Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite



darin vollkommen gleich war, daß sie beide ganz
ohne Vermögen waren. Eines Tages hörte der
junge Mann von dem Vater seiner Geliebten die
bittersten Klagen, daß ihn seine Profession nicht
mehr ernähren wolle. Seit dem großen Hagel-
schlage, der so viele Scheiben heimgesucht, habe er,
außer unbedeutenden Laternengläsern, fast gar nichts
zu thun gehabt. Der Liebhaber ward von der Noth
der Familie gar sehr gerührt, und empfand sein Un-
vermögen zu helfen desto schmerzhafter, je größer
sein guter Wille war. Da kam ihm der Einfall,
dem Vater seiner Geliebten auf eine besondere Art
zu helfen, und er beschloß, denselben so bald als
möglich auszuführen. Am folgenden Abende bat er
mehrere junge Bekannte und Freunde zu sich, und
schaffte eine großmächtige Bowle Punsch an, die bis
in die späte Nacht ausdauerte. Als sich nun die
Gesellschaft ziemlich voll gepunscht hatte, erzählte er
die unglückliche Lage jenes Glasermeisters, und for-
derte seine Gefährten auf, in dem von der Wohnung
des Glasermeisters nicht weit gelegenen Hause eines
reichen Banquiers alle Fenster einzuwerfen, um dem
armen Manne zu einem Verdienst zu helfen. Das
ist ein köstlicher Einfall, rief der ganze Chor ein-
stimmig aus, laßt uns rasch zur That schreiten,
ehe uns die Nacht verläßt, die unserem Vorhaben
so günstig ist! -- Gesagt, gethan, und der künst-



darin vollkommen gleich war, daß ſie beide ganz
ohne Vermögen waren. Eines Tages hörte der
junge Mann von dem Vater ſeiner Geliebten die
bitterſten Klagen, daß ihn ſeine Profeſſion nicht
mehr ernähren wolle. Seit dem großen Hagel-
ſchlage, der ſo viele Scheiben heimgeſucht, habe er,
außer unbedeutenden Laternengläſern, faſt gar nichts
zu thun gehabt. Der Liebhaber ward von der Noth
der Familie gar ſehr gerührt, und empfand ſein Un-
vermögen zu helfen deſto ſchmerzhafter, je größer
ſein guter Wille war. Da kam ihm der Einfall,
dem Vater ſeiner Geliebten auf eine beſondere Art
zu helfen, und er beſchloß, denſelben ſo bald als
möglich auszuführen. Am folgenden Abende bat er
mehrere junge Bekannte und Freunde zu ſich, und
ſchaffte eine großmächtige Bowle Punſch an, die bis
in die ſpäte Nacht ausdauerte. Als ſich nun die
Geſellſchaft ziemlich voll gepunſcht hatte, erzählte er
die unglückliche Lage jenes Glaſermeiſters, und for-
derte ſeine Gefährten auf, in dem von der Wohnung
des Glaſermeiſters nicht weit gelegenen Hauſe eines
reichen Banquiers alle Fenſter einzuwerfen, um dem
armen Manne zu einem Verdienſt zu helfen. Das
iſt ein köſtlicher Einfall, rief der ganze Chor ein-
ſtimmig aus, laßt uns raſch zur That ſchreiten,
ehe uns die Nacht verläßt, die unſerem Vorhaben
ſo günſtig iſt! — Geſagt, gethan, und der künſt-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0046" n="30"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
darin vollkommen gleich war, daß &#x017F;ie beide ganz<lb/>
ohne Vermögen waren. Eines Tages hörte der<lb/>
junge Mann von dem Vater &#x017F;einer Geliebten die<lb/>
bitter&#x017F;ten Klagen, daß ihn &#x017F;eine Profe&#x017F;&#x017F;ion nicht<lb/>
