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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Herrschafftlichen Gesellschafft.
bey uns keine Sclaven üblich sind, so wä-
re es unuöthig, hiervon weitläufftiger zu
handeln.

§. 188.

Wir erörtern nur die Frage,Ob es
recht ist
Menschen
zu Scla-
ven zu
machen.

ob es recht ist, daß man Sclaven habe,
oder nicht, weil einige sind, welche es in
Zweiffel ziehen. Es ist gewiß, daß ein je-
der Mensch zu der Glückseeligkeit des an-
dern soviel beytragen sol, als ihm möglich
ist (§. 767 Mor.). Da nun aber durch die
Sclaverey die Glückseeligkeit der Menschen
gehindert wird, theils indem sie bey schlim-
mer Herrschafft, die sie quälet, aushalten
müssen (§. 184), theils indem sie ihr Glü-
cke, was sie sonst ausser dem Dienste ihrer
Herren haben könten, zu verabsäumen ge-
zwungen sind: so ist es klar, daß man ei-
nen Menschen, der in der Freyheit sein Glü-
cke besser finden kan, nicht zum Sclaven
machen sol. Unterdessen da sich Leute fin-
den, die nicht anders als durch dienen bey
einer Herrschafft ihren Unterhalt haben kön-
nen, oder in Ermangelung dessen sich auf
verbothene Künste legen und dadurch
Schaden anrichten, dabey aber eines har-
ten Sinnes sind, daß sie sich nicht anders
als durch hartes Tractament lencken lassen,
unterdessen in der Freyheit es nicht vertra-
gen wollen, und daher zu ihrem eigenen
Schaden und Unglück der Herrschafft aus
den Diensten gehen; so ist es nicht unrecht,

wenn
(Politick) J

Herrſchafftlichen Geſellſchafft.
bey uns keine Sclaven uͤblich ſind, ſo waͤ-
re es unuoͤthig, hiervon weitlaͤufftiger zu
handeln.

§. 188.

Wir eroͤrtern nur die Frage,Ob es
recht iſt
Menſchẽ
zu Scla-
ven zu
machen.

ob es recht iſt, daß man Sclaven habe,
oder nicht, weil einige ſind, welche es in
Zweiffel ziehen. Es iſt gewiß, daß ein je-
der Menſch zu der Gluͤckſeeligkeit des an-
dern ſoviel beytragen ſol, als ihm moͤglich
iſt (§. 767 Mor.). Da nun aber durch die
Sclaverey die Gluͤckſeeligkeit der Menſchen
gehindert wird, theils indem ſie bey ſchlim-
mer Herrſchafft, die ſie quaͤlet, aushalten
muͤſſen (§. 184), theils indem ſie ihr Gluͤ-
cke, was ſie ſonſt auſſer dem Dienſte ihrer
Herren haben koͤnten, zu verabſaͤumen ge-
zwungen ſind: ſo iſt es klar, daß man ei-
nen Menſchen, der in der Freyheit ſein Gluͤ-
cke beſſer finden kan, nicht zum Sclaven
machen ſol. Unterdeſſen da ſich Leute fin-
den, die nicht anders als durch dienen bey
einer Herrſchafft ihren Unterhalt haben koͤn-
nen, oder in Ermangelung deſſen ſich auf
verbothene Kuͤnſte legen und dadurch
Schaden anrichten, dabey aber eines har-
ten Sinnes ſind, daß ſie ſich nicht anders
als durch hartes Tractament lencken laſſen,
unterdeſſen in der Freyheit es nicht vertra-
gen wollen, und daher zu ihrem eigenen
Schaden und Ungluͤck der Herrſchafft aus
den Dienſten gehen; ſo iſt es nicht unrecht,

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[129/0147] Herrſchafftlichen Geſellſchafft. bey uns keine Sclaven uͤblich ſind, ſo waͤ- re es unuoͤthig, hiervon weitlaͤufftiger zu handeln. §. 188.Wir eroͤrtern nur die Frage, ob es recht iſt, daß man Sclaven habe, oder nicht, weil einige ſind, welche es in Zweiffel ziehen. Es iſt gewiß, daß ein je- der Menſch zu der Gluͤckſeeligkeit des an- dern ſoviel beytragen ſol, als ihm moͤglich iſt (§. 767 Mor.). Da nun aber durch die Sclaverey die Gluͤckſeeligkeit der Menſchen gehindert wird, theils indem ſie bey ſchlim- mer Herrſchafft, die ſie quaͤlet, aushalten muͤſſen (§. 184), theils indem ſie ihr Gluͤ- cke, was ſie ſonſt auſſer dem Dienſte ihrer Herren haben koͤnten, zu verabſaͤumen ge- zwungen ſind: ſo iſt es klar, daß man ei- nen Menſchen, der in der Freyheit ſein Gluͤ- cke beſſer finden kan, nicht zum Sclaven machen ſol. Unterdeſſen da ſich Leute fin- den, die nicht anders als durch dienen bey einer Herrſchafft ihren Unterhalt haben koͤn- nen, oder in Ermangelung deſſen ſich auf verbothene Kuͤnſte legen und dadurch Schaden anrichten, dabey aber eines har- ten Sinnes ſind, daß ſie ſich nicht anders als durch hartes Tractament lencken laſſen, unterdeſſen in der Freyheit es nicht vertra- gen wollen, und daher zu ihrem eigenen Schaden und Ungluͤck der Herrſchafft aus den Dienſten gehen; ſo iſt es nicht unrecht, wenn Ob es recht iſt Menſchẽ zu Scla- ven zu machen. (Politick) J

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/147>, abgerufen am 21.11.2024.