Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Väterlichen Gesellfchafft. sie verschonen. Hier richtet die Furcht fürder Straffe mehr aus, als die Straffe selbst. Derowegen ist nicht zu rathen, daß man sie an ihnen vollstrecke; sondern es ist genung, wenn man sonderlich bey wieder- holeten Handlungen sich lange anstellet als wenn man sich nicht wolle erbitten lassen, und ihnen es schweer machet, ehe sie davon loß kommen, auch scharf bedrohet, man wolle sich nun nicht mehr erbitten lassen. Sollte man aber vermeinen, sie würden endlich dadurch auf die Gedancken gera- then, als wenn es mit der Straffe kein Ernst wäre und sich davor nicht mehr fürchten; so kan man um den Ernst zu zeigen nicht allein andere vor sie bitten lassen, die ihnen ein andermal ihre Vorbitte versagen, sondern auch die Straffe, welche sie sich als etwas schimpfliches vorstellen, in eine andere ge- lindere verwandeln. Wo dieses nicht fruch- tet, da kan man auch versichert seyn, daß wenige Neigung zur Ehrliebe vorhanden, und man demnach mit der Schärffe die knechtische Furcht muß zu behaupten suchen. Sonst ist gewiß, daß man die Straffe we- niger achtet, je öfter sie einen betroffen, ab- sonderlich wo man sie mehr für eine Be- schimpffung ansiehet, als einen Schmertz, der wehe thut. §. 132. Wenn Kinder eine kindlicheWoher aus
Vaͤterlichen Geſellfchafft. ſie verſchonen. Hier richtet die Furcht fuͤrder Straffe mehr aus, als die Straffe ſelbſt. Derowegen iſt nicht zu rathen, daß man ſie an ihnen vollſtrecke; ſondern es iſt genung, wenn man ſonderlich bey wieder- holeten Handlungen ſich lange anſtellet als wenn man ſich nicht wolle erbitten laſſen, und ihnen es ſchweer machet, ehe ſie davon loß kommen, auch ſcharf bedrohet, man wolle ſich nun nicht mehr erbitten laſſen. Sollte man aber vermeinen, ſie wuͤrden endlich dadurch auf die Gedancken gera- then, als wenn es mit der Straffe kein Ernſt waͤre und ſich davor nicht mehr fuͤrchten; ſo kan man um den Ernſt zu zeigen nicht allein andere vor ſie bitten laſſen, die ihnen ein andermal ihre Vorbitte verſagen, ſondern auch die Straffe, welche ſie ſich als etwas ſchimpfliches vorſtellen, in eine andere ge- lindere verwandeln. Wo dieſes nicht fruch- tet, da kan man auch verſichert ſeyn, daß wenige Neigung zur Ehrliebe vorhanden, und man demnach mit der Schaͤrffe die knechtiſche Furcht muß zu behaupten ſuchen. Sonſt iſt gewiß, daß man die Straffe we- niger achtet, je oͤfter ſie einen betroffen, ab- ſonderlich wo man ſie mehr fuͤr eine Be- ſchimpffung anſiehet, als einen Schmertz, der wehe thut. §. 132. Wenn Kinder eine kindlicheWoher aus
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Vaͤterlichen Geſellfchafft.
ſie verſchonen. Hier richtet die Furcht fuͤr
der Straffe mehr aus, als die Straffe
ſelbſt. Derowegen iſt nicht zu rathen, daß
man ſie an ihnen vollſtrecke; ſondern es iſt
genung, wenn man ſonderlich bey wieder-
holeten Handlungen ſich lange anſtellet als
wenn man ſich nicht wolle erbitten laſſen,
und ihnen es ſchweer machet, ehe ſie davon
loß kommen, auch ſcharf bedrohet, man
wolle ſich nun nicht mehr erbitten laſſen.
Sollte man aber vermeinen, ſie wuͤrden
endlich dadurch auf die Gedancken gera-
then, als wenn es mit der Straffe kein Ernſt
waͤre und ſich davor nicht mehr fuͤrchten; ſo
kan man um den Ernſt zu zeigen nicht allein
andere vor ſie bitten laſſen, die ihnen ein
andermal ihre Vorbitte verſagen, ſondern
auch die Straffe, welche ſie ſich als etwas
ſchimpfliches vorſtellen, in eine andere ge-
lindere verwandeln. Wo dieſes nicht fruch-
tet, da kan man auch verſichert ſeyn, daß
wenige Neigung zur Ehrliebe vorhanden,
und man demnach mit der Schaͤrffe die
knechtiſche Furcht muß zu behaupten ſuchen.
Sonſt iſt gewiß, daß man die Straffe we-
niger achtet, je oͤfter ſie einen betroffen, ab-
ſonderlich wo man ſie mehr fuͤr eine Be-
ſchimpffung anſiehet, als einen Schmertz,
der wehe thut.
§. 132.Wenn Kinder eine kindliche
Furcht fuͤr ihren Eltern haben, ſo ſind ſie
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Woher
Kinder
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