mehr ernähren wolle. Seit dem großen Hagel-<lb/>
&#x017F;chlage, der &#x017F;o viele Scheiben heimge&#x017F;ucht, habe er,<lb/>
außer unbedeutenden Laternenglä&#x017F;ern, fa&#x017F;t gar nichts<lb/>
zu thun gehabt. Der Liebhaber ward von der Noth<lb/>
der Familie gar &#x017F;ehr gerührt, und empfand &#x017F;ein Un-<lb/>
vermögen zu helfen de&#x017F;to &#x017F;chmerzhafter, je größer<lb/>
&#x017F;ein guter Wille war. Da kam ihm der Einfall,<lb/>
dem Vater &#x017F;einer Geliebten auf eine be&#x017F;ondere Art<lb/>
zu helfen, und er be&#x017F;chloß, den&#x017F;elben &#x017F;o bald als<lb/>
möglich auszuführen. Am folgenden Abende bat er<lb/>
mehrere junge Bekannte und Freunde zu &#x017F;ich, und<lb/>
&#x017F;chaffte eine großmächtige Bowle Pun&#x017F;ch an, die bis<lb/>
in die &#x017F;päte Nacht ausdauerte. Als &#x017F;ich nun die<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ziemlich voll gepun&#x017F;cht hatte, erzählte er<lb/>
die unglückliche Lage jenes Gla&#x017F;ermei&#x017F;ters, und for-<lb/>
derte &#x017F;eine Gefährten auf, in dem von der Wohnung<lb/>
des Gla&#x017F;ermei&#x017F;ters nicht weit gelegenen Hau&#x017F;e eines<lb/>
reichen Banquiers alle Fen&#x017F;ter einzuwerfen, um dem<lb/>
armen Manne zu einem Verdien&#x017F;t zu helfen. Das<lb/>
i&#x017F;t ein kö&#x017F;tlicher Einfall, rief der ganze Chor ein-<lb/>
&#x017F;timmig aus, laßt uns ra&#x017F;ch zur That &#x017F;chreiten,<lb/>
ehe uns die Nacht verläßt, die un&#x017F;erem Vorhaben<lb/>
&#x017F;o gün&#x017F;tig i&#x017F;t! &#x2014; Ge&#x017F;agt, gethan, und der kün&#x017F;t-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0046] darin vollkommen gleich war, daß ſie beide ganz ohne Vermögen waren. Eines Tages hörte der junge Mann von dem Vater ſeiner Geliebten die bitterſten Klagen, daß ihn ſeine Profeſſion nicht mehr ernähren wolle. Seit dem großen Hagel- ſchlage, der ſo viele Scheiben heimgeſucht, habe er, außer unbedeutenden Laternengläſern, faſt gar nichts zu thun gehabt. Der Liebhaber ward von der Noth der Familie gar ſehr gerührt, und empfand ſein Un- vermögen zu helfen deſto ſchmerzhafter, je größer ſein guter Wille war. Da kam ihm der Einfall, dem Vater ſeiner Geliebten auf eine beſondere Art zu helfen, und er beſchloß, denſelben ſo bald als möglich auszuführen. Am folgenden Abende bat er mehrere junge Bekannte und Freunde zu ſich, und ſchaffte eine großmächtige Bowle Punſch an, die bis in die ſpäte Nacht ausdauerte. Als ſich nun die Geſellſchaft ziemlich voll gepunſcht hatte, erzählte er die unglückliche Lage jenes Glaſermeiſters, und for- derte ſeine Gefährten auf, in dem von der Wohnung des Glaſermeiſters nicht weit gelegenen Hauſe eines reichen Banquiers alle Fenſter einzuwerfen, um dem armen Manne zu einem Verdienſt zu helfen. Das iſt ein köſtlicher Einfall, rief der ganze Chor ein- ſtimmig aus, laßt uns raſch zur That ſchreiten, ehe uns die Nacht verläßt, die unſerem Vorhaben ſo günſtig iſt! — Geſagt, gethan, und der künſt-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/46
Zitationshilfe: Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/46>, abgerufen am 26.04.2024.