurtheilen kan; ſo wird doch die- ſes durch ſeine Raͤthe, denen er Gehoͤr gie- bet, erſetzet, und gilt nachdem eben ſoviel, als wenn er die von ihnen vorgeſchlagene und von ihm angenommene Mittel ſelbſt er- funden oder auch beurtheilet haͤtte, indem dadurch in ihnen nichts geaͤndert wird, ſon- dern ſie moͤgen erfunden worden ſeyn, von wem ſie wollen, er mag ſie beurtheilet ha- ben oder nicht, ſo bleiben ſie einmal wie das andere. Unterdeſſen da er nicht in dem Stande iſt ſelbſt zu urtheilen, ob diejeni- gen, welche er zu ſeinen Raͤthen erwehlet, ſo viel Verſtand und Tugend haben, als erfordert wird, wenn durch ihren Rath die gemeine Wohlfahrt und Sicherheit befoͤr-
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Cap. Von den unterſchiedenen
net, was er verſtehet, und was er nicht ver-
ſtehet. Denn ſonſt wenn er dieſes zu un-
terſcheiden nicht geſchickt iſt, ſo wird er,
wenn er ſich einbildet, er verſtehe was hier
oder da zu thun iſt, auf ſeinem Kopffe be-
ſtehen, und keinen klugen Rath anhoͤren,
der ihm ertheilet wird. Es gehet auch an,
daß in einer Monarchie die gemeine Wohl-
fahrt und Sicherheit befoͤrdert wird, wenn
der Monarche nur Liebe zu ſeinen Untertha-
nen und dabey ſolche Raͤthe hat, wie er
ſeyn ſollte: denn ob es ihm gleich fehlet,
daß er weder vor ſich die Mittel zur Befoͤr-
derung der gemeinen Wohlfahrt und Si-
cherheit erfinden, noch die von andern ihm
ertheilete beurtheilen kan; ſo wird doch die-
ſes durch ſeine Raͤthe, denen er Gehoͤr gie-
bet, erſetzet, und gilt nachdem eben ſoviel,
als wenn er die von ihnen vorgeſchlagene
und von ihm angenommene Mittel ſelbſt er-
funden oder auch beurtheilet haͤtte, indem
dadurch in ihnen nichts geaͤndert wird, ſon-
dern ſie moͤgen erfunden worden ſeyn, von
wem ſie wollen, er mag ſie beurtheilet ha-
ben oder nicht, ſo bleiben ſie einmal wie das
andere. Unterdeſſen da er nicht in dem
Stande iſt ſelbſt zu urtheilen, ob diejeni-
gen, welche er zu ſeinen Raͤthen erwehlet,
ſo viel Verſtand und Tugend haben, als
erfordert wird, wenn durch ihren Rath die
gemeine Wohlfahrt und Sicherheit befoͤr-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/198>, abgerufen am 16.02.2025.
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